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# taz.de -- Vor dem Pistorius-Prozess: Zum Abschuss freigegeben
> Ab Montag steht Ex-Starläufer Oscar Pistorius vor Gericht, weil er seine
> Freundin erschossen hat. Südafrika hat sein einstiges Idol verstoßen.
Bild: Die Bewunderung für Paralympicsstar Oscar Pistorius ist in Verachtung um…
JOHANNESBURG taz | Es geht los: Das Schicksal des einstigen Sportstars
Oscar Pistorius wird ab Montag im Gericht in Pretoria bestimmt. Alle
Südafrikaner können den dreiwöchigen Schauprozess live im Fernsehen
verfolgen: Zwei lokale TV-Stationen hatten einen Antrag gestellt, ein
Oscar-Sender ist ins Leben gerufen worden, der jedes Detail des Mordfalles
in jener Nacht vor einem Jahr wieder aufleben lassen wird. Das Gericht
hatte weitgehend zugestimmt – zur Begeisterung des Publikums. Das große
öffentliche Interesse an dem Prozess soll nicht enttäuscht werden.
Die Frage ist: Geht Oscar Pistorius lebenslang hinter Gitter für den Mord
an seiner ehemaligen Freundin Reeva Steenkamp am Valentinstag 2013? Oder
erhält er eine geringere Strafe?
Die Hysterie um den Prozess hat längst begonnen. Die Stimmung in Südafrika
ist in den letzten Tagen wieder aufgeheizt worden. Dabei hatte zuvor kaum
mehr wirklich jemand an „Oscar“ – so wird er in Südafrika genannt –
gedacht. Noch vor einem Jahr waren die Debatten endlos, ob das einst
verehrte Idol vorsätzlich auf seine Freundin schoss oder – wie er behauptet
– aus Versehen. Aber die Emotionen waren abgekühlt.
Bis das Medienspektakel vor einem Monat von Neuem begann – und jedes Detail
der Tragödie täglich aufbereitet, jede Spekulation aufgegriffen wurde und
ein neuer Sturm durch die sozialen Medienplattformen zog. Südafrikaner
aller Hautfarben lassen ihren Gefühlen wieder freien Lauf und die meisten
sind der Meinung: Oscar hat jemanden umgebracht – er soll im Gefängnis
verrotten. Der Blumenhändler an der Ecke würde kurzen Prozess machen, die
Verkäuferin im Laden schüttelt nur den Kopf: Ach, so eine Schande, er hat
alles verdorben.
Oscars Fans sind wenige geworden: ein paar mitfühlende Menschen, die gar
nicht fassen können, dass ein solch gefeierter Held all das zerstört, was
für viele in Südafrika unerreichbar ist: Geld, Ruhm, Erfolg.
Pistorius’ PR-Maschine – er hat eine komplette Agentur im Rücken – versu…
gegenzusteuern und hat seine persönliche Twitteradresse zu einer neuen
umgeleitet: Der Account [1][@OscarHardTruth] soll „die Wahrheit über den
Prozess hinaus“ erzählen, so wird es im eigenen Profil dargestellt.
Familienmitglieder werden dort ihre Sicht tweeten, um den „unfairen“
Berichten der Journaille etwas entgegenzusetzen, vom früheren Image zu
retten, was noch zu retten ist.
## „Schnellster Mann ohne Beine“
Oscar und Reeva galten als das Traumpaar Südafrikas. Er war ein Held, ein
Idol für Schwarze und Weiße. Der Mordverdacht war eine bittere Enttäuschung
für seine Fans. Pistorius ist der wohl bekannteste Paralympics-Teilnehmer
der Geschichte. Der Prothesenläufer – ihm fehlen beide Unterschenkel – hat
sechs paralympische Goldmedaillen gewonnen und zahlreiche Weltrekorde
aufgestellt. Anschließend nahm er als erster behinderter Sportler an
regulären Olympischen Spielen teil. Seine persönlichen Hürden hat Pistorius
immer mit Ausdauer, Härte und Ehrgeiz gemeistert.
