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# taz.de -- Geschichte des „Tatort“-Vorspanns: Ein Trinkgeld für die Regis…
> Kristina Böttrich-Merdjanowas hat den legendären „Tatort“-Vorspann
> gedreht. Tantiemen bezahlte die ARD ihr nicht dafür.
Bild: Kult-Vorspann für'n Appel und 'n Ei.
Als wäre nicht alles schon schlimm genug, kam am Ende auch noch Til
Schweiger daher und meinte, der „Tatort“-Vorspann sei „jetzt wirklich
outdated“. Das war, man muss es heute wohl so sehen, die ultimative
Demütigung für Kristina Böttrich-Merdjanowa, die ihn gemacht hatte. Der
Film sei, meinte Schweiger, „irgendwie dämlich“, er werde dafür kämpfen,
dass bei seiner „Tatort“-Premiere ein anderer Vorspann laufe. Es war, als
versuchte Schweiger, einer kranken Frau auch noch die Krücken – den Ruhm
und die Ehre – wegzutreten.
„Wie bitte?“, kreischte vielleicht auch deshalb die Bild nach Schweigers
Wortmeldung. „Ausgerechnet den Kultvorspann mit der eingängigen Melodie,
das Markenzeichen des Krimiklassikers, der seit über 40 Jahren zu sehen ist
und TV-Geschichte geschrieben hat?“ Ja, genau den. Aber Schweiger setzte
sich nicht durch, und das immerhin ist ein kleines Happy End für
Böttrich-Merdjanowa. Auch vor seinem neumodischen Action-„Tatort“ blickten
die blauen Augen in die Kamera, bildete sich das Fadenkreuz, flüchteten die
Beine über den nassen Asphalt.
Kristina Böttrich-Merdjanowa, die Regisseurin dieses Vorspanns, ist Ende
Dezember 2012 im Alter von 79 Jahren gestorben.
Bekannt wurde ihr Tod erst dieses Jahr. Als die Zeitungen berichteten, dass
sie im Januar mit ihrem wenige Tage später verstorbenen Mann auf dem
Waldfriedhof München-Grünwald beigesetzt worden war, erzählten viele noch
einmal die Geschichte rund um den Vorspann. Sie handelt von einer
Regisseurin, die damals nur 2.500 Mark bekam und dann nie wieder etwas,
obwohl ihr Film mehr als 24.000-mal ausgestrahlt wurde. Böttrich-Merdjanowa
führte erst vor drei Jahren einen Prozess deswegen, verlor aber in zweiter
Instanz und stand schließlich vor horrenden Prozesskosten.
## Ein Vertrag per Handschlag
Möchte man diese Geschichte erzählen, lohnt es sich, bei ihren
Protagonisten anzurufen – den Augen und der Musik.
„Ganz genau, Sie sprechen mit den ’Tatort‘-Augen“, sagt Horst Lettenmay…
am Telefon. Der ehemalige Schauspieler ist eine Art Leidensgenosse
Böttrich-Merdjanowas, er kam über ein Casting zu ihr.
Es sollte ein Vorspann für einen modernen Krimi werden, auf dem Münchner
Flughafen in Riem trafen sich alle zu den Dreharbeiten für den
Pilotvorspann. 1969 war das, eine andere Zeit. 400 Mark habe er bekommen,
einen Vertrag per Handschlag, erzählt Lettenmayer in breitem Bayerisch. Für
den richtigen Vorspann, erinnert er sich, sei mehr Geld angekündigt worden,
wenn der Pilot denn genommen würde.
Lettenmayer ist unterwegs, während er telefoniert, die Verbindung ist
schlecht. Aber der nächste Satz ist leicht zu verstehen, der 70-Jährige
brüllt ihn ins Handy: „Der Aufnahmeleiter, dieser Hund, hat uns übers Ohr
gehauen.“ Später fügt er noch an: „Aber das ist ja auch sein Job.“ Die
Sache damals ärgert ihn immer noch. Aus dem Pilotfilm wurde dann nämlich
einfach der richtige Film, und es blieb bei den 400 Mark, für immer.
