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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Angst in Mannschaftsstärke
> In der Bundesliga geht die Furcht um: Überall zeternde, wehklagende
> Männer – von den gewinnenden Bayern einmal abgesehen.
Bild: Angst essen Trikot auf: HSV-Spieler Westermann
In der Nacht von Bastian Schweinsteiger geträumt. Ich durfte ein Interview
mit ihm führen und fragte ihn, ob er während des Champions-League-Endspiels
denn keine Angst gehabt hätte. Nein, sagte Bastian Schweinsteiger in einer
Art, die weder bayerisch war, noch so jovial dahergestammelt wie sonst,
Angst habe er keine gehabt, die Bayern seien doch Tiere. Dann kehrte er
aufs Spielfeld zurück.
Der Traum ging dann damit weiter, dass zwei Stuttgarter unmittelbar nach
Anpfiff gleich wieder in die unweit der Eckfahnen gelegenen Nassräume
flüchteten; kein Wunder, dachte ich nach Aufwachen, der VfB hatte
schließlich soeben das dritte Spiel in Folge mit 1:2 verloren.
Aber auch in der realen Welt, wie sie am Samstag zur gewohnten Zeit via
Videokonferenz präsentiert wurde, waren Angst und ähnliche Emotionen das
entscheidende Thema. Man sah Männer, die zeterten und sich wehklagend auf
den Boden warfen, nur weil einmal ein Freistoß gegen sie gepfiffen wurde.
Man sah Männer, die wutentbrannt auf andere Männer losgingen, weil sie
soeben des Platzes verwiesen wurden – so besonders der Bremer Santiago
Garcia, der ansonsten eher wie ein sensibler Folksänger aussieht, dessen
Zimmerwände mit den Telefonnummern junger Frauen zugepflastert sind.
Man sah einen Schiedsrichter, der auf den tätlichen Angriff des
durchdrehenden Folksängers Garcia wie ein divenhafter, stolzer Hund
reagierte – ein den Kopf hochreckender, abweisender Afghanischer Windhund.
Man sah, wie Garcia sein Schicksal nicht fassen konnte und noch im
sogenannten Spielertunnel gegen eine Werbetafel trat, was gleichsam eine
überaus dramatische Zuspitzung war. Dabei hatte er zu Recht eine zweite
Gelbe und damit Gelb-Rot gesehen, auch wenn er den Augsburger Spieler gar
nicht getroffen hatte: Auch der Versuch ist bekanntlich strafbar. Wobei die
Wälzübungen des unberührten Augsburgers die Dramatik natürlich noch gehörig
verschärften.
Was noch? Man konnte den Neu-Wolfsburger de Bruyne sehen, der wie Benjamin
Button die Krankheit zu haben scheint, immer nur noch jünger zu werden; man
sah Kevin-Prince Boateng, der laut Aufdruck sich gern als großer Popstar
fühlt und beim nächsten Verein sein Trikot dann wahrscheinlich mit „The
Artist formerly known as“ beflocken lässt – vielleicht wird es sogar wieder
das der Hertha, denn die haben sich ja jetzt reichlich Geld eingekauft.
Und Tafkap Boateng wäre dann auch wieder den Weddinger Gitterkästen näher,
in denen er mit seinem Halbbruder großgeworden war. Seinem eigenen,
privaten Minneapolis, seinem eigenen Paisley Park gewissermaßen. Vielleicht
lässt er sich dann so eine Kickerbox ja auch ganz aus Gold auf seinen
Privatbesitz setzen.
Aber das war noch längst nicht alles: Man sah Rothosen in Sinsheim, in
denen nichts weiter steckte, und hörte Reporter die dräuenden Worte
„Busblockade“ und „Trainerwechsel“ deklamieren; man sah vor allen Dingen
auch, wie groß dieses Gefühl sein kann, dieses Gefühl der Angst.
Eine Angst in Mannschaftsstärke, eine alles lähmende, ein ganzes Umfeld
kontaminierende Angst. Angst, die auf höhere Ebenen hinaufstrahlt und
nichts mehr mit profanen Dingen wie Textilvergehen (TAFKAP Boateng, diverse
Auswärtstrikots, einige unschuldige Verteidiger) oder zu Unrecht gegebenen
Toren, weil Abseits, zu tun hat. Eine Abstiegsangst, größer als eine ganze
Elbphilharmonie. Aber, wie ich noch aus Köln weiß: Aufstiegsfeiern können
auch schön sein.
Womit wir wieder beim Traum sind. Mein Interview mit Schweinsteiger
verkaufte sich jedenfalls wie wahnsinnig und mehrte meinen Ruhm so sehr,
dass man mich sogar zum nächsten Großtermin schickte, was merkwürdigerweise
bereits die nächste Europameisterschaft, also die in Frankreich 2016, war.
Wie die nächsten CL-Finals ausgehen, kann man sich also denken. Die ohne
Angst gewinnen. Die anderen steigen ab.
2 Feb 2014
## AUTOREN
Rene Hamann
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