# taz.de -- Forderungen für 2014: „Für sexuelle Nachhaltigkeit“ | |
> Gute Vorsätze sind so 1994, es ist Zeit sich Dinge zu wünschen. Sieben | |
> Forderungen, was im nächsten Jahr anders laufen muss. | |
Bild: 1989 änderte sich so einiges. Was passiert 25 Jahre später? | |
Was muss sich 2014 ändern? Sieben Menschen aus Politik, Fernsehen und Sport | |
antworten. | |
Weniger Müll kaufen! Kleidung wertschätzen! Es ist ein Paradox. Denn ist | |
Mode nicht die rasende Lust nach dem immer Neuen? Obwohl fast jedem im | |
Augenblick bei dem Tempo der sich alle sechs Wochen mit Neuem füllenden | |
Regale schwindelig wird. | |
Überdruss macht sich breit. Wegwerfmode. Einwegmode. T-Shirts für 1,99 und | |
im Sale für 59 Cents. Sachen, die im Moment, in dem man sie kauft, schon | |
Müll sind. Wo nur der Kick des Kaufens zählt und das dunkle Objekt der | |
Begierde zum Statthalter für ein leerlaufendes Begehren wird, das immer | |
rasender alles zunichte macht. Dessous zum Vernaschen sind zum Fressen süß. | |
Mit verschiedenem Geschmack: Erdbeere, Zitrone. | |
Aber diese Kleider hier, die im Preis oft weit unter dem eines Macarons | |
liegen, sind nicht einmal zum Vernaschen. Sondern einfach zum Wegwerfen. | |
2014 wird sich dieser rasende Kreislauf, befeuert von Gewinngier und | |
Profitmaximierung, hoffentlich verlangsamen. Ausgetragen wird er auf den | |
Leibern und Knochen der Textilarbeiter. Die leben jetzt weit weg, in | |
Pakistan und Bangladesch. Der feine Staub setzt sich in der Lunge fest. | |
Für die Textilarbeiter von heute ist das im schlimmsten Fall ein | |
Todesurteil; in jedem Fall geht es auf die Knochen. Slow Fashion wird | |
kommen. Das Lieblingsstück. Das Sicheinwohnen in ein Kleid, das | |
Verschleißen auf dem Körper. Das Wertschätzen kunstvoller Kunstfertigkeit. | |
Barbara Vinken ist Professorin für Literaturwissenschaft. 2013 erschien ihr | |
Buch „Angezogen. Das Geheimnis der Mode”. | |
Investoren aufhalten! Ich habe während der Schulzeit viel gedreht und hatte | |
kaum Zeit, Berlin so richtig zu entdecken. Jetzt hole ich das nach. Dabei | |
muss ich erkennen, dass viele der Orte, die die Stadt so besonders und | |
anziehend machen, permanent in Gefahr sind. | |
Oft frage ich mich dann, ob Berlin auch in Zukunft lebenswert sein wird. | |
Ich wünsche mir, dass sich etwas bewegt in Berlin. Wie kann es sein, dass | |
Teile der Mauer abgerissen werden, um Platz zu machen für Luxuswohnungen? | |
Der kurzsichtige Ausverkauf an Investoren muss ein Ende haben, damit Berlin | |
seinen Charme behält. | |
Emilia Schüle, 21, ist Schauspielerin. Bekannt wurde sie als Wegwerfmädchen | |
im „Tatort“. | |
Verantwortung übernehmen! Ich wünsche mir, dass der Sport sich wieder auf | |
seine Stärken besinnt. Sport hat die Kraft, durch ein friedliches | |
Miteinander Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen und Nationen zu | |
verbinden. Sport soll verbinden und nicht trennen. | |
Das von Pierre de Coubertin vorgeschlagene Motto „Schneller, höher, | |
stärker“ ist von „Größer, teurer, spektakulärer“ abgelöst worden. Der | |
traurige vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung wird in Sotschi oder durch | |
das Verhalten der Fifa im Hinblick auf die unmenschlichen | |
