# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Das Spiel mit der Angst | |
> Stadionverbote werden neu geregelt. Was für mehr Fairness sorgen soll, | |
> birgt Zweifel. Nun meldet sich eine deutsche Ultragruppierung zu Wort. | |
Bild: Wettern gegen den DFB: Fans des VFB Stuttgart. | |
Anfang November hat eine Meldung des Spiegels aus fast schon heiterem | |
Himmel eine Diskussion entfacht. Es ging um die Verlängerung der maximalen | |
Dauer von Stadionverboten auf fünf Jahre. Es dauerte nicht lange, bis die | |
Gewerkschaft der Polizei dies auf ihre unnachahmlich fanfeindliche Art | |
begrüßte und gleichzeitig noch mehr Repression forderte. | |
Einige Wochen passierte nichts, ehe die Bundesarbeitsgemeinschaft der | |
Fanprojekte (BAG) in einer Pressemitteilung beklagte, dass der Spiegel die | |
Veränderungen im Strafkatalog für Fußballanhänger als „Verschärfung“ | |
charakterisiere, und hob ihrerseits „erhebliche Präzisierungen und | |
begrüßenswerte Verbesserungen der Richtlinien im Sinne der betroffenen | |
Fans“ hervor. | |
Stimmt: Höhere Transparenz beim Aussprechen von Stadionverboten, bessere | |
Einzelfall-Prüfung sowie ein weiterreichendes Anhörungsrecht gehören zu | |
diesen positiven Veränderungen. Und doch gibt es auch im neuen Regelwerk | |
Passagen, deren Formulierungen Anlass zur berechtigten Kritik liefern. | |
Am Freitag bezog mit dem „Commando Cannstatt“ des VfB Stuttgart erstmals | |
eine große deutsche Ultragruppierung Stellung: „Mit der Neufassung der | |
Stadionverbotsrichtlinien wird die Position der betroffenen Fans gegenüber | |
dem DFB und den Vereinen weiter geschwächt.“ Nach den neuen Richtlinien | |
kann ein Stadionverbot gegen den ausgesprochen werden, der „in einer die | |
Menschwürde verletzenden Art und Weise“ handelt. | |
Die Stuttgarter Fans kritisieren hier, dass es der DFB sowie die Vereine | |
sind, die bestimmen, was unter Menschenwürde zu verstehen sei. Diese | |
„wollen Kläger, Richter, Staatsanwalt und psychologischer Gutachter in | |
Personalunion sein“. | |
## Prävention ist anderswo | |
Es ist richtig, dass diese Diskussion innerhalb des momentan bestehenden | |
Gefüges zwischen Fans, Sicherheitsbehörden und Verbänden ausgetragen wird. | |
So wahrhaftig sie geführt wird, kann sie trotzdem nicht über ein paar | |
grundlegende Probleme hinwegtäuschen. „Stadionverbote sind keine | |
Bestrafungen, sondern präventive Maßnahmen der Vereine für den Umgang mit | |
Personen, die andere Zuschauer gefährden könnten. Für eine Bestrafung sind | |
immer noch unabhängige Gerichte zuständig“, wie Matthias Stein, Sprecher | |
der BAG Fanprojekte feststellt. | |
Und ob eine Person für ihr Umfeld eine Bedrohung darstellt und bleibt, | |
können selbst Experten erst nach einer Langzeitbeobachtung feststellen. Der | |
institutionelle Weg verlangt jedoch weiterhin die Verhängung eines | |
Stadionverbots innerhalb weniger Wochen. Einmal ausgesprochen, ist es | |
langwierig, mühsam und oft auch finanziell kostspielig, dagegen vorzugehen. | |
An dieser Stelle wird es auch mit den neuen Richtlinien kaum Verbesserungen | |
geben. | |
Es würde den Rahmen sprengen, wollte man hier noch anfangen, ausführlich | |
über die Macht der Bilder zu sprechen, bei deren Kommentierung im wahrsten | |
Sinne gerne „viel Rauch um nichts“ gemacht wird. Fankultur, für die die | |
Verwendung von Pyrotechnik so wichtig ist, erzeugt viele dieser machtvollen | |
Bilder. Diese haben ihren ganz speziellen Reiz. Insgeheim werden sie auch | |
immer wieder von Spielern, Funktionären und Werbeträgern benutzt. | |
Gegen die subjektiv empfundene Angst jener Personen, die die Bilder anders | |
einordnen, als gefährlich etwa, gibt es kein Rezept. Ein Stadionverbot soll | |
eine „präventive Maßnahme zur Gefahrenabwehr sein“. So steht es in den | |
neuen Richtlinien. Die Erfahrung lehrt, dass Stadionverbote dazu benutzt | |
werden, unliebsame Teile der Anhängerschaft auszusperren. Mit Prävention | |
hat das nur wenig zu tun. | |
30 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Gerald Mander | |
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