# taz.de -- Die Wahrheit: Der Fluch des Lötkolbens | |
> Schwabinger Krawall: Herr Reithofer und sein Talent für Elektrisches und | |
> den Umgang mit dem Lötkolben. | |
Ein klassisches Röhrenradio, sagt Herr Reithofer und stellt das wuchtige | |
Gerät auf den Küchentisch, das ihm die alte Frau Reibeis überlassen hat, | |
weil es seit dreißig Jahren nicht mehr geht und nur noch als | |
Blumentopfuntersetzer gedient hat, sei ein Kulturgut, klanglich dem | |
modernen Digitalplempel haushoch überlegen und aufgrund seiner einfachen | |
Bauweise praktisch unverwüstlich und von jedem Halblaien mit wenigen | |
Handgriffen zu reparieren. | |
Skeptisch sieht seine Frau zu, wie er den Lötkolben aufheizt und sich mit | |
einer Batterie von Schraubenziehern daran macht, das Gehäuse zu entfernen. | |
Nachdem er dreimal abgerutscht ist, dabei die Einträge „Hilvers. II“ und | |
„Duitschl. Z.“ auf der Einstellskala unlesbar gemacht und sich eine stark | |
blutende Wunde am Handgelenk zugezogen hat, rötet sich Herrn Reithofers | |
Kopf, und sie beschließt, sich lieber um die Wäsche zu kümmern. | |
Als sie aus dem Keller zurückkehrt, ist das Gerät immer noch nicht | |
geöffnet. Herr Reithofer kündigt an, sich ein Bier aufzumachen, und holt | |
den Hammer. Die Flüche und Schreie aus der Küche, die sich ins | |
Fernsehprogramm mischen, führt seine Frau auf den Einsatz des Lötkolbens | |
zurück, den ihr Mann bereits bei früheren Versuchen, Toaster und | |
Haartrockner zu reparieren, als nutzloses modernes Gelumpe bezeichnet und | |
mehrere Male aus dem Fenster geworfen hat. | |
Dann geht mit einem Schlag der Fernseher aus. Als sich ihr Mann mit der | |
Erklärung, er falle nicht auf den Trick mit der geplanten Obsolvenz herein, | |
daranmacht, die kaputte Sicherung sorgfältig in Alufolie einzuwickeln, wird | |
es Frau Reithofer mulmig, und sie beschließt, einkaufen zu gehen. | |
Bei ihrer Heimkehr ist das gesamte Haus dunkel. Im Treppenhaus findet sie | |
ihren Mann, der Herrn Hammler lautstark erläutert, es sei nicht untersagt, | |
kleinere Reparaturarbeiten selbst durchzuführen, statt dem ausgeschämten | |
Handwerkerpack den letzten Pfennig in den Rachen zu schmeißen. Herr Hammler | |
betont ebenso lautstark, es sei auf jeden Fall verboten, das Haus in die | |
Luft zu sprengen und seine Nachbarn in Lebensgefahr zu bringen. | |
Für Handgreiflichkeiten ist es zu dunkel, und nachdem der Elektronotdienst | |
die Haussicherung wieder in Gang gesetzt hat, unternimmt Herr Reithofer | |
einen letzten Versuch, der damit endet, dass er nach einem umfangreichen | |
Fluch den Lötkolben aus dem Fenster wirft, das Radio zur Mülltonne trägt | |
und erklärt, Mittelwellensender gebe es sowieso nicht mehr und er gehe | |
jetzt ein Bier trinken, bevor ihm der Kragen platze. | |
Kurz darauf steht Frau Reibeis mit dem Gerät vor der Tür und meint, dies | |
sei dasselbe Modell wie ihr altes, und wo ihr Mann so geschickt mit dem | |
Elektrischen sei, könne er vielleicht auch dieses Exemplar wieder in Gang | |
setzen. Mittelwellensender, sagt Frau Reithofer, gebe es sowieso nicht | |
mehr, und ihr Mann interessiere sich neuerdings mehr für Laubsägearbeiten, | |
aber sie könne das Gerät ja als Untersetzer für Blumentöpfe verwenden. Das | |
sei gar keine schlechte Idee, sagt Frau Reibeis. | |
16 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Michael Sailer | |
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