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# taz.de -- Ein-Euro-Jobs: „Gesellschaftlich relevant“
> Die Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser durch Injobs funktioniert
> nicht, sagt Vadib-Geschäftsführer Uwe Mühlmeyer. Sinnlos sei der zweite
> Arbeitsmarkt aber nicht
Bild: InjobberInnen locken Besucher an: Auch das Geschichtenhaus ist Teil des z…
taz: Herr Mühlmeyer, in den letzten vier Jahren sind die Bundesmittel für
Beschäftigungsmaßnahmen immer weiter gekürzt worden – eine
Bankrotterklärung an den 1-Euro-Job?
Uwe Mühlmeyer: Die Eingliederungsmittel sind in der Tat um ungefähr 42
Prozent gekürzt worden. Aber die Verwendung der Gelder wird angesichts der
Arbeitsmarktlage lokal festgelegt, auch in Bremen. Und hier gibt es
hauptsächlich Aktivierungsförderung, Qualifizierungsmaßnahmen und
Beschäftigungsförderung – und letztere ist von 30 Millionen auf jetzt zehn
Millionen Euro runtergegangen, weil die schwarzgelbe Regierung gesagt hat:
Sie hat nicht das Ergebnis gebracht, das wir uns vorgestellt haben. Und das
kann ich nur bestätigen.
Was heißt das für Bremen, in Zahlen?
Es gibt die allgemeinen Statistiken, aber die sind stark gebrochen, denn
wenn jemand nach einer Beschäftigungsmaßnahme nur einen Monat in einem
regulären Job arbeitet, gilt er schon als erfolgreich vermittelt. Die
Eingliederungsquote lag beim Beschäftigungsträger Bras 2012 zum Beispiel
offiziell bei 19 Prozent, aber diese Quoten sind überhaupt nicht
transparent, weil sie nicht erfassen, wie nachhaltig Eingliederungserfolge
sind.
Macht diese schlechte Bilanz die Beschäftigungsträger nicht überflüssig?
Wir sehen unsere Aufgabe weniger arbeitsmarktpolitisch als vielmehr sozial
und gesellschaftlich relevant. Eine sinnvolle Beschäftigung hat etwas mit
Menschenwürde zu tun und hilft nachweislich gegen depressive Erkrankungen –
aber die Arbeit sollte auch wirklich sinnvoll sein.
Aber Menschenwürde hat doch auch etwas mit Freiwilligkeit zu tun – und bei
der Vermittlung in einen 1-Euro-Job handelt es sich um eine Zwangsmaßnahme
des Jobcenters ...
Das ist richtig. Aber wenn jemand zu uns kommt, der nicht bei uns arbeiten
will, muss er das auch nicht. Die Beschäftigungsträger treten dann in
Kontakt mit dem Jobcenter, und die befürchteten Sanktionen treten dann auch
nicht ein. Es gibt ganz bestimmt noch mehr Aspekte, die hinsichtlich des
Jobcenters diskutiert werden müssen. Aber wir müssen jetzt erst einmal mit
der Situation umgehen, wie sie ist.
Viele Tätigkeiten, die früher von den Kommunen bezahlt wurden wie zum
Beispiel die Reinigung von öffentlichen Grünflächen, sind mittlerweile im
zweiten, angeblich zusätzlichen Arbeitsmarkt angesiedelt. Sollten solche
Stellen nicht regulär bezahlt werden?
Klar, aber auch hier kann ich nur mit den Gegebenheiten umgehen, wie sie
sind.
Zusätzlich, wettbewerbsneutral und im öffentlichen Interesse soll eine
Einrichtung arbeiten, die Injobber beschäftigt. Das ist keine neue Auflage,
soll aber in Bremen ab sofort streng eingehalten werden. Was halten Sie
davon?
Die Vorgabe an sich ist sicher erst einmal in Ordnung, aber die
Interpretation des Jobcenters Bremen nicht. Abgesehen davon, dass eine
soziale Stigmatisierung vorgenommen wird, wenn nur noch Menschen mit
Bedürftigkeitsnachweis Kunden sein dürfen, ist das Vorgehen des Jobcenters
für die Beschäftigungsträger völlig intransparent.
Haben Sie da ein Beispiel?
Manche Projekte wie Malerarbeiten in Schulen werden genehmigt, weil Schüler
in die Arbeit einbezogen werden – sobald das so ist, scheint die Arbeit
wettbewerbsneutral ausgeführt zu werden. Andere Projekte, die ähnlich
funktionieren, werden wiederum abgelehnt, und keiner versteht, warum. Es
wäre alles leichter, wenn jemand mal klar und gültig definieren könnte, was
wettbewerbsneutral bedeutet.
Und wer sollte das definieren?
In Hannover holt sich das Jobcenter Unbedenklichkeitsbescheinigungen von
Arbeitgeberverbänden ein, das ist eine gute Möglichkeit. Aber aktuell hat
sich in Bremen keine Kammer oder ein Verband darüber beschwert, dass
Einrichtungen von Beschäftigungsträgern den Wettbewerb verzerren; sie
scheinen also gar kein Problem zu haben.
Das Jobcenter aber offensichtlich schon ...
Wir schlagen dem Jobcenter vor, eine Geringfügigkeitsgrenze zu ziehen: Wenn
also zum Beispiel eine Injobberin in einem Stadtteilcafé weniger als fünf
Prozent des Umsatzes erwirtschaftet wie eine reguläre Servicekraft, dann
sollte das doch wettbewerbsneutral genug sein. Die Umsatzzahlen unserer
Projekte müssen wir ohnehin vorlegen – daraus ließe sich das sehr schnell
ermitteln.
6 Feb 2014
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Langzeitarbeitslose
Ein-Euro-Jobber
Jobcenter
DGB
Arbeitslosigkeit
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