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# taz.de -- Maffay über Rumänen und Rechtsradikale: „Es macht keinen Spaß,…
> Über den NSU-Prozess wird zu wenig berichtet, sagt Peter Maffay. Er
> spricht außerdem über „Armutsmigration“ und seine späte Rückkehr nach
> Rumänien.
Bild: Der erfolgreichste Deutschrocker: Peter Maffay.
taz: Herr Maffay, wie fanden Sie die Debatte über „Armutsmigration“, die
mit der EU-Freizügigkeit für Rumänien und Bulgarien zum Jahreswechsel
aufkam?
Peter Maffay: Diskriminierend. Und auch nicht richtig. Es kommen Leute aus
Rumänien, aus Osteuropa zu uns, die studiert haben und fachlich ausgebildet
sind. Über solche Menschen sollten wir froh sein, weil sie zusätzliche
Kompetenzen in unsere Wirtschaft mitbringen. Es ist ja nicht so, dass
jeder, der aus diesen Ländern kommt, bloß unter den sozialen Schirm will,
den unsere Gesellschaft in bemerkenswerter Form geschaffen hat.
Was halten Sie von dem Slogan: „Wer betrügt, der fliegt“.
Der Satz ist in diesem Zusammenhang unnötig, ja zynisch. Und diesen
Zynismus brauchen wir nicht. Damit fischt man nach irgendwelchem Beifall
aus der falschen Ecke. Aber wir haben bei weitem schon genug
Rechtsradikalismus und brauchen nicht zusätzlichen Zündstoff.
Sie engagieren sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus. Warum?
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vernichtung der Juden sollten eigentlich
alle Gesellschaften dieser Welt kapiert haben, dass sich so etwas niemals
wiederholen darf. Trotzdem entwickelt sich in Teilen der Welt ein neuer
Rechtsradikalismus – nicht nur bei uns, sondern auch in Italien, in
Frankreich, in Rumänien und Ungarn. Ich versuche, für mich persönlich eine
Antwort auf diese Entwicklung zu finden.
Nachdem die Mordserie der NSU-Terroristen aufgeflogen war, sind Sie 2011
beim „Rock gegen Rechts“-Konzert in Jena aufgetreten, und Sie werden zum
Jahrestag des Nagelbombenanschlags in Köln spielen. Wie intensiv verfolgen
Sie den Prozess in München?
Ich verfolge das, so gut ich kann. Aber die Art und Weise, wie dieser
Prozess abläuft, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe den Verdacht,
dass es da irgendwo Sympathisanten geben muss. Es gibt ja mittlerweile
genügend Belege von „Inkompetenz“ und „Missverständnissen“, bis in ho…
gesellschaftliche Positionen hinein. Ich habe das Gefühl, dass das
versanden soll. Und unsere Gesellschaft reagiert viel zu träge darauf.
Wie sollte sie denn reagieren?
Ich finde, dass es wenig Themen gibt, die eine solche Brisanz haben wie
dieser Prozess. Trotzdem findet er in der Öffentlichkeit ein
verhältnismäßig geringes Echo. Wenn ich die Zeitung aufschlage, finde ich
irgendwo auf irgendeiner Seite versteckt etwas darüber. Dabei ist das eine
permanente Schlagzeile.
Sie haben in der Vergangenheit mit den deutsch-türkischen Rappern von
Cartel und sogar mit Bushido zusammengearbeitet. Fühlen Sie sich den jungen
Migranten von heute besonders verbunden?
Ich habe in meinem Freundeskreis viele Freunde, die Migranten sind. Ich
selbst bin, wenn ich in Spanien bin, ein Ausländer. Als ich mit meinen
Eltern 1963 aus Rumänien nach Deutschland kam, waren wir Ausländer. Also,
wir sind doch alle irgendwo auf der Welt immer in irgendeiner Form
Ausländer. Diesen Blickwinkel sollten wir zumindest manchmal einnehmen,
weil er unsere Position relativiert.
Sie sind mit 14 aus Rumänien nach Deutschland gekommen. Sind Sie damals
auch aufgrund Ihrer Herkunft ausgegrenzt worden?
Klar, es gab Gesten, Blicke und Bemerkungen, die zeigen sollten: du gehörst
nicht dazu. Und es gab das Schimpfwort „Rucksackdeutscher“. Aber diese
offen ausgesprochene Feindschaft, die es heute gibt und die bis zum Hass
reicht, die habe ich selbst nie erlebt.
Hat Ihr rollendes „r“ am Anfang Ihrer Karriere für Kommentare gesorgt?
Natürlich! Ich habe das in etlichen Kritiken gelesen – von Leuten, die
eigentlich mehr in der Birne mehr haben sollten. Die haben dann
geschrieben: Was soll das, warum spricht der das r so komisch, kann man das
denn nicht anders singen? So einen Blödsinn halt. Gehen sie doch mal nach
Spanien, da rollen sie r ohne Ende, oder nach Bayern. Das ist doch dummes
Zeug.
