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# taz.de -- Roboter-Wettlauf in Deutschland: Nachgebaute Marslandschaft
> Für Deutschland war es eine Premiere: Zehn Teams kämpften darum, wer den
> besten Roboter für einen extraterrestrischen Einsatz hat.
Bild: Der Roboter „Bear“ vom Team „Berlin Rockets“ (FU Berlin) in der u…
RHEINBREITBACH taz | Normalerweise knattern Motorräder in der
Supercrosshalle im Industriegebiet von Rheinbreitbach über künstlich
aufgeschüttete Hügel. Anfang dieser Woche aber waren ganz andere technische
Gerätschaften auf dem unwegsamen Parcours unterwegs. In dem kleinen Ort
südlich von Bonn kämpfen zehn Roboter auf dem [1][SpaceBot Cup 2013] um die
Gunst des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Jedes Team
hatte 50.000 Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Der Wettbewerb sollte
entscheiden, welcher Roboter sich am tauglichsten für den Einsatz auf einem
fremden Himmelsgestirn erweist.
Angereist sind mit ihren Maschinen Teams von zehn Universitäten aus dem
ganzen Bundesgebiet. Die Aufgabenstellung ist, so stellt sich bald heraus,
recht anspruchsvoll. Auf dem hügeligen Gelände von einer Fläche von etwa 30
mal 20 Metern sind zwei Gegenstände platziert, eine quaderförmige gelbe
Batterie und ein blauer Becher, gefüllt mit Wasser.
Beide Objekte sollen von dem Roboter binnen einer Stunde gefunden und zu
einem roten Kasten gebracht werden. Die Batterie soll in einen Briefschlitz
gesteckt und das Glas auf ein markiertes Tablett abgestellt werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass den Robotern auf ihrem Rückweg Hindernisse in
den Weg gestellt werden und dass der Kontakt zwischen Mensch und Roboter
verzögert stattfindet.
Jeder Befehl der fiktiven Bodenstation ist zwei Sekunden unterwegs, bevor
er bei dem Roboter eintrifft. Ebenso ergeht es den Informationen, die der
Roboter für die steuernden Menschen sammelt. Insgesamt aber sollen die
Roboter möglichst autonom, also ohne menschliches Zutun, ihre Aufgabe
erfüllen.
Der Wettbewerb wird zusätzlich noch etwas komplizierter gestaltet. Alle 20
Minuten setzt der Kontakt für jeweils vier Minuten ganz aus. All diese
Bedingungen, so erklärt Daniel Nölke von der Wettbewerbsleitung, seien noch
harmlos gegen das, was Roboter zum Beispiel auf dem Mars erwarten. Im
Gegensatz zu der Motorsporthalle, die zwar etwas schlecht geheizt ist,
herrschen auf dem Mars Temperaturen von plus 27 bis minus 133 Grad Celsius.
Die mittlere Temperatur auf dem roten Planeten beträgt minus 55 Grad.
## Zeitverzögerung bis zu 20 Minuten
Auch die starke Strahlung, die dort herrscht und für das Material eine
große Herausforderung ist, wird auf dem rheinischen Testgelände nicht
simuliert. Die Zeitverzögerung bei der Nachrichtenübermittlung zwischen der
Steuerungsstation auf der Erde und Roboter auf dem Mars kann je nach Stand
der Gestirne sogar bis zu 20 Minuten betragen. Ebenso ist der minutenlange
Kontaktabbruch für die Raumfahrt ein bekanntes Problem. Die Vorgaben beim
Wettbewerb seien, so Nölke, also durchaus moderat.
Vor dem Start seines [2][Roboters SEAR ist Cem Avsar von der TU Berlin]
trotzdem sichtlich nervös. Sieben Monate lang hatten 20 Studierende aus den
Fachrichtungen Raumfahrt, Informatik und Maschinenbau an dem Fahrzeug mit
acht Rädern gebaut, das mit Blechen in leuchtendem Ferrari-Rot verkleidet
ist.
Mit 15 wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden ist man schon Tage
zuvor angereist, hat sich nur wenige Stunden Schlaf gegönnt. Zuvor wurden
wochenlang intensive Tests in Berlin absolviert. Man hatte, um die
Situation beim Wettbewerb nachzustellen, im ersten Stockwerk des
Universitätsgebäudes extra zehn Tonnen Sand aufgeschüttet.
## Handelsübliche Bauteile
Die Greifhände des Roboters, so Avsar, habe man den zu findenden Objekten
millimetergenau angepasst. Ein 3-D-Computerdrucker habe die Handinnenfläche
produziert. Als Auge dient SEAR eine Kamera aus einer handelsüblichen
Spielekonsole, die dem Roboterhirn zur Orientierung farbige Punktwolken
liefert. „Diese Kameras sind robust und billig und die Anbindung an Soft-
und Hardware des Bordcomputers sind leicht zu bewerkstelligen“, erklärt der
Wissenschaftler aus Berlin. Er ist recht optimistisch, dass SEAR die
Aufgabe in der vorgegebenen Zeit erledigen kann.