Arbeitsbedingungen der WM-Baustellen in Katar sichtbar. | |
Ich träume von einer Sportwelt, die Leistungssport integriert und | |
Menschenrechte fördert. Es wäre schade, wenn der Spitzensport all die | |
positiven Möglichkeiten, die Ideale und Werte zugunsten von | |
Gewinnmaximierung aufgeben würde. Der organisierte Sport muss sich der | |
Verantwortung stellen, die seine Autonomie mit sich bringt. Er muss | |
glaubhaft die Menschen und Institutionen unterstützen, die sich für | |
Transparenz, gegen Korruption, gegen Doping und Wettbetrug aussprechen. | |
Ich möchte auch in Zukunft Teil dieser Bewegung sein und dazu beitragen, | |
dass Sport Menschen und Kulturen verbindet. In der Olympischen Charta heißt | |
es: „Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund | |
von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen ist mit | |
der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung unvereinbar.“ Es ist an der | |
Zeit, die olympische Bewegung an ihre eigenen Werte zu erinnern. | |
Imke Duplitzer, 38, ist Degenfechterin und trat fünfmal bei den Olympischen | |
Spielen an. | |
Ich muss mich ändern! 2014 sollte sich mal wieder mehr ändern, als sich | |
ändern wird. Mein Hund muss sich nicht ändern, der ist ganz okay. Das gilt | |
auch für meine übrigen Bekannten, die sind ebenfalls in Ordnung. Die | |
Bundesregierung wird sich vor 2017 nicht ändern. Das ist zwar nicht schön, | |
aber so ist das. Ich selber müsste mich dringend ändern, sagen mein Hund, | |
meine Bekannten und mein Steuerberater. | |
Das Land müsste sich ändern, sage ich. Der Hund meint, das Land müsse sich | |
nicht ändern. Mein Steuerberater sieht das ähnlich, weil er daran, wie das | |
Land ist, nicht schlecht verdient. Das Land ändert sich auch so, sagen | |
meine übrigen Bekannten. Vielleicht sollte ich mich doch selber ändern, | |
denke ich. | |
Dass es zu wenige Schafe in Deutschland gäbe, behauptet nur mein Hund. Dass | |
es zu viele gibt, behaupte ich. Mein Steuerberater sieht das auch so, hat | |
aber nichts dagegen. Ich sei zu kritisch, behaupten meine Bekannten, das | |
müsse sich ändern. Mein Hund teilt diese Auffassung. | |
Eigentlich will ich mich nicht wirklich ändern. Eigentlich will ich mich | |
doch ändern. Eigentlich müsste ich mich ändern. Aber eigentlich will ich | |
nicht. Sie habe 2013 jeden Tag für mich gebetet, sagt eine Bekannte. Das | |
muss sich nicht ändern. Aber, insgesamt: 2014 sollte sich mal wieder mehr | |
ändern, als sich ändern wird. Der Hund sieht das auch so. | |
Sebastian Edathy, 44, ist MdB für die SPD und leitete den | |
Untersuchungsausschuss zum NSU. | |
Auf Echtheit beim Sex setzen! Schimpfen Sie mich spießig und blöde, aber | |
ich finde das Konsumverhalten der Leute in Sex- und Beziehungsdingen sehr | |
verstörend. Kürzlich hat mir ein Bekannter eine App gezeigt, auf der man | |
sich Fotos von Frauen ansehen konnte. | |
Gefiel ihm eine, konnte er sie speichern, gefiel ihm das Bild nicht, | |
wischte er es zur Seite, und schon kam die Nächste. Am Ende des Abends | |
hatte er 16 mögliche Dates auf dem Bildschirm, chattete wie ein Irrer und | |
war für uns nicht mehr ansprechbar. Er benahm sich wie im | |
Onlineshoppingwahn. Ich kenne Leute, die funktionieren nur noch über | |