Genau wie Böttrich-Merdjanowa sah er später keinen Pfennig mehr. Er zog vor
Gericht, verlor. Für die Regisseurin sei das Ganze noch schlimmer gewesen:
„Die wurde für ein Trinkgeld eingekauft, verglichen mit der Arbeit, die sie
hatte, und musste die Urheberrechte auch noch stillschweigend abgeben für
eine wirklich geniale Idee, die den ’Tatort‘ bis heute trägt.“ Lettenmay…
gab die Schauspielerei wenig später auf, er betreibt heute ein
Beleuchtungsgeschäft.
Wie Lettenmeyer zog auch Böttrich-Merdjanowa vor etwa drei Jahren vor
Gericht. Sie rechnete sich Chancen aus, weil es im Urheberrechtsgesetz
einen Paragrafen gibt, der eine Nachvergütung vorsieht, wenn das
Missverhältnis zwischen Vergütung und Erfolg zu groß wird. Lettenmayer und
die Regisseurin trafen sich da zum ersten Mal wieder, der Schauspieler war
als Zeuge geladen, natürlich sagte er für sie aus.
Böttrich-Merdjanowa gewann in erster Instanz – eine kleine Sensation im
Urheberrecht. Die ARD ging aber in Berufung und, die Regisseurin verlor
schließlich. Die Prozesskosten wurden, munkelt man, dann aber doch von
unbekannt beglichen. Oh!
## Udo Lindenberg am Schlagzeug
Der Einzige der drei, der gut aus der Sache rauskam, war der Musiker, Klaus
Doldinger. Der 77-Jährige tourt heute mit einer Jazzband durch Deutschland,
als Zugabe spielt er gern die „Tatort“-Melodie, in den unterschiedlichsten
Varianten.
Er klingt gut gelaunt, wenn er über den Vorspann spricht. „Der Lindenberg
saß damals beim Einspielen am Schlagzeug“, ruft er und schickt ein
krachendes Lachen hinterher, „der Udo Lindenberg!“ Dass es für Doldinger
besser lief als für Böttrich-Merdjanowa und Lettenmayer, hat er der Gema zu
verdanken: Die regelt klar, wie viel Urheber für ihre Musik bekommen, kann
aus Datenschutzgründen aber nichts veröffentlichen. „Reich wird man davon
jedenfalls nicht“, sagt Doldinger.
Einer, der es zu wissen meint, aber nicht genannt werden will, behauptet:
50 Euro bekomme „der Doldinger“ pro Ausstrahlung. Bei mehr als 24.000
Ausstrahlungen wären das 1,2 Millionen Euro. Doldinger bestreitet dies;
ohnehin: „Auf die Kunst kommt es an!“
Und so war es an Doldinger, den Vorspann gegen Til Schweiger zu
verteidigen, auch wenn die Medien das schon zurechtgerückt hatten – sicher
ist sicher. Im Bayerischen Hof in München traf er Schweiger auf einem
Empfang, da habe er ihn zur Rede gestellt. „Der Film ist doch total
catchy“, habe er gesagt. „Hören Sie sich mal die Musik an, lieber Freund!
Es gibt auch eine Bigband-Version, eine Techno-Version und eine
Jazz-Version.“
Der Vorspann stehe nicht zur Debatte, das habe schnell festgestanden, sagt
Doldinger – und das hätte, meint er, sicher auch die Böttrich-Merdjanowa
gefreut.
22 Dec 2013
## AUTOREN
Sebastian Kempkens
## TAGS
Tatort
ARD
Til Schweiger
Wochenendkrimi
Sibel Kekilli
Wochenendkrimi
Polizeiruf 110
Tatort
Gewalt gegen Frauen
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