# taz.de -- Musik aus Mali in der Volksbühne Berlin: Der Theatermann öffnet d… | |
> Der Krieg in Mali trieb das „Festival au Désert“ ins Exil. Am Freitag | |
> gastierte es unter dem irreführenden Titel „Schlingensief in Timbuktu“ in | |
> Berlin. | |
Bild: Auch aus Nordafrika: Tuareg-Band beim Ghat-Festival in Libyen. | |
Der Name Schlingensief zieht immer noch: Das Konzert in der Volksbühne war | |
früh ausverkauft, und das Publikum sah deutlich anders aus als dasjenige, | |
das man gesehen hätte, wenn das Orchestre Amanar de Kidal und Khaïra Arby | |
im Haus der Kulturen der Welt aufgetreten wären. Mancher im Saal dürfte | |
sich im Laufe des Abends aber wohl gefragt haben, was das ganze Spektakel – | |
„Schlingensief in Timbuktu. Operndorf Afrika präsentiert Festival au | |
Désert“ betitelt“ – mit Schlingensief zu tun hatte. Denn der Name des | |
verstorbenen Theatermachers diente lediglich als Türöffner, um dem | |
Gastspiel aus Mali die angemessene mediale Aufmerksamkeit zu bescheren. Die | |
Rechnung ist aufgegangen: Das Konzert wurde als Live-Stream auf Spiegel | |
Online gezeigt, die besten Momente sollen in einer TV-Dokumentation | |
ausgestrahlt werden. | |
Dabei ist das Festival au Désert, seit es vor zwölf Jahren ein paar | |
Kilometer von Timbuktu entfernt aus der Wüstenboden gestampft wurde, selbst | |
längst eine Marke geworden. Aus einem Treffpunkt lokaler Tuareg ist eine | |
Plattform für Musiker aus der ganzen Region geworden, die sich zum größten | |
Touristenmagnet Malis gemausert hat – und zur Pilgerstätte für prominente | |
Popstars wie Robert Plant, Manu Chao, Damon Albarn und Bono, die sich in | |
der Zeltlageratmosphäre zwischen Kamelrennen und fliegenden Händlern | |
inspirieren ließen. | |
Der Krieg in Mali aber hat die Fortsetzung des Festivals unmöglich gemacht, | |
seine Macher mussten ins Exil. Im Rahmen einer Künstler-Karawane soll es, | |
nach Stationen in Marokko, Mauretanien und auf dem Gelände des entstehenden | |
Schlingensief-Operndorfs in Burkina Faso, wieder nach Mali zurückkehren. | |
Zwischendrin legte es aber einen Abstecher nach Berlin ein, um sich das | |
erste Mal in Deutschland zu präsentieren. | |
Den Auftakt machte Khaira Arby, eine Diva aus Timbuktu. In der Musik der | |
Cousine des legendären Niger-Blues-Gitarristen Ali Farka Touré mischen sich | |
Einflüsse aus verschiedenen Regionen Malis. Mit ihrem beseelten Gesang | |
erinnert die stämmige Sängerin in ihrem opulent glitzernden Kleid an eine | |
afrikanische Verwandte der Soul-Sängerin Aretha Franklin. Sie schwenkte die | |
Arme und ihren lila Schal, wog sich elegant in den komplex-repetitiven | |
Rhythmen von Kalebassen und Schlagzeug und spielte mit ihrer Band bald den | |
Saal in Trance. Aus den Träumen heraus riss sie aber der Gitarrist, der | |
sich immer wieder in den Vordergrund drängte und sich in einen wahren | |
E-Gitarren-Rausch spielte, als sei der Geist von Jimi Hendrix in ihn | |
gefahren. | |
Danach gab sich die Hamburger Band Kante die Ehre. Neuerdings zeigt sie | |
sich vom Tuareg-Wüstenrock inspiriert, deren Atmosphäre sie in ihren neuen | |
Songs einer Art akustischer Landschaftsmalerei nachempfinden. Überhaupt | |
heben sich Kante wohltuend vom Gros ihrer deutschen Kollegen ab, indem sie | |
viel Wert auf musikalische Strukturen und komplexe Rhythmen legen. So fiel | |
der Bruch zwischen deutschem Diskurs-Rock und den Klängen aus Mali gar | |
nicht so scharf aus, wie man hätte meinen können. | |
Das Orchestre Amanar aus Kidal rundete den Reigen ab. In prächtigen | |
Tuareg-Gewändern und auf Ledersandalen entführten sie in die Weiten des | |
elektrifizierten Tuareg-Blues und seiner spröden wie erdigen Weisen – | |
stimmungsvoll, aber unspektakulär. Schade, dass keine bekanntere | |
Tuareg-Band als Headliner gewonnen werden konnte. Band wie Tinariwen und | |
Tamikrest haben längst unter Beweis gestellt, dass sie auch ein | |
Rockpublikum von den Stühlen reißen können. Am Ende standen alle gemeinsam | |
auf der Bühne, die Musiker von Khaïra Arby, von der Band Kante und die aus | |
der Grenzstadt Kidal, und übten sich im gemeinsamen Abschluss-Jam, der | |
erstaunlich gut gelang. So viel Nord-Süd-Harmonie ist selten. | |
Auch in Mali nicht, denn der Krieg dort hat neue Gräben zwischen den | |
Bevölkerungsgruppen aufgerissen. Festivalgründer Manny Ansar betonte die | |
verbindende Kraft der Musik: „Der Krieg hat unsere Politiker und | |
Intellektuellen mit so plötzlicher Wucht getroffen, dass sie wie gelähmt | |
waren. Die Musiker waren die ersten, die aufgestanden sind und über alle | |
ethnischen Grenzen hinweg Nein zum Terror gesagt haben“, sagte er im | |
Gespräch. | |
Am Tag zuvor gab es in der Akademie der Künste eine Podiumsdiskussion zum | |
Stand des deutsch-afrikanischen Kulturaustauschs. Katja Böhler, Vorsitzende | |
der Stiftung Partnerschaft mit Afrika in Potsdam, erzählte da, wie | |
schwierig es sei, deutsche Jugendliche für Filme aus Afrika zu begeistern, | |
weil die sich in ihrer Machart zu sehr von westlichen Produktionen | |
unterschieden. Mit Musik ginge es leichter, sie für den Kontinent zu | |
interessieren, da springe der Funke rasch über. Was den Rapper General | |
Snipe alias Denis Ndong von den Brothers Keepers zu dem Vorschlag | |
verleitete, vielleicht müsse man die Filme einfach nur mit besseren | |
Soundtracks unterlegen. | |
13 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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Berliner Volksbühne | |
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