elektronischen Verkehr. | |
Ich plädiere für sexuelle Nachhaltigkeit. Lieber Nähe zulassen üben als den | |
Umgang mit Dildos, das wäre ein Anfang. Ich schätze Intimität als | |
Erfahrungshorizont, habe aber das Gefühl, dass sich viele von Intimität | |
einschüchtern lassen. Dieses Übermaß an Oberflächlichkeiten, in denen wir | |
uns bewegen, kann nicht gesund sein. | |
Wenn Menschen glücklich sind, treffen sie bessere Entscheidungen. Darum | |
hoffe ich, dass die Leute in diesem Jahr weniger auf Show setzen, und mehr | |
auf Echtheit. Beim Sex damit anzufangen, halte ich für eine gute Idee. | |
Paula Lambert, 39, ist Schriftstellerin und Sexcoach. Ihr neues Buch „Der | |
Männerreport“ erscheint im März. | |
Energiewende vorantreiben! Nachdem die Union grüne Texte vorzugsweise nach | |
dem Wort „müssen“ durchsucht, um an ihrer Legende der grünen | |
Bevormundungspartei weiterzustricken, beantworte ich die Frage bayerisch: | |
Es muss gar nix. | |
Sinnvoll wäre aber schon ein vernünftigerer Umgang mit unseren natürlichen | |
Lebensgrundlagen. Das erfordert mutiges politisches Handeln, wovon gerade | |
wenig zu sehen ist. Eine Große Koalition, die nicht die CO2-Emissionen, | |
dafür aber den Ausbau erneuerbarer Energien gesetzlich deckelt, muss man | |
schon kleingeistig nennen. | |
Ändern sollte sich auch die Diskussion über die Energiewende. Statt sie als | |
vielleicht letzte verbleibende Chance für den Klimaschutz voranzutreiben, | |
wird sie seit Jahren als Strompreistreiber diffamiert. Die Große Koalition | |
droht die Pausentaste der Wende zu drücken. | |
Und für mich? Es hat sich in diesem Jahr so viel geändert, dass das nächste | |
Jahr ruhig veränderungsfrei bleiben darf. Und weil die Frage so beliebt | |
ist: Die Haare und der Bart bleiben dran. | |
Anton Hofreiter, 43, geboren in München, ist Fraktionschef der Grünen im | |
Bundestag. | |
Chinapfannen in Bussenverbieten! 2014 – ein Jahr der Einmischung: | |
Autotuning-Prolls, die mit 80 durch Straßen knattern, werden Kartoffeln in | |
den Auspuff gesteckt, nur mal so, als Reminder. Energiesparbirnen werden | |
unfrei an die Hersteller zurückgeschickt. Niemand unterstützt mehr den | |
Schwachsinn mit dem Quecksilber. | |
Jeder ist überall und immer dazu berechtigt, Menschen mit kleinen | |
Lederrucksäcken und/oder mehrfarbigen Strähnen abweisend anzusehen. | |
Fahrradfahrer bekommen ein angstfreies Verhältnis zum Mitführen einer | |
Luftpumpe. Auf deren Diebstahl steht Knast. Frauen mit schönen Haaren | |
müssen diese häufiger offen tragen, Männern ist der Pferdeschwanz verboten. | |
Jeder, der „Scheißpolitiker“ sagt, muss sich zumindest im eigenen Kiez | |
engagieren. | |
Aggro-Typen werden nicht mehr buddhistisch belächelt: 2014 wird | |
zurückschikaniert, vorzugsweise mit ein paar Leuten im Rücken. Ein | |
Chinapfannenessverbot in Bussen und Bahnen wird es im nächsten Jahr geben. | |
Die Tradition des Platzmachens für ältere Leute wird wiederbelebt. Für | |
Stadtspießer wie mich wird das ein tolles Jahr. Hoffentlich. | |
Bettina Rust, 46, geboren in Hannover ist radioeins-Moderatorin. | |
27 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Fleige | |
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