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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Ist Bütikofer kein Genie?
> Weiterhin auf Platz 1 der Verlierer-der-Woche-Charts: Die Grünen. Eine
> Mobilisierung der europäischen Öffentlichkeit ist gescheitert.
Bild: War lange Grünen-Parteichef: Reinhard Bütikofer
Ist Reinhard Bütikofer doch kein Genie? Dazu muss man zunächst
einschränkend sagen: Es ist nicht bewiesen, dass er eins ist, und schon gar
nicht, dass andere denken, er sei eins. Es ist aber Realität, dass andere
denken, dass er denkt, dass er ein Genie sei. Und dass soeben mal wieder
das Gegenteil bewiesen wurde.
MdEP und Transatlantiker Bütikofer, 61, hatte einen seiner Meinung nach
großartigen Einfall: europaweite und nationalstaatenübergreifende Primaries
zur Wahl der (symbolischen) Grünen-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl im
Mai. Partizipation, Innovation, europäisches Denken, die Grünen endlich
wieder vornedran! Er war überzeugt und so überzeugend, dass auch die
Berliner Entscheider-Grünen die Sache zumindest nicht verhinderten.
Hinterher ist man immer schlauer, klar. Es gab technische Probleme,
problematische Teilhabekriterien, aber der Punkt ist: Es hat keine Sau
gejuckt. 22.000 von 200 Millionen wahlberechtigter Europäer wollten online
dabei sein. Das ist ein Zehntel der europäischen Parteimitglieder. Davon
dürfte noch ein beträchtlicher Anteil von der deutschen Grünen Jugend sein,
deren ehemaliges Bundesvorstandsmitglied Ska Keller die Wahl zusammen mit
Frankreichs Heldenbauern José Bové gewann. Das Interesse ist größer, wenn �…
sagen wir – Kaiserslautern gegen Paderborn spielt. Da weiß man aber auch,
worum es geht, wer wer ist und für was er genau steht.
Realistisch betrachtet, gibt es überhaupt nur einen EU-Politiker, den ganz
Europa kennt. Der ist zwar ein Grüner, hatte sich aber entschieden, nicht
mehr anzutreten: Daniel Cohn-Bendit. Das wollte Bütikofer ändern, klar,
aber das Problem ist, dass es praktisch keine Europäer, keine europäische
Öffentlichkeit und keine Medienöffentlichkeit gibt, in der die
Primary-Kandidaten sich bekannt hätten machen können. Grüne gibt es so
richtig auch nur in einer Handvoll Länder. Das relativiert Bütikofers
schönen Titel des Parteichefs der Europäischen Grünen.
## Wer hat verloren?
Und nun haben eben doch alle jene in der skeptischen EU-Fraktion recht, die
Bütikofer darauf hinwiesen, dass man so eine große Sache auch lange und
sorgfältig vorbereiten muss.
Wer hat verloren? Die EU, wenn selbst die Superwähler der Grünen sich einen
Dreck scheren. Die Grünen, weil sie sich schon wieder selbst eine Schlappe
eingebrockt haben. Und ohne Not ihre europaweit anerkannteste Politikerin
in Frage gestellt haben, die Co-Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms, die das
versprengte Wählerhäuflein nur auf Platz 3 gewählt hat.
Harms wird nächste Woche beim deutschen Nominierungsparteitag für Platz 1
antreten. Das hatte sie für sich schon vor Bekanntgabe des Ergebnisses
entschieden. Wenn sie gewählt ist, wird es erst richtig spannend, denn dann
tritt Sven Giegold gegen Bütikofer um Platz 2 an. Und falls er gewinnt,
womöglich ein weiterer Kandidat gegen Bütikofer um Platz 4.
Unlängst im Cicero wurde ihm eine geradezu catilinarische Verschwörung
gegen Harms unterstellt. Er habe die Primaries ausgedacht, um Harms
mittelfristig zu schwächen, die mit ihrer identitären Verknüpfung des
grünen und europäischen Gedankens als logische Nachfolgerin von Cohn-Bendit
gilt, gegen den er auch schon vergeblich sondiert haben soll. Ein
„grotesker Unsinn“ sei das, Verschwörungsgemunkele, sagt Sven Giegold. Aber
andere in Fraktion und Partei sind richtig sauer.
Nachdem jedenfalls Reinhard Bütikofers Strategie einer Mobilisierung der
europäischen Öffentlichkeit gescheitert ist, muss er am kommenden
Wochenende in Dresden die grünen Delegierten mobilisieren.
Er braucht jetzt eine gute Rede. Vielleicht sogar eine geniale.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version hieß es, Ska Keller sei
Sprecherin der Grünen Jugend. SprecherInnen der Grünen Jugend sind aber
Theresa Kalmer und Felix Banaszak. Wir bitten um Entschuldigung.
1 Feb 2014
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Grüne
Politik
Reinhard Bütikofer
Europawahl
Katrin Göring-Eckardt
Demokratie
Europawahl 2014
Grüne
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