| # taz.de -- Golden Age des Hongkong-Kinos: Geschäftsmann und Philanthrop | |
| > Die Aufhebung der Gesetze von Raum und Zeit war ein Merkmal der | |
| > Shaw-Brothers-Filme aus Hongkong. Mit Sir Run Run Shaw starb der Letzte | |
| > der Gründer. | |
| Bild: Run Run Shaw, Chairman of Television Broadcasts Limited (TVB), nimmt ein … | |
| Mit zwei großen Figuren ragt die frühe Geschichte des Kinos in unsere | |
| multimedial zerstreute Gegenwart: Da ist einerseits der Portugiese Manoel | |
| de Oliveira, der noch als Stummfilmregisseur debütierte und bis heute aktiv | |
| ist. Für dieses Frühjahr plant er, inzwischen 105 Jahre alt, die | |
| Dreharbeiten zu seinem nächsten Film. Und da war bis jetzt der nun im Alter | |
| von 106 Jahren verstorbene Run Run Shaw, genauer gesagt Sir Run Run Shaw, | |
| dessen Anfänge im Stummfilmkino Schanghais Mitte der zwanziger Jahre | |
| liegen. | |
| Er war kein Regisseur (mit Ausnahme eines Films), sondern ein Mogul, ein | |
| großer Ermöglicher und Geschäftsmann und dann Philanthrop, eine Legende der | |
| Kinogeschichte und ein mächtiger Mann der Fernsehindustrie Hongkongs. | |
| Die Anfänge waren bescheiden. Run Run Shaw war einer von sechs Brüdern. | |
| Drei von ihnen, Runje, Runde und Runme Shaw, hatten in Schanghai | |
| erfolgreich Theater produziert, als sie sich eine Filmkamera zulegten und | |
| begannen, wieder mit Erfolg, Filme zu drehen. Zu ihnen stieß der jüngere | |
| Run Run. Gemeinsam gründeten sie eine Firma für Filmverleih und -produktion | |
| und waren Teil des blühenden Kinos der dreißiger Jahre in Schanghai. | |
| ## Fast vergessene Kinogeschichte | |
| Das ist heute halb vergessen, die Werke sind zu nicht geringen Teilen | |
| verloren. Mit seinem Starsystem und einer großen Vielfalt an Genres und | |
| Stilen gehört es zu den Hotspots der Kinogeschichte. Neben den | |
| dominierenden „Schmetterlingsfilmen“ nach erfolgreichen Liebesromane gab es | |
| hier jede Menge westliche Einflüsse, aber auch schon Geister- und | |
| Kampfkunstfilme, die durchaus ein Vorbild für die spätere Kinoindustrie von | |
| Hongkong waren. Und da mischten die Shaws in Schanghai schon mit, mit | |
| Niederlassungen in Singapur, Malaysia und Hongkong. | |
| Mit dem Zusammenbruch der Filmindustrie von Schanghai durch den Einmarsch | |
| Japans 1937 konzentrierten sich die Shaws, die ihr Geld buchstäblich | |
| verbuddelt hatten und wieder ausgruben, auf die britische Kolonie Hongkong. | |
| Hier erwies sich Run Run Shaw als der klügste Geschäftsmann der Brüder. | |
| Gemeinsam mit Runme gründete er 1958 die Shaw Brothers Ltd., die Firma, | |
| deren Name heute fast allein für das Golden Age des Hongkong-Kinos der | |
| sechziger und siebziger Jahre steht. | |
| Zentral für den Erfolg war der Bau eines großen Studios namens Movietown, | |
| das 1961 in Clearwater Bay eröffnet wurde. Es war bald das größte Studio in | |
| Privatbesitz auf der Welt: Mit fünfzehn Bühnen, Hunderten exklusiv an die | |
| Firma gebundenen Mitarbeitern, Stars und Regisseuren und einer Produktion | |
| wie am Fließband. Während in Hollywood das Studiosystem seine große Zeit | |
| längst hinter sich hatte, blühte es unter Run Run Shaw in Hongkong wieder | |
| auf. | |
