Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nachruf auf Pete Seeger: Ohrwurm der Bewegung
> Von den US-Rechten wurde Pete Seeger gehasst. Seine Songs verbannte man
> aus dem Radio, und doch wurden sie weltberühmt. Oder gerade deshalb.
Bild: Bis zum Schluss politisch aktiv: Pete Seeger auf einer Demo von Occupy Wa…
„Even God is uneasy“, selbst Gott ist beunruhigt, singt Pete Seeger in
seinem Protestsong „The Bells of Rhymney“, den er 1958 zum ersten Mal
aufgenommen hat, aber weit früher im Repertoire hatte. Der Text, den er aus
einem Gedicht des walisischen Dichters Idris Davies geformt hat, handelt
von Bergwerksexplosionen und verschütteten Kumpel. Von Kirchenglocken, die
das Unheil verkünden, aber auch von Klauen und Zähnen, die jene
Bergwerksbesitzer blecken, die ihre Arbeiter als Werkzeuge ansehen und
daher ausrangieren, wenn sie abgenutzt sind.
Seegers Anliegen: Wenn sogar Gott über diese Zustände beunruhigt ist, wo
bleibt dann die Gerechtigkeit? Am Ende pfeift er zu den sparsamen Akkorden
der akustischen Gitarre, macht sich und seinen Hörern Mut.
Mut machen, das war etwas, das der 1919 geborene Pete Seeger, der sich
bescheiden als „Kommunist mit kleinem k“ bezeichnete, als Kardinaltugend
eines Folksängers verstanden hat. Musik hat eine positive Kraft. Also galt
es, ihre Traditionen zu bewahren. Nahegelegt wurde ihm dieses Verständnis
im Elternhaus. Seine Mutter Constance war Geigerin, Vater Charles arbeitete
als Musikologe, archivierte Noten und nahm seinen Sohn zu Exkursionen aufs
Land mit. Ein Square-Dance-Festival und die dort dargebotene Hillbillymusik
beeindruckten den Sohn stark.
In den dreißiger Jahren existierte angesichts der Wirtschaftskrise in den
liberalen Kreisen der Ostküste, denen Pete Seeger entstammte, eine
Sehnsucht nach Frieden und Zugehörigkeit, als Ausweg aus der als
erbarmungslos empfundenen modernen Zivilisation. „Es gibt wunderbare,
geradlinige, mehr oder minder unkomplizierte Menschen, die auf dem Lande in
unmittelbarem Kontakt mit der Erde leben, Menschen mit einer eigenen
Identität und einer eigenen Geschichte“, wie der Musikkritiker Robert
Shelton die Wurzeln dieses Folk-Revivals romantisierte.
Dieser kollektiven Geschichte spürte auch Pete Seeger nach, zuerst in
seiner Fantasie, indem er die Traditionals genannten Songs und ihre
existenzialistischen Texte erlernte. Und dann auch in Wirklichkeit, als
Seeger sich aufmachte, um auf Güterzügen durchs Land zu trampen und dadurch
in Kontakt mit Hobos kam, obdachlosen Saisonarbeitern.
Währenddessen erlernte er das Banjospiel, widmete sich mit Verve den
rätselhaften Songs aus dem Süden der USA. „Der schroffe Gesangsstil und die
energische Art, wie zu diesen Songs getanzt wurde, sagten mir sofort zu“,
erklärte Pete Seeger seinem Biografen.
## Linke Volksfrontideologie
Das Folk-Revival war nicht nur kulturell von Bedeutung, es schuf eine
gesellschaftliche Bewegung, mit Elementen der linken Volksfrontideologie,
einem etwas verquasten Patriotismus und den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,
von denen Künstler und Akademiker zu Zeiten von Roosevelts New Deal
profitierten. Einer davon war Pete Seegers Vater, der beim „Farm
Resettlement Program“ der Regierung mitarbeitete.
