# taz.de -- Linke Parteiführung: „Sie kürzen zu viel“ | |
> Doris Achelwilm ist neue Landeschefin der Linken. Im Interview spricht | |
> sie über die Europawahl, Schuldenbremsen und eine Koalition mit der SPD. | |
Bild: Doris Achelwilm: Worte und Theorien allein sind keine Lösung. | |
Frau Achelwilm, haben Sie die Alt-Kommunisten in Ihrer Partei im Griff? | |
Doris Achelwilm: Ich würde nicht sagen, dass man die in den Griff bekommen | |
muss. Ich bin froh, dass die Linke eine Partei der verschiedenen Strömungen | |
ist. Aber die Unterschiede sind nicht unüberwindbar. | |
… nicht zwischen Ihnen und Christoph Spehr – Sie zählen sich beide zur | |
Emanzipatorischen Linken (Emali). | |
Die Strömungspolitik spielt derzeit keine große Rolle. Ohnehin ist die | |
Emali eine integrative Strömung, um eine Mitte zu schaffen und vermeintlich | |
unvereinbare Linien dialektisch zusammenzuführen. | |
Was steht nach Ihrer Wahl nun ganz oben auf Ihrem Zettel? | |
Der Landesverband hat sich stabilisiert. Alles spielt auf einem höheren | |
Level im Vergleich zu der Zeit vor ein paar Jahren, zum Beispiel bei der | |
Fraktion. Ebenso Prozesse, wie die Landesparteitage, die geregelter | |
stattfinden. | |
Ist das das Maß aller Dinge? | |
Nein, aber es ist ein symptomatischer Ausdruck davon, dass wir in | |
organisationspolitischen Fragen weiter sind. Aber: Natürlich gibt es ein | |
Informationsgefälle zwischen Leuten, die in der Fraktion arbeiten und | |
Leuten, die nicht die ganze Zeit in diesen Zusammenhängen stehen. Das muss | |
ausgeglichen werden. Man muss aufpassen, dass darüber bei Parteimitgliedern | |
keine Gleichgültigkeit oder sogar eine Resignation einzieht. Der | |
Landesverband muss mehr Autonomie und Sichtbarkeit nach außen bekommen. | |
Was ist Ihr inhaltliches Programm? | |
Wir haben die Europawahl vor uns. Da werben wir für eine Solidarität | |
jenseits nationalstaatlicher Denkmuster. Wenn Deutschland gut aus der Krise | |
rauskommt, kann das eben für Griechenland bedeuten, dass die Verarmung noch | |
heftiger wird. Diesen internationalen Blick gilt es zu stärken – gerade | |
auch angesichts all der neuen nationalen und rechtspopulistischen Parteien. | |
Ich stehe für eine alternative Europapolitik und gegen einen | |
Sanierungskurs, dem abstrakt gehorcht werden muss. Flüchtlingspolitik | |
spielt mit Frontex auf europäischer und bei den Flüchtlingsunterkünften auf | |
ganz konkreter, nachbarschaftlicher Ebene eine Rolle. | |
Und auf Landesebene? | |
Die Politik der Schuldenbremse führt auch hier zu einer Verarmung. Damit | |
darf man sich nicht abfinden. Wesentlich wird der Umgang mit den | |
Hartz-IV-Gesetzen: Die müssen nach wie vor weg. Stattdessen brauchen wir | |
eine solidarische und bedingungslose Mindestsicherung. | |
Auf Bundesebene hat die SPD einer Koalition mit der Linken ab 2017 den Weg | |
geebnet. Sind Sie bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen? | |
Ob ich dafür bereit bin, ist völlig unerheblich. Es kommt darauf an, wo die | |
Partei steht. Wir freuen uns natürlich, dass es diese Art der Anerkennung | |
unserer Arbeit gibt. Eine Regierungsbeteiligung sehe ich allerdings im | |
Moment nicht. Es ist nicht unser Projekt, endlich anschlussfähig zu sein, | |
an die Sozialdemokratie. Wichtiger ist es, Bündnispartner im | |
außerparlamentarischen Raum zu gewinnen. | |
Bürgermeister Jens Böhrnsen war einer der ersten, der den Annäherungskurs | |
begrüßt hat. War das nicht ein Angebot? | |
Warum sollte er sich gegen die Bundesebene stellen. | |
Aber Sie stünden bereit? | |
Im Moment stehe ich nicht bereit. Solange es in Bremen die Schuldenbremse | |
gibt, sind die Positionen zu unvereinbar. Wir sind ein klarer Gegner, und | |
Jens Böhrnsen und Karoline Linnert sind es mit Sicherheit nicht. Sie kürzen | |
sogar zu viel. | |
Mit Ihnen und Christoph Spehr wird die Partei nun von zwei | |
Fraktions-Beschäftigten geführt … | |
Ich agiere da auch als Schnittstelle. Das ist nicht nur schädlich. | |
Ist es keine Zentralisierung? | |
Nein. Es wird schnell als eine solche empfunden, aber ich habe keinen | |
Masterplan, um unterschwellig eine Linie durchzudrücken. Es wird meine | |
Aufgabe sein, das deutlich zu machen. | |
Aber wir können mit Ihnen als Kandidatin für die nächste Bürgerschaftswahl | |
rechnen? | |
Das kann ich ausschließen. Die Organisation des Wahlkampfes und die | |
Erarbeitung des Programms werden genug Arbeit. | |
19 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Die Linke | |
Schwerpunkt Brexit | |
Europawahl | |
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