# taz.de -- Die Wahrheit: Die Kurzwahlkanzlerin | |
> Das aktuelle Wahrheit-Interview: Der EU-Internetberater Karl-Theodor von | |
> und zu Guttenberg über die NSA-Affäre und Angela Merkels Handy. | |
Bild: KT von und zu Guttenberg im Beratungsgespräch mit der Kanzlerin. | |
taz: Herr von und zu Guttenberg, die Bundesregierung scheint mit der | |
NSA-Spähaffäre völlig überfordert. Warum fällt es der CDU-geführten | |
Regierung eigentlich so schwer, eine klare Haltung zu beziehen? | |
Karl-Theodor von und zu Guttenberg: Mich wundert das ehrlich gesagt | |
überhaupt nicht. Wir reden hier von der Generation 50 plus. Diese alten | |
Leutchen haben nicht mal einen Blassen, wie ihr eigenes Handy funktioniert. | |
Sie verstehen die modernen Technologien nicht und drücken hilflos | |
irgendwelche Knöpfe. Eigentlich wollen sie ihrem Enkel nur zum Geburtstag | |
gratulieren, und am anderen Ende ist dann plötzlich Obama. Dieser | |
Personenkreis ist noch immer fasziniert von der Elektrifizierung der | |
Eisenbahn. Denken Sie nur an den alten Deppen, der heute die CSU anführt. | |
Wie heißt noch gleich dieser abgehalfterte Hobby-Schaffner, der aussieht | |
wie der ehemalige Traumschiff-Kapitän mit den steingrauen Schläfen? | |
Sie meinen Horst Seehofer und spielen auf die Modelleisenbahn in seinem | |
Keller an … | |
Sie sagen es! Die Union ist rappelvoll mit verschrobenen Leuten und kruden | |
Hobbys. Blackberry halten die für einen Regenmantel mit Schottenmuster. | |
Nun sind Sie ja selbst ein Mitglied dieser Partei. | |
KT, wie meine Freunde mich nennen – und ich möchte mich ganz ausdrücklich | |
dazu zählen, schließlich bin ich selbst mein größter Fan –, war der jüng… | |
Minister der deutschen Geschichte. Daran möchte ich an dieser Stelle mit | |
aller Demut erinnern. Anfang 2009 übernahm KT im zarten Alter von 38 Jahren | |
die Stelle des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, wofür er | |
sich durch die Verwaltung des Familienvermögens hinreichend qualifiziert | |
hatte. Im Oktober 2009 trat KT das Amt des Bundesministers der Verteidigung | |
an und räumte den verranzten Laden gründlich auf. Altes Gerümpel wie die | |
Wehrpflicht? Weg damit! Das Thema ist seit der großen preußischen | |
Heeresreform natürlich immer wieder kontrovers diskutiert worden. Lassen | |
Sie mich dazu die große alte Dame der deutschen Romantik, Nina Varnhagen, | |
zitieren, die einmal leidenschaftlich schrieb: „Ich hab’ keine Pflicht!“ | |
Sie leben heute in Amerika und arbeiten als Internetberater im | |
Europaparlament. Was tun Sie da eigentlich konkret? | |
So genau kann ich das aus dem Stegreif natürlich auch nicht sagen. Das | |
müsst’ ich erst nachschlagen. Ich glaube, ich mache irgendwas mit | |
Datenträgern. | |
Wie bitte? | |
Es geht um Disketten, Verantwortung, Freiheit. | |
Sie meinen die guten alten Floppy-Disks? | |
Ja, wir – und damit meine ich vor allem mich – schicken sie nach Afrika und | |
Rumänien und nennen es „No-Disconnect-Project“. | |
Kurz nachdem bekannt wurde, dass Angela Merkels Telefon abgehört wurde, | |
waren Sie in Ihrer Funktion als EU-Internetberater im Kanzleramt und haben | |
mit der Bundeskanzlerin über die NSA-Affäre gesprochen. Was haben Sie ihr | |
geraten? | |
Natürlich wurde absolutes Stillschweigen über unser für die Kanzlerin so | |
überaus wichtiges Gespräch vereinbart. Oberste Geheimhaltungsstufe. Ich | |
konnte der völlig aufgelösten Kanzlerin aber, so viel darf ich wohl an | |
dieser Stelle verraten, in einer für die Bundesrepublik Deutschland so | |
schwierigen Situation viele wertvolle Tipps geben. | |
Geht es ein bisschen konkreter? | |
Ich habe ihr zu einem Seniorenhandy geraten. Dasselbe Modell, das Helmut | |
Schmidt hat. Der findet ja auch die kleinen Tasten nicht mehr. Damit kann | |
die Kanzlerin nichts falsch machen. | |
Wie hat die Kanzlerin auf Ihren Vorschlag reagiert? | |
Sie dürfen eins nicht vergessen: Dort, wo die deutsche Kanzlerin herkommt, | |
haben sie 25 Jahre auf ein Telefon gewartet. Lediglich zwei Prozent der | |
DDR-Bürger hatten überhaupt ein Telefon. Wenn die mal ins Ausland | |
telefonieren wollten, mussten sie vorher Urlaub nehmen im Kombinat – so | |
lang hat das gedauert. Wer, wie die Bundeskanzlerin, ohne Chiquita, AC/DC | |
und Smartphone groß geworden ist, hat gelernt, sich auf das Wesentliche zu | |
konzentrieren: gut lesbare große Schrift auf einem extra breiten Display | |
und die drei wichtigsten Kontakte über Kurzwahltasten. Das reicht völlig. | |
Kann man die gesamte NSA-Affäre denn tatsächlich auf ein User-Problem | |
reduzieren? | |
Wie ich bereits in meiner bahnbrechenden Dissertation „Verfassung und | |
Verfassungsgesetz“ ausgeführt habe, ist der Datenschutz kein | |
Badeschlappenthema! Die Debatte selbst ist eine, die wir nicht schüchtern | |
führen müssen. Und wenn ich wir sage, dann meine ich auch mich. | |
Herr Karl-Theodor von und zu Guttenberg, wir danken Ihnen für das Gespräch. | |
19 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Anne Kreby | |
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