Pete Seeger wollte ursprünglich Journalist werden, er studierte einige
Semester in Harvard, gründete eine Campus-Zeitung und trat der
Jugendorganisation der KP bei. Bei einem Benefizkonzert für kalifornische
Wanderarbeiter lernte er 1940 auch Woody Guthrie kennen und gründete mit
ihm zusammen die Gesangsgruppe Almanac Singers. Sie agierten auf
Parteilinie, sangen Antikriegssongs. Bei Kriegseintritt der USA, 1941,
änderten sie das Programm, zeigten sich patriotisch und sangen gegen den
Faschismus.
Das half nichts, denn das FBI führte bereits eine Akte von Seeger. Als der
Kalte Krieg heißer wurde und der paranoide Senator Joseph McCarthy in
Washington an Einfluss gewann, wurde Seeger aus Radio und Fernsehen
verbannt. Im Jahr 1950 trat ein Bekannter Seegers vor dem berüchtigten
House Un-American Activities Committee auf und bezichtigte Seeger der
Mitgliedschaft in der KP, obwohl er sein Parteibuch bereits zurückgegeben
hatte. Seeger wurde in den Fünfzigern massiv ausgegrenzt, man warf ihm
„Verschwörung“ vor.
Seeger antwortete mit Hits: „If I had a Hammer“, „Where have all the
flowers gone“ und zahlreiche andere Songs wurden entweder in seiner Version
oder in der seiner Interpretation weltberühmt. Auch zu Hause in den USA
blieb er unbeeindruckt, trat in Kaffeehäusern und Kirchen auf und
engagierte sich früh für den Kampf der Bürgerrechtsbewegung. Seegers Song
„We shall overcome“ wurde zu ihrer Hymne. Sie basierte auf dem Gospel „I�…
overcome“, den streikende Tabakarbeiter in South-Carolina anstimmten, wenn
Streikbrecher ihre Blockaden durchbrachen.
## E-Gitarre wie Bob Dylan? Nichts für Pete Seeger!
Den Unerschrockenen hat Seeger nicht nur verkörpert, er hat dies als
Folk-Erbe den nachfolgenden Generationen weitergereicht. „Meine Aufgabe ist
es, den Leuten zu zeigen, dass es da draußen sehr viel gute Musik gibt“,
sagt er 2009. „Wenn man sie zum richtigen Zeitpunkt spielt, lässt sich mit
ihr die Welt retten.“ Siehe auch „Bells of Rhymney“, Ende der sechziger
Jahre coverten die Byrds Seegers Song. Auch von Bob Dylan existiert eine
Version, eingespielt zusammen mit The Band.
Dylan, den Pete Seeger wegen seines Wechsel zur E-Gitarre 1965 heftig
kritisierte, sah Seeger immer als Mentor an. Die USA ehrten Pete Seeger
erst in den Siebzigern. 1972 wurde er in die Songwriter Hall of Fame
aufgenommen, 1993 erhielt er einen Grammy auf Lebenszeit, 1994 überreichte
ihm Bill Clinton die National Medal of Arts, die höchste Auszeichnung auf
dem Feld der Künste. Seeger interessierte all das wenig, er trat bis ins
hohe Alter auf und trug dazu bei, dass Folkmusik anhaltend populär blieb.
Am Montag ist er im Alter von 94 Jahren gestorben.
28 Jan 2014
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Protestsong
Bob Dylan
Folkmusik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zum Tod von Pete Seeger: So long, it's been good to know ya
Pete Seeger gehörte immer dazu – von der ersten Platte in der Sammlung der
Eltern bis zur politischen Sozialisation in den 80er Jahren.
Folk-Legende Pete Seeger ist tot: „Musik hilft, den Planeten zu retten“
Er schrieb den größten Hit der Friendenbewegung: „Where have all the
flowers gone“. Der Folksänger Pete Seeger ist im Alter von 94 Jahren
gestorben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.