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# taz.de -- Kolumne Die gute Ausländerin: Will you be my slave tonight?
> Das Lied über Rentier Rudolph offenbart die erschütternde Wahrheit: Der
> Weihnachtsmann unterstützt die Sklaverei.
Bild: So lacht das Böse: Sklavenhalter vor unfreiem Reittier
Ich würde meinen kleinen Bruder Danny nie leichtgläubig nennen, aber er
glaubte an den Weihnachtsmann bis er acht Jahre alt war. Und das obwohl
sein Freund Nishan versucht hat, ihm die Wahrheit zu sagen. „DANNY!“ sagte
Nishan. „Es gibt keinen Weihnachtsmann. Es gibt ihn nicht. Das ist deine
Mutter, Dan. Deine Mutter macht das. Sie stellt die Geschenke hin – deine
Mutter ist das.“ Mein Bruder lachte verächtlich. „Meine Mama“, sagte er,
„ist viel zu geizig um so was zu machen.“
Nishan guckte mich an und ich zuckte mit den Schultern. Was gibt es sonst
noch, woran Kinder glauben können, wenn nicht an den Weihnachtsmann? Als
mein Sohn fünf war, glaubte er total an den Weihnachtsmann, er liebte ihn.
„Mama“, sagte er einmal, als er in der Badewanne war. „Ich liebe den
Weihnachtsmann so sehr. Nur ein paar Männer liebe ich mehr: Papa, Peter,
Onkel Stevie und Granddad.“
„Der ist ganz nett“, sagte ich. „Der ist voll okay.“ Ich hatte ein
schlechtes Gewissen, Ryan dabei zu unterstützen, wie er all seine Liebe an
einen Menschen verschenkte, der gar nicht existiert. „Ich liebe ihn!“
seufzte Ryan. „Weil er mir Geschenke gibt“, fügte er hinzu und ich nickte.
„Nur eins mag ich nicht am Weihnachtsmann“, sagte er. „Ich mag nicht, dass
er das mit den schwarzen Leuten gut findet, wenn sie für kein Geld
arbeiten, wie früher in Amerika, weißt du noch, Mama?“
Ich guckte ihn ahnungslos an. „Du denkst, dass der Weihnachtsmann Sklaverei
gut findet?“ fragte ich, unsicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte.
„Ja, Mama, weißt du damals, in Amerika, die schwarzen Männer, die mussten
arbeiten, aber die Weißen haben ihnen keine Münzen gegeben, aber dann sind
manche abgehauen, weißt du noch, wir haben ein Buch drüber?“ „Weiß ich
doch“, sagte ich.
„Und manche Weißen waren nett und haben den Schwarzen geholfen, abzuhauen.
Aber manche nicht. Sie waren böse. Und der Weihnachtsmann gehört zu den
Bösen. Und das finde ich nicht so gut an ihm.“
Ich biss mir auf die Lippe. „Warum denkst du, dass der Weihnachtsmann für
Sklaverei ist?“
„Es ist in dem Lied.“
„Welches Lied?“
„Mit dem Reh, Rudolph.“
„Sklaverei wird aber nicht erwähnt in dem Rudolph-Song, Ryan.“
„Doch, Mama. Santa sagt zum Rudolph: Rudolph, with your nose so bright,
won't you be my slave tonight?“
Ich lächelte und klärte Ryan auf, dass es doch SLEIGH heisst, Schlitten. Er
sah fast enttäuscht aus.
Dann kam mein Ex, Peter, nach Hause und guckte kurz rein ins Bad. „Ryan
glaubte bis eben gerade, dass der Weihnachtsmann Sklaven hatte“, erklärte
ich. „Ja“, sagte Ryan. „Ich dachte, Rudolph ist schwarz und musste ohne
Geld arbeiten.“
„Wegen dem Lied“, sagte ich und sang: „Rudolph with your nose so bright,
won't you guide my sleigh tonight?“ Mein Ex guckte ernst. „Ich weiß
wirklich nicht, ob der Weihnachtsmann seinen Elfen einen Stundenlohn
zahlt“, sagte er. „Bestimmt dürfen sie nicht mal Mitglied in einer
Gewerkschaft sein.“
Mein Sohn schaute mich nervös an. Ich lächelte zurück. „Mach dir keine
Sorgen!“ sagte ich. „Sie sind alle bei Ver.di. Sie sind fast Beamte. Peter
weiß gar nicht, wovon er spricht.“
23 Dec 2013
## AUTOREN
Jacinta Nandi
## TAGS
Rentier
Moderne Sklaverei
Sklaverei
Weihnachten
Alice Schwarzer
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Vorurteile
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