| # taz.de -- Zweihändiger Schwedenkrimi: Der doppelte Sebastian | |
| > Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt schreiben zu zweit über Morde im | |
| > Norden. Erfolg haben sie damit im Fernsehen und in Büchern. | |
| Bild: Der schwedische Schauspieler Rolf Lassgård spielt Sebastian Bergman. Ein… | |
| Die Kaffeemaschine ist natürlich ein Riesending. Sie bildet den zentralen | |
| Blickfang im offenen Vorzimmer der Stockholmer Kreativagentur „Tre Vänner“, | |
| das mit Barhockern und -tischen leger als Kommunikationszentrale gestaltet | |
| ist. Und sie macht einen ausgezeichneten und landestypisch starken | |
| Cappuccino. Im Kaffeetrinken sind die Schweden weltweit Spitzenreiter, | |
| genau wie beim Krimischreiben. Das betrifft die Menge ebenso wie den | |
| Schockfaktor. | |
| Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt stürmen von der Mittagspause herein, | |
| beide noch nicht fertig mit ihren Sandwiches. Zum Kaffee haben sie, wie | |
| gute schwedische Gastgeber es tun, kleine Kuchenstückchen mitgebracht. | |
| Hjorth ist hier zu Hause. Tre Vänner, zu Deutsch „drei Freunde“, hat er | |
| gemeinsam mit zwei Freunden gegründet. In der Agentur werden Drehbuchstoffe | |
| für Fernsehen und Film entwickelt und produziert. Rosenfeldt wiederum ist | |
| häufiger Gast im Hause. | |
| Ursprünglich gelernter Schauspieler, war er lange ein beliebter Moderator | |
| und auch schon mal Unterhaltungschef beim schwedischen Fernsehen. Seit | |
| vielen Jahren schreibt er erfolgreich Drehbücher. Die Serie „Die Brücke“ | |
| stammte aus seiner Werkstatt, auch für einen Wallander-Film zeichnete | |
| Rosenfeldt verantwortlich. | |
| Seit ein paar Jahren sind Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt der | |
| Krimilesern bekannt als die Erfinder von Sebastian Bergman. Dass sie | |
| Buchautoren wurden, war eher Zufall, denn eigentlich ist Sebastian Bergman | |
| ursprünglich als Fernsehfigur, tatsächlich sogar als Gegenfigur zu Kurt | |
| Wallander entstanden. Wallander als Filmheld war lange Zeit, auch in | |
| Deutschland, identifiziert worden mit dem Gesicht und der Statur des | |
| Schauspielers Rolf Lassgård. | |
| Doch nachdem alle damals lieferbaren Wallander-Romane Henning Mankells | |
| verfilmt worden waren, gingen die Rechte zur TV-Vermarktung der Figur auf | |
| eine andere Produktionsfirma über, die neue Folgen mit einem anderen | |
| Hauptdarsteller produzierte. | |
| ## Ein sehr unsympathischer Mann | |
| „Hans hatte den letzten Wallander-Film mit Rolf gemacht“, erzählt Michael | |
| Hjorth. „Wir wollten sehr gern mit Rolf arbeiten und haben daher einen | |
| neuen Stoff entwickelt. Die ganze Sebastian-Bergman-Idee entstand in | |
| Diskussionen mit ihm. Er sollte kein Polizist sein, aber etwas mit | |
| Polizeiarbeit zu tun haben. Außerdem hatte Wallander nie Frauen, deshalb | |
| beschlossen wir, dass Sebastian Bergman sehr viele Frauen bekommen sollte. | |
| Und dann fanden wir, dass es interessant sein könnte, gerade weil Rolf ein | |
| so liebenswerter Mensch ist, seinen Charakter gegen den Strich zu bürsten | |
| und Sebastian Bergman zu einem sehr unsympathischen Menschen zu machen.“ | |
| Hans Rosenfeldt ergänzt: „Wir haben einfach Dinge hinzugefügt, die uns an | |
