| # taz.de -- Kommentar Stand der deutschen Einheit: Ungesunde Jubelmeldungen | |
| > Der Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit | |
| > zeigt vor allem eines: die Grenzen der staatlichen Strukturpolitik. | |
| Bild: Blühende Landschaft: Die Leuna-Werke, im Vordergrund Raps. | |
| „Osten weltweit Spitze“ titelte Bild am Sonntag zum „Jahresbericht der | |
| Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit“, der ihr vorab zugespielt | |
| worden war. „Nach 23 Jahren: Endlich blühende Landschaften.“ Eine | |
| Regierung, die gratis solche Jubelmeldungen gedruckt bekommt, kann sich | |
| Geld für Anzeigen sparen. | |
| Dabei ist die Lage komplizierter: Die Arbeitslosenquote im Osten ist zwar | |
| gesunken, die Abwanderung gestoppt, die Geburtenrate gestiegen. Aber noch | |
| immer ist der Osten Niedriglohnland. Ein Viertel der Beschäftigten verdient | |
| unter 8,50 Euro pro Stunde. Der von der SPD geforderte Mindestlohn würde | |
| daher zahlreiche Arbeitsplätze kosten, befürchten Experten. Sie fordern | |
| eine nach West und Ost differenzierte Höhe – 23 Jahre nach der Einheit. | |
| Der Bericht der Bundesregierung beweist daher vor allem die Grenzen | |
| staatlicher Strukturpolitik: wie schwierig es ist, das Kapital in Gegenden | |
| zu bewegen, die es nicht mehr interessieren. Das spricht nicht gegen | |
| Strukturförderung. Aber es zeigt, dass sich die Bewohner strukturschwacher | |
| Regionen nicht auf staatliche Versprechungen verlassen sollten. | |
| 42 Prozent der Ostdeutschen glauben heute laut Bericht an den Satz „Jeder | |
| ist seines eigenen Glückes Schmied“. Darin spiegelt sich auch die Erfahrung | |
| wider: Wer dem Versprechen blühender Landschaften vertraute, fand sich oft | |
| genug auf dem Arbeitsamt wieder – während viele, die nach Süddeutschland | |
| abwanderten, gut verdienten. Eine offene Debatte über die Grenzen von | |
| Strukturpolitik statt Jubelmeldungen muss die Bundesregierung jedoch | |
| fürchten. Sie würde manchen helfen, die richtige Entscheidung für ihr Leben | |
| zu fällen, aber die Abwanderung und damit die Strukturprobleme verschärfen. | |
| 20 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Reeh | |
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