War das nicht symptomatisch für den Geist der damaligen Zeit?
Ich weiß nicht. Als ich als Jugendlicher nach Deutschland kam, hatte ich
den Eindruck, dass unsere Gesellschaft offen ist und dass sie so kurz nach
dem Krieg die alten Fehler nicht wiederholen wollte. Möglicherweise aber
habe ich das damals auch nicht gut genug durchblickt. Heute wissen wir,
dass es vielleicht nur die „Ruhe vor dem Sturm“ war – dass diese Haltung …
Teilen der Gesellschaft immer noch da war, aber bloß nicht so deutlich zum
Ausdruck gebracht wurde. Ich glaube aber auch, dass sich die Situation im
Laufe der Zeit verschärft hat. Diese Form von Härte, die heute auf der
Straße herrscht, die gab es früher jedenfalls noch nicht.
Hatten Sie zu Beginn Ihrer Karriere nicht auch einen Exotenbonus? So nach
dem Motto: der ungezähmte Junge aus dem wilden Osten?
Glauben Sie mir, darauf hätte ich keinen Wert gelegt. Es macht keinen Spaß,
ein Exot zu sein. Ich habe übrigens mal mit ein paar Leuten, die in der
Lage sind, in Archiven zu stöbern, zum Spaß ein bisschen Ahnenforschung
betrieben. Da haben wir festgestellt, dass meine Familie mütterlicherseits
aus dem Saarland kommt. Daran sieht man doch, wie relativ Herkunft ist.
Sie sind vor sieben Jahren das erste Mal seit Ihrer Auswanderung wieder
nach Rumänien gereist. War das eine Art Rückkehr?
Ja, das hat mich selbst überrascht. Deutschland ist eindeutig meine Heimat,
ich war ja über 30 Jahre nicht mehr in Rumänien. Ich hatte deshalb gedacht,
irgendwann sei das Thema abgehakt, aber das war ein Trugschluss. Wenn ich
durch Kronstadt gehe, tauchen in jeder Gasse oder hinter etlichen Häusern
Bilder und Erinnerungen auf an Sachen, die ich erlebt habe. Ich sehe meine
Schule, mein Geburtshaus und viele kleine Geschichten, die sich darum
ranken. Dort jetzt mit Freunden und Partnern tätig zu sein, das hat eine
sentimentale Komponente, keine Frage. Aber ich möchte damit auch einen
kleinen Beitrag leisten zu einer Balance, an der es in Europa noch mangelt.
Unser Ansatz ist, dort zu helfen, wo die Probleme existieren.
Sie haben in dem Dorf Radeln ein Kinderheim gegründet. Was genau muss man
sich darunter vorstellen?
Radeln ist in ein altes Dorf in Siebenbürgen, aus dem die deutsche
Bevölkerung fast vollständig ausgewandert ist. An ihre Stelle sind neue
Bewohner gerückt, darunter viele Roma. Wir haben dort unter anderem in der
Nähe einer historischen Kirchenburg ein altes Pfarrhaus gekauft und einen
Öko-Bauernhof, ein Ärztehaus und eine Autowerkstatt eingerichtet. Unsere
Stiftung betreibt bereits zwei solcher Projekte: eines in Deutschland und
eines auf Mallorca. Die Einrichtung in Rumänien ist 2008 als letzte
hinzugekommen.
Wem stehen Ihre Häuser offen?
Das sind Kinder, die aus sehr ärmlichen Verhältnissen kommen oder in Heimen
leben und die oft durch Gewalt oder Missbrauch traumatisiert sind. Sie
können bei uns ihre Ferien verbringen. Kinder brauchen solche Oasen – viele
von ihnen haben ja noch nie in solchen Häusern, in solch einer Umgebung
gelebt. Ich bin froh, dass wir rund tausend Kindern pro Jahr diese
Möglichkeit bieten können.
Wird die Musik damit nicht zur Nebensache?
Zwei Drittel meiner Zeit geht für die Stiftung drauf. Die Musik muss sich
da unterordnen, da haben Sie schon recht. Unsere Stiftung existiert seit
zwölf Jahren. Wenn sie in dieser Form in zehn oder zwanzig Jahren noch
erfolgreich weitermachen soll, müssen wir entsprechende Strukturen und eine
wirtschaftliche Perspektive haben.
Sie werden dieses Jahr 65 Jahre alt. Sie könnten es doch auch gemütlicher
angehen lassen und auf Ihrer Harley herumfahren.
Ich finde Motorradfahren obergeil. Aber das würde mir trotzdem nach kurzer
Zeit ziemlich langweilig werden. Das mache ich ein paar Stunden oder ein
paar Tage, und dann ist auch gut. Das ist mein Hobby, so wie andere
Briefmarken sammeln. Aber wenn man die Kinder erlebt, die bei uns ihre Zeit
verbringen – das hat schon eine andere Qualität. Das wird auch die nächsten
Jahre mein Fokus bleiben.
18 Feb 2014
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Deutschrock
Musik
Rumänien
Zuwanderung
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