| Menschen nicht gefallen. So nach dem Prinzip: Lasst uns so viel dazutun, | |
| bis es wirklich reicht, wir können später immer noch etwas wegnehmen. Das | |
| haben wir allerdings nie getan.“ Der Film-Sebastian, geben beide zu, sei | |
| allerdings deutlich netter ausgefallen als der Buch-Sebastian, einfach | |
| „weil es passieren könnte, dass überhaupt niemand ihn sehen will, wenn wir | |
| ihn so unausstehlich machen wie in den Büchern.“ | |
| Überhaupt: die Bücher. Sie entstanden, erstaunlich genug, zunächst als | |
| reines Sekundärprodukt. Denn nachdem die ersten beiden Drehbücher fertig | |
| waren, sprang auf einmal das Fernsehen als Produzent ab. „Zu der Zeit war | |
| gerade die erste Stieg-Larsson-Verfilmung mit einem Riesenerfolg gelaufen. | |
| Danach gab es den Beschluss, nur noch Buchverfilmungen zu produzieren“, | |
| erläutert Rosenfeldt. | |
| „Da sagten wir uns irgendwann: Na, dann machen wir eben ein Buch aus | |
| unserer Geschichte. Als wir mitten in der Arbeit am ersten Roman waren, | |
| kamen die Fernsehleute wieder auf uns zu und erklärten, man hätte sich nun | |
| doch überlegt, das Drehbuch zu verfilmen.“ Hjorth kommentiert: „Es war | |
| alles reiner Zufall. Das Ganze war ein Experiment; man wusste vorher nicht, | |
| wie es laufen würde.“ | |
| ## Totale Teamarbeit | |
| So geht es die ganze Zeit. Man stellt eine Frage, und einer von beiden gibt | |
| spontan den Haupterzähler. An irgendeinem Punkt wird der andere einhaken, | |
| ergänzen oder widersprechen, und es entspinnt sich ein Dialog. Sie sind ein | |
| toll eingespieltes Team. Aber geht das so auch beim Bücherschreiben? Wie | |
| erzählt man zu zweit eine Geschichte auf 700 gedruckten Seiten? | |
| Rosenfeldt übernimmt den Erzählerpart: „Wir sitzen ein paar Wochen lang | |
| zusammen und überlegen uns zusammen eine Story, oft auch schon in einzelnen | |
| Kapiteln. Wir entwerfen die Charaktere gemeinsam und überlegen uns die | |
| Entwicklung, die sie nehmen. Wenn wir damit so ziemlich durch sind, teilen | |
| wir auf, wer was schreibt.“ Beim ersten Buch etwa hätten sie immer | |
| abwechselnd vier Kapitel schrieben. „Und wenn wir fertig sind, packen wir | |
| alles zusammen und gehen es durch. Und dann gehe ich es noch einmal durch, | |
| um es stilistisch anzugleichen.“ | |
| Ach ja? War es denn da schwierig, sich darauf zu einigen, wer diese letzte | |
| Runde übernimmt? „Nein!“, sagt Hjorth schnell und entschieden, und | |
| Rosenfeldt erklärt, sein Bedürfnis nach Kontrolle sei eben deutlich größer | |
| als das des Kollegen: „Wenn Micke in meinem Text etwas geändert hat, fand | |
| ich meist, dass es nicht besser geworden war, und habe es auf die | |
| ursprüngliche Version zurückgeändert. Und nachdem der Text auf diese Weise | |
| ein paarmal hin und her gegangen war, hat Micke festgestellt, dass es so | |
| noch ewig weitergehen könnte, wenn nicht einer aufgibt. Er hat sein eigenes | |
| Bedürfnis nach Kontrolle zurückgestellt.“ | |
| Wie großartig ist das denn! – Hjorth lächelt fein und sagt: „Hans sitzt | |
| noch in seinem Urlaub jeden Morgen zwei Stunden da und macht Korrekturen. | |
| Ich habe den besten Schreibpartner auf der ganzen Welt!“ | |
