| # taz.de -- Gott in die Verfassung?: Kieler Politik bald mit neuem Chef | |
| > Der schleswig-holsteinische Landtag diskutiert, ob ein Gottesbezug in die | |
| > Verfassung aufgenommen werden soll. Humanisten finden, das widerspreche | |
| > dem Demokratieprinzip. | |
| Bild: "Von Anfang an den Gottesbezug befürwortet": Schleswig-Holsteins Landtag… | |
| HAMBURG taz | Die schleswig-holsteinische Landesverfassung könnte in | |
| Zukunft einen Hinweis auf Gott enthalten. Im Sonderausschuss des Landtages | |
| zur Verfassungsreform wird diskutiert, ob die Präambel, die der Verfassung | |
| voran gestellt werden soll, mit einem Gottesbezug versehen wird. Dafür sind | |
| die CDU, die Kirchen und der muslimische Schura-Verband. In der SPD, der | |
| die Schlüsselrolle zukommt, sind die Meinungen unterschiedlich. Die | |
| Humanistische Union hält einen Gottesbezug derweil für „zutiefst | |
| undemokratisch, weil Gott nicht verhandelbar ist“. | |
| Im Zuge der Verfassungsreform sollen Themen wie die digitale Welt und | |
| andere Beteiligungsformen aufgenommen werden, sagt Landtagspräsident Klaus | |
| Schlie. Auch sei die Wechselwirkung zwischen der Landes- und der | |
| europäischen Politik größer geworden. Nach 20 Jahren sei es an der Zeit, | |
| die Landesverfassung zu überarbeiten. „Die Gesellschaft und die politische | |
| Wirklichkeit haben sich seitdem gewandelt“, sagt der CDU-Politiker. | |
| Wie die Idee aufkam, Gott in die Verfassung aufzunehmen, obwohl die | |
| Mitgliederzahl der Kirchen seit Jahrzehnten sinkt, ist unklar. „Inzwischen | |
| finden sich sehr viele zusammen, die meinen, es sei sinnvoll in diesem | |
| Punkt nachzubessern“, sagt Gundula Raupach vom „Arbeitskreis SPD und | |
| Kirche“. Schlies Sprecher Tobias Rischer vermutet, das liege nahe, wenn man | |
| sich Gedanken über eine Präambel mache. Eine solche gibt es in | |
| Schleswig-Holstein bislang nicht – im Gegensatz zu den anderen | |
| Bundesländern mit Ausnahme des Saarlands. | |
| Allerdings verweist nicht jede dieser Länder-Präambeln auch auf Gott. „Ich | |
| persönlich habe von Anfang an den Gottesbezug befürwortet“, sagt Schlie, | |
| der dem Sonderausschuss vorsitzt. Als überzeugter Christ sei er der | |
| Auffassung, dass sich bei staatlichem Handeln ein Hinweise auf die | |
| Verantwortung vor Gott finden sollte. Bei der Formulierung haben CDU und | |
| Vertreter der beiden großen Kirchen vorgeschlagen, sich am Grundgesetz zu | |
| orientieren. Dort heißt es: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott | |
| und den Menschen“. | |
| Mit so einer neutralen Formulierung könnte auch die islamische | |
| Religionsgemeinschaft (Schura) leben, die den Gottesbezug befürwortet. „Es | |
| gibt nur einen Gott“, sagt ihr Vorsitzender Fatih Mutlu. Und an den | |
| glaubten bis zu 80 Prozent der Menschen im Land. | |
| Der doppelte Bezug sollte eine solche Formulierung auch für Atheisten | |
| akzeptabel machen, findet die SPD-Politikerin Raupach. Die Werte und Normen | |
| der Verfassung würden dadurch in einen tieferen Zusammenhang gestellt. Die | |
| Präambel mache deutlich, dass hier Menschen nicht aus eigener | |
| Machtvollkommenheit handelten. | |
| Rainer Ponitka vom Internationalen Bund der Atheisten und Konfessionslosen | |
| sieht das anders: „Die Werte, nach denen wir leben, sind die | |
| Menschenrechte, die gegen die Kirchen erstritten wurden“, sagt er. | |
| Natürlich sei die Gesellschaft historisch durch die Kirchen geprägt worden. | |
| Doch angesichts schwindender Mitgliederzahlen sei es an der Zeit, diese | |
| Prägung zu überwinden. | |
| Raupachs Argument mit dem doppelten Bezug auf Gott und die Menschen hält | |
| Ponitka nicht für schlüssig. „Dann müsste man gegebenenfalls auch sagen: | |
| ’vor dem Spaghettimonster und den Menschen‘“, findet er. Bürgern, die mit | |
| Religion nichts am Hut hätten, sei eine Verfassung mit Gottesbezug nicht | |
| zuzumuten. | |
| Kirsten Wiese von der Humanistischen Union in Bremen hat | |
| demokratietheoretische Bedenken gegen einen Gottesbezug. „Wenn das mit | |
| Leben gefüllt werden soll, muss die Verfassung ja auch unter Bezug auf Gott | |
| ausgelegt werden.“ Über den angeblichen Willen Gottes könnten jedoch keine | |
| Mehrheitsbeschlüsse gefasst werden. | |
| Natürlich enthalte auch das Grundgesetz einen solchen Verweis, räumt Wiese | |
| ein. Dieser erkläre sich aus der historischen Situation, in der das | |
| Grundgesetz entstanden sei. Mittlerweile werde diesem Gottesbezug bei der | |
| Auslegung der Verfassung kaum noch Wert zugemessen. | |
| Unter den Parteien in Schleswig-Holstein haben sich die FDP und die Piraten | |
| gegen einen Gottesbezug ausgesprochen. „Am Anfang einer Verfassung sollte | |
| auf keinen Fall eine Formulierung stehen, die nicht von allen getragen | |
| wird“, findet der Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer. Die SPD hat keine | |
| einheitliche Meinung. Im Gegensatz zum Arbeitskreis Kirche finden die | |
| Jusos, es wäre ein Armutszeugnis, wenn sich eine Zweidrittelmehrheit für | |
| einen Gottesbezug fände. „Statt über mehr Religion in der Politik | |
| nachzudenken, sollte man lieber konsequent damit beginnen, kirchliche | |
| Privilegien abzubauen“, fordern sie. | |
| Auch die Grünen sind bei der Frage gespalten. Der SSW lehnt einen | |
| Gottesbezug nach Angaben seines Sprechers Lars Dittrich eigentlich ab. „Wir | |
| können darüber reden“, sagt er mit Blick auf die Klausurtagung des | |
| Sonderausschusses im März, „dann muss die CDU aber schon verdammt gute | |
| Argumente haben.“ | |
| 12 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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