# taz.de -- Space Age Zither-Musik: Im Paradies der Einhörner | |
> Der New Yorker Musiker Laraaji führt mit seiner Zither | |
> Freejazz-Experimente und Ambient-Minimalismus gewinnbringend zusammen. | |
Bild: Laraaji in seiner Wohnung in Harlem: mit Zither. | |
„Moon Stew“, so taufte der große Space-Age-Jazz-Künstler Sun Ra das | |
Eintopfgericht, das er den Musikern seines Orchesters zubereitete. Eine | |
bewusstseinserweiternde Astronautennahrung, deren Texturen den unendlichen | |
Weiten des Weltraums nachempfunden waren. | |
Sun Ras oft zitiertes Motto „Space is the Place“ findet seine Resonanz auch | |
in der Musik des New Yorker Zither-Spielers Laraaji. Und richtig, „Sun Ra | |
befreite mich davon, wie Musik in einem rigiden Sinne auszusehen hätte“, | |
sagte Laraaji kürzlich dem Autoren Greg Tate. Hoch an der Zeit also, dass | |
Laraajis eigenes Werk wieder zugänglich gemacht wird. | |
Die Songs, besser: die Meditationen auf seinem Doppelalbum „Celestial Music | |
1978–2011“ klingen, als hätte ihr Urheber ausgiebig vom „Moon Stew“ | |
gekostet. „I am Ocean“, „Unicorns in Paradise“, „Sun Zither“ heiße… | |
Songtitel. | |
Mit seiner Zither erzeugt Laraaji Tontrauben, die von Echokammer und | |
Tape-Delay verfremdet, Melodiecluster und Drones bilden. Töne ohne jeden | |
Bezug zur Schwerkraft, aber mit großer Schwingung. Wie in einem | |
Spiegelkabinett hört man nicht nur einem Laraaji beim Sägen und Klöppeln | |
zu, sondern 20 Laraajis an der Zither und wird von ihm und seinen | |
Ebenbildern allmählich in eine höhere Umlaufbahn transportiert. Man sollte | |
zwar nicht gleich versuchen, übers Wasser zu laufen, aber man kommt doch | |
einigermaßen erfrischt, ja befreit aus diesem Hörerlebnis. | |
## Sein voller Guru-Name | |
Wer jetzt an Spiritualität und die TV-Serie „Akte X – die ungelösten Fäl… | |
des F.B.I.“ denkt, liegt richtig: Laraaji Nadadannda, wie sich der | |
afroamerikanische Musiker Edward Larry Gordon mit vollem Guru-Namen nennt, | |
praktiziert seinen interplanetarischen Sound auch in den Aschrams der | |
amerikanischen Ostküste. Selbst beim Tai-Chi vergisst er nie seine | |
musikalischen Wurzeln. Im Kindesalter fing er Klavier zu spielen an, übte | |
besessen Chopin und Debussy. Ebenso elektrisierten Laraaji die | |
Rock-’n’-Roll-Songs von Fats Domino und Little Richard. | |
Er studierte Komposition an der Howard University in Washington D.C., | |
zusammen mit den Soulmusikern Donny Hathaway und Roberta Flack und dem | |
Black-Power-Theoretiker Stokely Carmichael. Mit seinen eigenen Ideen | |
landete Laraaji weitab von Afrocentricity, aber er gibt die Black Power | |
nicht dem New Age preis. | |
Seine E-Gitarre tauschte Laraaji 1974 gegen eine Zither ein. Und weil er | |
sie von Anfang elektrisch verstärkte und damit herumexperimentierte, hatte | |
er mit ihr bald ein übernatürliches Hörerlebnis. „Das Universum kam für | |
einen Moment zusammen, es vibrierte, sang, swingte und chantete. Für mich | |
war das die höchstmögliche Erfahrung von Ewigkeit. Seither empfinde ich | |
diesen transzendentalen Klangraum mit meinem eigenen Sound nach.“ | |
## Zurück in die Gegenwart | |
In die Gegenwart zurückgeholt wurde Laraaji von dem britischen Musiker | |
Brian Eno, der ihn im Sommer 1979 im New Yorker Washington Square Park | |
spielen sah. Eno arbeitete mit ihm mehrmals zusammen und veröffentlichte | |
Laraajis Alben auf seinem Label All Saints. | |
Laraajis Musik harmonierte prächtig mit Enos eigenem Ansatz von Ambient | |
Music. „Ambience“, schreibt Eno, „definiert sich als Atmosphäre, als | |
Surround-Sound, als Tönung.“ Von jetzt aus gehört, führt Laraajis Tönung, | |
die die besten Momente der Great Black Musik mit dem Ambient-Sound vereint, | |
geradewegs zu den Signaturen von House und Techno und zum hypnagogischen | |
Pop der Gegenwart. | |
10 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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