| Nein, dazwischen passt kein Blatt. Zwei Männer, ein Team. Hjorth gibt im | |
| Gespräch eher den Analytiker, Rosenfeldt den Erzähler, sie ergänzen sich | |
| perfekt. Beide waren sich schnell einig geworden, dass sie mit dem | |
| Bücherschreiben nicht aufhören wollten, nur weil die Drehbücher dann doch | |
| verfilmt wurden. Ihnen mache das Bücherschreiben unglaublichen Spaß, | |
| einfach weil es etwas Neues für beide gewesen sei und weil es dabei so | |
| viele Dinge gebe, die man im Drehbuch nie machen könnte. | |
| „Ein Drehbuch“, erklärt Hjorth, „erinnert ein bisschen an eine Landkarte. | |
| Oder an den gezeichneten Grundriss eines Hauses. Ein Buch dagegen ist schon | |
| das ganze Haus, mit allen Fenstern darin und allen Lampen. Im Drehbuch hat | |
| man den Dialog und das, was man sieht, sonst gar nichts. Es werden keine | |
| sinnlichen Eindrücke vermittelt, man weiß zum Beispiel nie, wie etwas | |
| riecht. Aber im Buch, und das ist uns zum Beispiel nach der Hälfte des | |
| ersten Romans passiert, beginnt man auf einmal, Dinge zu riechen, auch wenn | |
| von Gerüchen gar nicht die Rede war.“ Deswegen gebe es in diesem ersten | |
| Roman auf einmal geradezu eine Explosion der verschiedensten Gerüche, „bis | |
| ich irgendwann fand, jetzt könnte das mal wieder etwas weniger werden“. | |
| Auch Charaktere könne man im Roman ganz anders entwickeln. Der unfähige | |
| Polizist Tomas Haraldsson zum Beispiel – „Wie habe ich ihn geliebt!“ wirft | |
| Rosenfeldt genießerisch ein –, sei erwachsen aus einer Figur, die im | |
| Drehbuch nur kurz auftritt, um der Reichsmordkommission die Akte zu | |
| übergeben. | |
| ## Produktionsgeld aus Deutschland | |
| Auf der anderen Seite sei das Fernsehen, erklärt Hjorth, als Medium viel zu | |
| hungrig nach handlungsorientierten Storys, als dass man auf die Dauer immer | |
| nur auf Buchverfilmungen setzen könne. „Deshalb glaube ich auch, dass | |
| Originaldrehbücher in Zukunft wieder attraktiver werden.“ Als Beispiel | |
| führt er die vielgelobte Serie „Die Brücke“ an, bei der sein Romankollege | |
| für die Drehbücher verantwortlich zeichnet. Auch diese Produktion wurde | |
| maßgeblich mit deutschen Produktionsgeldern realisiert. | |
| Die umfangreiche Geschichte deutsch-schwedischer Koproduktionen im | |
| Fernsehkrimisektor geht zurück bis auf frühere Sjöwall-Wahlöö-Verfilmungen, | |
| umfasst die „Beck“-Serie, die „Wallander“-Reihen und viele andere. | |
| Selbstredend ebenfalls die „Sebastian Bergman“-Filme. Kurz, eigentlich sind | |
| es die deutschen Gelder, die den schwedischen Fernsehkrimi-Boom erst in | |
| Gang gebracht haben. | |
| Und könnte es nicht vielleicht sogar sein, dass etwas Ähnliches für den | |
| Buchmarkt gilt? „Dasselbe ist es ganz sicher nicht“, erwidert Hjorth. „F�… | |
| die Fernsehproduktionen ist es essenziell, aber nicht für den Buchmarkt.“ | |
| Und Rosenfeldt erklärt: „Natürlich ist es fantastisch, wenn die Bücher in | |
| Deutschland gemocht und verkauft werden. Aber es gibt auch etliche | |
| Kollegen, die in Schweden und anderen Ländern sehr erfolgreich sind, in | |
| Deutschland dagegen weniger.“ | |
| 6 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Granzin | |
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