| ## Virtuosen der Kampfkunst und des Filmschnitts | |
| Berühmt sind vor allem die Kung-Fu- und Kampfkunstfilme der Zeit. Nicht zu | |
| Unrecht, denn was hier als Bewegungskino entstand, war von beispielloser | |
| Großartigkeit, und Prügelkomiker wie Terence Hill und Bud Spencer sind im | |
| Vergleich reine Stümper. Genretypisch sind die oft vagen historischen | |
| Hintergründe, die wahre Kunst aber liegt im Zusammenspiel von grandioser | |
| Körperbeherrschung der Stars (keineswegs ausschließlich Männer) und der | |
| Virtuosität der Regisseure und ihrer Schnittmeister. | |
| Die Körper und das Kino geraten in den Filmen der Meister wie King Hu („A | |
| Touch of Zen“) oder Chang Cheh („The one-armed Swordsman“) Schlag auf | |
| Schlag und Schnitt um Schnitt ins Schweben, manchmal an Drähten, aber immer | |
| ohne Special Effects. Das Ergebnis ist nicht brutale, sondern subtile | |
| Gewalt, sind gleitende Körper, die Waffen behände beherrschen, ist die | |
| Aufhebung der Gesetze von Raum, Geschwindigkeit und Zeit mit den Mitteln | |
| des Films. | |
| Es gab freilich nicht nur die Kampfkunst, sondern auch Oper und Musical in | |
| Ausprägungen, die weder mit dem Hollywood-Musical noch mit Bollywood viel | |
| zu tun haben. Und Komödien, versteht sich. All das hat sich in die | |
| New-Wave-Zeit der achtziger Jahre mit ihren neuen Stars und Starregisseuren | |
| fortgeerbt – allerdings waren die Shaw Brothers da schon nicht mehr dabei. | |
| ## Milliarden für Schulen, Universitäten, Krankenhäuser | |
| Nicht direkt jedenfalls. Der 1970 gegründete Konkurrent Golden Harvest | |
| hatte ihnen erst den späteren Superstar Bruce Lee weggeschnappt und wurde | |
| dann zur großen Erfolgsgeschichte der achtziger Jahre. Run Run Shaw aber | |
| war längst weiter. Er konzentrierte sich auf den Fernsehsender TVB und | |
| wurde damit zur dominierenden Kraft auf einem noch lukrativeren Markt. Die | |
| Milliarden, die er verdiente, steckte er, von der Queen dafür geadelt, zu | |
| nicht geringen Teilen in wohltätige Zwecke, Krankenhäuser, Schulen, | |
| Universitäten, eine Art Nobelpreis für Naturwissenschaften und manches | |
| mehr. | |
| Bis er hundert war, mischte Sir Run Run Shaw bei TVB noch munter mit, gern | |
| eine schöne Schauspielerin an seiner Seite. Vor zwei Jahren ging er | |
| offiziell in den Ruhestand, jetzt ist er in Hongkong gestorben. | |
| 8 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
| ## TAGS | |
| Film | |
| Filmemacher | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Südchinesische Kampfkunsttradition: Kung Fu ist mehr als Bruce Lee | |
| Er machte den Kung Fu weltberühmt: Vor 45 Jahren starb Filmikone Bruce Lee. | |
| Was bedeutet Kung Fu abseits der gängigen Stereotype aus Hollywood? | |
| Nachruf auf Manoel de Oliveira: Mit wunderbaren Zeichen übersättigt | |
| Er war so alt und zugleich so unermüdlich, dass man zu glauben begann, er | |
| sei unsterblich. Nun ist der Filmemacher Manoel de Oliveira verstorben. | |
| Filmstart „Tao Jie – A Simple Life“: Eleganz im Normalbetrieb | |
| Eine beeindruckende Alltagsstudie aus Hongkong: „Tao Jie – A Simple Life“ | |
| von Ann Hui erzählt von einer Hausangestellten, deren Leben dem Ende | |
| zugeht. |