# taz.de -- Bildung für Flüchtlinge: Warten statt lernen | |
> Trotz Schulpflicht sitzen viele jugendliche Flüchtlinge nicht im | |
> Klassenzimmer. Sie stehen sowohl für die Berufs- als auch für die | |
> Oberschule auf Wartelisten. | |
Bild: 51 Minderjährige leben derzeit in der zentralen Flüchtlingsaufnahmestel… | |
39 jugendliche Flüchtlinge stehen auf der Warteliste der Allgemeinen | |
Berufsschule in Bremen. Sie wollen und sollen zur Schule gehen, das | |
schreibt die Schulpflicht vor. Aber weil sie schon über 16 Jahre alt sind | |
und noch kein oder wenig Deutsch sprechen, kommen für sie nur die elf | |
Klassen an der Allgemeinen Berufsschule in Frage. „Berufswahlvorbereitung | |
mit intensiver Sprachförderung“ heißen die – und sind „proppevoll“, | |
berichtete am Donnerstag Berufsschullehrerin Sandra Pilster. „Wir richten | |
neue Klassen ein, aber es fehlt uns sowohl an Räumen als auch an | |
Lehrkräften“, sagte sie in einer Diskussionsrunde zu unbegleiteten | |
minderjährigen Flüchtlingen im Lagerhaus. | |
Zuvor hatte eine Mitarbeiterin des Innensenators, Ute Schenkel, stolz | |
darauf hingewiesen, dass Bremen als erstes Bundesland allein geflohenen | |
Minderjährigen erlaubt, eine begonnene Ausbildung auch nach dem 18. | |
Lebensjahr zu vollenden. Dies soll ihnen für die Zeit der Ausbildung | |
Sicherheit geben – und eine Perspektive für die Zeit danach. Denn damit | |
steigen die Chancen, nicht nur vorübergehend in Deutschland geduldet zu | |
werden, sondern eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. „Damit werden die | |
jungen Flüchtlinge in ihrem Ehrgeiz und ihrer Motivation unterstützt, | |
regelmäßig die Schule zu besuchen und eine Berufsausbildung zu Ende zu | |
bringen“, hatte Innensenator Ulrich Mäurer Ende September in einer | |
Pressemitteilung geschrieben. | |
Ehrgeizig und motiviert seien die SchülerInnen bereits jetzt, sagt Pilster: | |
„Wer zu Fuß aus Afghanistan hierher gekommen ist, der will etwas | |
erreichen.“ In der Praxis ändere sich für ihre SchülerInnen jedoch nichts, | |
denn die wenigsten seien mit 18 – dann endet die Schulpflicht – so weit, | |
dass sie nach einem Anfänger- und einem Fortgeschrittenenjahr überhaupt | |
einen Hauptschulabschluss machen könnten. Der ist Voraussetzung für eine | |
Ausbildung. In ihrer letzten Klasse sei niemand dabei gewesen, der den | |
Abschluss geschafft hätte, sagt Pilster, in anderen Jahren drei oder vier. | |
Einigen fehle es nicht nur an Deutschkenntnissen, sondern auch an | |
Schulerfahrung. Was mit den jungen Flüchtlingen passiert, die ohne | |
Abschluss die Schule verlassen, wissen die Behörden nicht. Das soll sich | |
ändern, versprach am Freitag die Sprecherin der Bildungssenatorin. „Wir | |
wollen den Flüchtlingshintergrund in Zukunft erfassen“, so Christina Pelzer | |
zur taz. | |
Sandra Pilster erzählt, dass sie viele Schüler in einer speziellen Klasse | |
unterbringe, die ohne Abschluss eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker | |
ermöglicht. „Wir bräuchten so etwas noch für andere Branchen“, sagt | |
Pilster, beispielsweise für Gastronomie oder Pflege. Aber sowohl | |
Berufsschulen als auch Unternehmen trauten sich das nicht zu. „Das geht nur | |
in Einzelfällen, wenn sich jemand dahinterklemmt.“ So würde ein ehemaliger | |
Schüler eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker machen, sein Vormund hatte | |
sich dafür eingesetzt. | |
Das Problem, sagt Pilster, verschärfe sich derzeit: „Wenn jemand noch ein | |
weiteres Jahr brauchte, aber schon über 18 war, dann konnten wir den bis | |
vor Kurzem noch ein Jahr bei uns behalten.“ Doch in den letzten vier Jahren | |
habe sich die Zahl der jugendlichen Flüchtlinge so drastisch erhöht, dass | |
das nicht mehr ginge. „Dann würden die leer ausgehen, die neu ankommen und | |
auf der Warteliste stehen.“ | |
Eine Warteliste gibt es auch für jene, die eine Oberschule besuchen | |
könnten. Pilsters Kollegin berichtete von zwei 17-jährigen Mädchen, die | |
derzeit in der Berufsschule „geparkt“ seien, dort aber eigentlich nichts | |
verloren hätten. „Wir suchen derzeit eine zweite Schule, die eine solche | |
Klasse einrichten kann“, erwiderte Helmut Kehlenbeck, der als Zuständiger | |
der Bildungssenatorin für Migrantenförderung an der Runde teilnahm. Auch | |
für die Berufsschüler würden weitere Klassen eingerichtet. | |
Von weiteren Problemen berichtete der Geschäftsführer des | |
Jugendhilfeträgers Effect, Thomas Stapke. Effect betreut die derzeit 51 | |
Jugendlichen, die in der Zentralen Aufnahmestelle (Zast) in Habenhausen | |
leben müssen. Diese teilten sich dort, berichtete Stapke, zu fünf und zu | |
sechst ein Zimmer und hätten nur stundenweise einen Ansprechpartner im | |
Haus. Die Hälfte von ihnen bekäme nur zwei Stunden Deutsch-Unterricht am | |
Tag. Viele könnten sich ihre Mahlzeiten wegen der eingeschränkten | |
Ausgabezeiten nicht in der Kantine abholen. | |
Laut Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin, gibt es Gespräche mit | |
dem Beirat Horn, ob Jugendliche aus der Zast in die Berckstraße umziehen | |
können. Dort sollten eigentlich Familien und Erwachsene untergebracht | |
werden: „Das wäre auch eine Notunterkunft, würde aber durch eine | |
Rund-um-die-Uhr-Betreuung den Standards der Jugendhilfe entsprechen.“ | |
15 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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