Sehr bald aber stellt sich heraus, dass die komplexe Aufgabe für die
anwesenden Roboter nicht zu lösen ist. Nicht nur SEAR, sondern auch einige
andere Roboter zeigen gar keine erkennbare Regung. Die Kommunikation
zwischen der imaginären Bodenstation, die in einem Container nur wenige
Dutzend Meter vom Austragungsort entfernt untergebracht ist, und den selbst
gefertigten automatischen Geländewagen kommt nicht zustande.
Einer der [3][„Space Lions“ der Technischen Universität Braunschweig] legt
zwar einen rasanten Start hin, dann aber drehen die Räder im weichen Sand
durch. Hilflos schwenkt die eingebaute Kamera hin und her. „Man muss jeden
Meter genießen, den ein Roboter hier dem Publikum gönnt“, kommentiert der
Moderator der Veranstaltung den kurzen Sprint sarkastisch.
## Außerplanmäßige Landung
Noch spektakulärer ist der Einsatz des [4][„Chemnitz University Robotics
Team“]. Die Wissenschaftler aus Sachsen haben neben zwei geländegängigen
Fahrzeugen noch eine Drohne dabei, die eine differenzierte Karte des Areals
an den Roboter senden soll. Das Fluggerät mit den vier Propellern
allerdings verfliegt sich in der Rheinbreitbacher Halle und landet
außerplanmäßig im Zuschauerraum.
Die Daten, die das Flugobjekt auf diesem Weg sammelt, verwirren anscheinend
den einen Roboter so stark, dass er sich hoffnungslos verfährt und dann
selbst abschaltet. Der Ersatzroboter will darauf erst gar nicht seinen
Dienst antreten.
Zwar auch nicht erfolgreich, aber zumindest schön anzusehen ist der letzte
Auftritt beim SpaceBot Cup 2013. [5][„Laurope“ vom Forschungszentrum
Informatik in Karlsruhe] ist eine grüne spinnenartige Maschine mit acht
Beinen. Der einzige Roboter ohne Räder allerdings schafft auch nur kurze
Ausfallschritte, vollführt so einen meditativ wirkenden Tanz auf dem
sandigen Untergrund.
## Schaltpult in der Hand
Am Ende der Veranstaltung dürfen alle Roboter gleichzeitig noch einmal ihr
Können zeigen, und zwar mit direkter Steuerung. Dabei stellt sich heraus,
dass die Leistungen der Maschinenbauer tatsächlich beeindruckend sind. Wie
kleine Jungs mit ihren ferngesteuerten Autos dirigieren die Techniker ihre
Geräte nun mit Schaltpult in der Hand durch das Gelände.
Das Problem, so erklärte später auch die Jury, sei in erster Linie die
Kommunikation zwischen Bodenstation und Roboter gewesen. Deshalb entschied
man sich auch, keine Wertung vorzunehmen. Alle zehn Teams fuhren also mit
einer Teilnahmeurkunde und vielen neuen Erfahrungen nach Hause.
Obwohl keine der Mannschaften annähernd die Aufgabenstellung erfüllt, sieht
[6][Gerd Gruppe] zunächst das Positive. Der DLR-Vorstand für
Raumfahrtmanagement ist nach eigenen Worten ein bekennender Roboterfan. Der
Wettbewerb diene dazu, die verschiedenen Institute, die sich mit Robotik
beschäftigen, miteinander zu vernetzen.
## Roboter ohne Zäune
Dabei gehe es ihm nicht nur um Fortschritte in der Raumfahrttechnik, so
Gruppe. Autonom arbeitende Roboter werden seiner Einschätzung nach auch auf
der Erde dringend gebraucht. Dabei sei es wichtig, die Schnittstelle
zwischen Roboter und Mensch weiterzuentwickeln. „Um die Roboter in
Autofabriken sind Zäune, damit sie für Menschen nicht gefährlich sind. Neue
Roboter sollten solche Zäune nicht benötigen.“ Dann könnten sie, so Gerd
Gruppe, die Gesellschaft durchaus humaner machen.
Als Beispiel hierfür fällt ihm seine vor Kurzem verstorbene Nachbarin ein,
die in den letzten zehn Jahren ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnte.
„Zunächst verlieren wir im Alter die Mobilität, infolgedessen dann erst
unsere intellektuellen Fähigkeiten.“ Hier könnten Automaten viel
Lebensqualität erhalten.
Gruppe bringt es auf den Nenner: „Roboter statt Rollator!“ Derweil packen
die ersten Teams ihre Gerätschaften wieder ein.
15 Nov 2013
## LINKS
[1] http://www.dlr.de/blogs/desktopdefault.aspx/tabid-7023/11643_read-674
[2] http://www.sear-blog.de/
[3] http://www.space-lions.de/
[4] http://www.tu-chemnitz.de/etit/proaut/forschung/spaceBotCup.html
[5] http://www.fzi.de/forschung/projekt-details/laurope/
[6] http://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10329/510_read-811
## AUTOREN
Lutz Debus
## TAGS
Roboter
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