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# taz.de -- Kunstbiennale von São Paulo: Zurück zur Avantgarde
> Der Band „German Art in São Paulo“ trägt die deutschen Beiträge auf der
> Kunstbiennale von São Paulo zusammen – von den fünfziger Jahren bis
> heute.
Bild: Die Kunstbiennale von São Paulo ist die zweitälteste der Welt.
Nach Venedig ist die Kunstbiennale von São Paulo die zweitälteste der Welt.
1951 von dem brasilianischen Unternehmer Francisco Matarazzo Sobrinho
gegründet, entwickelte sie sich schon bald, begünstigt durch den damaligen
Wirtschaftsboom Brasiliens, zu einer Großausstellung mit internationaler
Ausstrahlung.
In Vorbereitung ihrer ersten Ausgabe schrieb der Sammler und Mäzen
Matarazzo einen Brief an Bundeskanzler Konrad Adenauer und bat diesen
persönlich um die Teilnahme Deutschlands. Schnell erkannte die junge
Bundesrepublik die günstige Wechselwirkung zwischen den Aktivitäten im
dortigen Kunstbetrieb und der sich nach dem Zweiten Weltkrieg wieder neu
formierenden außenpolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen in
Lateinamerika. Seitdem finanziert das Auswärtige Amt die Beteiligung
Deutschlands an der Biennale in São Paulo.
Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart und Beraterin auf der
Biennale 2006, hat nun gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Sebastian Preuss
die umfangreiche Geschichte der deutschen Ausstellungsbeiträge von 1951 bis
2012 in dem Band [1][„German Art in São Paulo“] zusammengetragen.
Herausgegeben wurde diese Recherche zusammen mit dem Stuttgarter Institut
für Auslandsbeziehungen (ifa), das für das Auswärtige Amt international als
Vermittler für Kulturaustausch tätig ist und seit 1973 die deutsche
Beteiligung an der Biennale in São Paulo administrativ betreut.
Besonders die Auswahl der deutschen Beiträge aus den Anfangsjahren zeigt
eindrücklich das Bemühen der Bundesrepublik, an die künstlerische
Avantgarde aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus anzuknüpfen und sich
mit Werken des Expressionismus, der konkreten Kunst und des Bauhauses zu
präsentieren.
Die Ideen des Bauhauses hatten in Brasilien durch die vor den Nazis aus
Deutschland geflohenen Lehrer und Schüler bereits Verbreitung gefunden. Die
Biennale schuf eine einmalige Gelegenheit für das brasilianische Publikum,
einzigartige Originalwerke zu sehen. Sogar Picassos Guernica wurde 1953 von
New York nach São Paulo gebracht.
## Boykott der Biennale – ohne Deutschland
Interessant ist in der vorliegenden Chronologie zu erfahren, dass eine
Werkschau des ehemaligen Bauhaus-Schülers Max Bill 1951 im Vorfeld der
Biennale in São Paulo in Kunstkreisen einen so nachhaltigen Eindruck
hinterließ, dass sich danach in Brasilien auch ein reger Austausch mit der
Hochschule für Gestaltung in Ulm entwickelte, deren Rektor Max Bill bis
1955 war.
Nachdem das brasilianische Militär aber 1964 die Macht ergriffen hatte,
riefen Frankreich, Holland, Belgien, Schweden und die USA 1969 aus Protest
gegen die 1968 zunehmende Repression zum Boykott der Biennale in São Paulo
auf. Dazu schrieb der verantwortliche deutsche Kommissar Herbert Pée an das
Auswärtige Amt: „Dies habe ich seit langem befürchtet. Die deutschen
Künstler halten zur Zeit noch still.“ Die Bundesrepublik schloss sich dem
Boykott nicht an.
Im Buch beschreibt der brasilianische Kulturwissenschaftler Vinicius
Spricigo in seinem aufschlussreichen Beitrag „Vision und Aneignung“ über
den Einfluss der Biennale von São Paulo auf die Entstehung einer
brasilianischen Moderne die folgenden siebziger Jahre als eine „bleierne
Zeit“, in der die Kunstschau als Symbol eines modernen Brasiliens von einer
totalitären Regierung vereinnahmt wurde.
In diesem historischen Kontext erscheint die uneingeschränkte Anerkennung
für das deutsche Engagement auf der Biennale im Aufsatz von Martina
Merklinger befremdlich: „Die Bundesrepublik ließ bis heute keine der
Biennalen in São Paulo aus: Sie war von Anfang an ein verlässlicher Partner
und organisierte bisweilen sogar Sonderausstellungen wie die
Bauhaus-Schau.“
## Der tragende Gedanke fehlt
„German Art in São Paulo“ liest sich vor allem als eine Art „deutsche
Nachkriegskunstgeschichte“. Schließlich sind zwei Drittel dieses Bandes der
reich bebilderten Darstellung der zwischen 1951 und 2012 aus Deutschland
ausgestellten Kunstwerke, Künstler und wechselnden deutschen Kommissare in
São Paulo vorbehalten.
Doch trotz des Bemühens der Herausgeber, neben der Dokumentation der
deutschen Beiträge auch den brasilianischen Kontext und die historischen
Entwicklungsphasen der Biennale zu beleuchten, gelingt es dem Band nicht,
einen umfassenderen, vielschichtigeren Gesamteindruck dieser einzigartigen
Kunstschau zu vermitteln und den tragenden Gedanken des kulturellen
Austauschs anschaulich zu machen.
Zum Verständnis der besonderen Bedeutung, die diese Biennale von São Paulo
in Lateinamerika einnimmt, wäre es hilfreich gewesen, den brasilianischen
Beiträgen und ihrem Streben nach einem eigenen künstlerische Ausdruck mehr
Sichtbarkeit zuzugestehen. So bleibt das Vorhaben einer umfassenden
Dokumentation der deutschen Beiträge in São Paulo unfreiwillig gefangen in
der hierarchischen Vorstellung von Zentrum und Peripherie.
Lisette Lagnado, die Chefkuratorin der Biennale 2006, beendete endgültig
die überkommene Praxis nationaler Repräsentation und schuf angesichts
globaler Entwicklungen unter dem Titel „How to live together“ eine
themenorientierte Ausstellung mit Beiträgen internationaler Künstler.
Ulrike Groos beriet sie dabei.
11 Dec 2013
## LINKS
[1] http://www.hatjecantz.de/german-art-in-so-paulo-5721-0.html
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Documenta
ZKM
Kunst im öffentlichen Raum
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