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# taz.de -- Kolumne Anstoßpunkt: Schalke trainiert für Olympia
> Im Stadion von Schalke 04 sind im zu Ende gehenden Jahr fünf neue
> olympische Disziplinien erfunden worden. Eiertanz und Pfefferspraysprühen
> inklusive.
Bild: Umstrittener Polizeieinsatz auf Schalke
Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Zeit für Rückblicke. Und so stellt
sich auch die Frage, was eigentlich der sportliche Höhepunkt der vergangen
zwölf Monate war. Das Triple der Bayern? Der vierte Weltmeistertitel von
Sebastian Vettel?
Mein sportliches Highlight 2013 fand auf Schalke statt: die Erfindung von
fünf neuen olympischen Disziplinen in einem einzigen Wettbewerb:
Hundertschaftblockeinlauf der Polizei, Pfefferspraysprühen am lebenden
Objekt, anschließend Doppelpirouette der Einsatzleitung, Eiertanz des
NRW-Innenministers und Zurückrudern der Klubführung von Schalke 04.
Was war passiert? Stellen Sie sich vor, Sie sind Fußballfan und hängen bei
sich im Stadion regelmäßig eine Fahne an den Blockzaun, auf der eine Sonne
zu sehen ist und „Komiti Düsseldorf“ draufsteht. Klingt irgendwie nach
„Hä?“. Ist es vielleicht auch. Aber darum geht es jetzt nicht. Stellen Sie
sich einfach nur vor, dass diese Fahne da schon öfter hing, noch nie
jemanden gestört hat, in Deutschland auch nicht verboten ist und überhaupt
und sowieso kein Thema. Und an dieser Stelle könnte die Geschichte auch
schon wieder enden.
So, und jetzt stellen Sie sich vor, in Ihrem Stadion tanzen plötzlich ein
paar Menschen aus Saloniki im Gästebereich einen Sirtaki. Bisken Ouzo im
Blut, bisken freier Oberkörper, bisken Rettungspakete zur Tilgung der
Staatsschulden aufm Konto, mehr aber auch nicht. Und abermals könnte die
Geschichte an dieser Stelle enden.
## Volksverhetzende Fahne
Und jetzt stellen Sie sich vor, plötzlich stürmen Polizisten in Ihren
Block, sprühen mit Pfefferspray um sich und verletzen etliche Fans, und
warum? Um Ihre Fahne zu entfernen. Denn diese Fahne, so hören Sie zur
Begründung, sei volksverhetzend, weswegen besagte Menschen aus Saloniki
Ihren Block stürmen wollen.
Und damit das nicht passiert, müssen die Polizisten Ihren Block stürmen.
Klingt blöd. Ist es auch. Vor allem, wenn sich im Nachhinein herausstellt,
dass das mit der Volksverhetzung gar nicht stimmt und diese Menschen aus
Saloniki nachweislich auch gar keine Anstalten gemacht haben, Ihren Block
zu stürmen.
Was nun? Wäre es nicht nett, wenn der Chef dieser Polizisten darauf sagte:
„Das ist uns jetzt echt unangenehm, aber ich befürchte, wir könnten unter
Umständen ein bisschen unverhältnismäßig agiert haben. Sollte das der Fall
sein, tut es uns wirklich leid, und wir hoffen, es kommt auch nicht wieder
vor.“ Wäre das nicht ein Traum? Eben. Denn stattdessen sagte der Chef
dieses Polizeichefs: „Wir haben alles richtig gemacht, und wer das
Gegenteil behauptet, muss in Zukunft ohne uns auskommen.“ Klingt noch
blöder. Ist es ebenfalls.
Denn diese Erklärung hat in etwa ein Drohpotenzial, als würden Eltern ihren
pubertierenden Kids selber die Entscheidung überlassen, wie lange sie
abends in die Disco dürfen. Weswegen besagter Oberpolizeichef umgehend eine
180-Grad-Kehrtwende vollzog und diesen blöden Spruch zurücknahm. Worauf
dann auch der Verein Schalke 04 etwas zurücknahm, nämlich seinen Protest
gegen den Blocksturm und lieber gegen einige Fans ein Stadionverbot
erteilte. Grund: Sie haben sich mit Tränengas besprühen lassen.
Wir sehen: fünf neue olympische Disziplinen mit allesamt vielversprechenden
Entwicklungen, welche für deutsche Olympioniken zu berechtigten
Medaillenhoffnungen Anlass geben dürfte. Wenn – ja wenn nicht kurz darauf
diese Hoffnungen wieder getrübt worden wären.
## Polizei als Escort-Service
Denn jetzt stellen Sie sich vor, ein paar Wochen danach tanzen plötzlich
ein paar Menschen aus Dortmund auf den Gleisen eines Bahnhofes herum,
behindern den Zugverkehr, gefährden sich und Dritte, lassen dabei sogar den
ein oder anderen Gebrauchsgegenstand liegen, bei dem man sagen könnte: „Na,
schau mal an, Pyrotechnik. Wozu wird denn so was nur gebraucht?“ Worauf die
Polizei diese Menschen in Sonderbussen – nein – nicht nach Hause bringt,
sondern bis in den Gästebereich Ihres Stadions begleitet. Wie nennt man
eine solche Polizei? Richtig, Escort-Service. Wenn das Alice Schwarzer
hört!
Und was dann passiert, ist inzwischen Legende. Besagte Menschen aus
Dortmund zünden Bengalos, zerstören im Block Plexiglasscheiben und schießen
Leuchtkugeln in die Besucherränge. Und was macht die Polizei? Nachdem sie
so eifrig trainiert hatte? Ihr versagen die Nerven, und sie verweigert –
wie Ahlerich an Pulvermanns Grab – ihren Einsatz. Das gibt Abzüge in der
B-Note für den künstlerischen Teil. Wir sehen, die Ansätze sind da und
machen Mut, aber bis zu den nächsten Olympischen Spielen gibt’s noch
einiges zu trainieren.
Bis dahin: Glück auf!
31 Dec 2013
## AUTOREN
HG Butzko
## TAGS
Fußball
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