Der oft als „schnellster Mann ohne Beine“ beschriebene junge Mann hatte
alles und alle auf seiner Seite: Wenn der durchtrainierte Oscar mit der
schönen Reeva die roten Teppiche der Glitzerwelt betrat, jubelte ganz
Südafrika. Auch Reeva, Model, Moderatorin und angehende Anwältin, hatte
viele Fans.
Doch in der Nacht ihres Todes kam es bei dem Vorzeigepaar offenbar zu einem
heftigen Streit. Nachbarn wollen laute Wortwechsel gehört haben. Ein Jahr
hatten die Ermittler Zeit, mehr Beweismaterial sicherzustellen. Pistorius’
Handygespräche sind wohl immer noch nicht voll entschlüsselt: Er konnte
nicht helfen, er sagte damals, er habe die PIN vergessen.
In den frühen Morgenstunden des 14. Februar 2013 gab Pistorius durch die
verschlossene Badezimmertür vier Schüsse auf seine Freundin ab. Der
„Darling der Sportwelt“ war zum Todesschützen geworden. Er selbst rief die
Polizei und behauptet bis heute, er habe seine Freundin für einen
Einbrecher gehalten.
Im Gerichtsprozess vor einem Jahr sah die Welt einen zitternden, weinenden
Pistorius, der an dem tragischen Geschehen jener Nacht in seiner luxuriösen
Residenz in Pretoria fast zu verzweifeln schien. Acht Tage nach der Tat
wurde der heute 27-Jährige gegen eine Kaution von einer Million Rand (etwa
85.000 Euro) freigelassen.
## Pornoseiten als Tatmotiv
Was war sein Motiv? Die Beweiskette wird sich im Prozess wieder wie in
einem Krimi verdichten, alle Einzelheiten werden bis zur letzten Intimität
ausgeleuchtet. Angeblich surfte Pistorius vor der Tat auf Pornoseiten –
interessiert normalerweise niemanden, aber wird nun zum Teil eines
Tatmotivs in mancher Debatte.
Immer mehr Reporter aus aller Welt machen sich gerade auf den Weg nach
Pretoria, um den Prozess in der Hauptstadt zu begleiten. Erst kürzlich
sahen die Südafrikaner einen ähnlichen Medienrummel, als ihr geliebter Held
Nelson Mandela Anfang Dezember starb. Jetzt rüstet sich erneut eine ganze
Branche, um über die Trauer, das Leid und die harten Fakten der Umstände zu
berichten, die dazu führten, dass Reeva Steenkampf im Alter von 29 Jahren
sterben musste.
Genau ein Jahr nach dem Drama hat der südafrikanische Paralympicsstar am
vergangenen Valentinstag [2][auf seiner Webseite] den gewaltsamen Tod
seiner Freundin als „entsetzliches Unglück“ bezeichnet. Der Sportler ließ
sich bisher öffentlich von seinem Onkel Arnold vertreten. Nun brach er sein
Schweigen.
## Worte zum Todestag
„Der Schmerz und die Traurigkeit, insbesondere für die Eltern, Familie und
Freunde von Reeva, erfüllen mich mit tiefer Trauer“, schreibt Pistorius zum
Todestag des Models. Den Verlust Steenkamps und die traumatischen
Ereignisse dieses Tages werde er sein Leben lang mit sich tragen: „Worte
können meine Gefühle über das entsetzliche Unglück nicht angemessen
wiedergeben. Es brachte so viel seelisches Leid für alle, die Reeva
wirklich liebten – und sie weiter lieben.“
Im Prozess geht es weniger um Reeva, mehr um die eine Frage: Lügt ihr
ehemaliger Freund? Die Staatsanwaltschaft wirft dem Sportidol Vorsatz vor
und damit Mord. Von Vorteil könnte für Pistorius sein, dass die Polizei bei
den ersten Untersuchungen des Tatorts schlampig gearbeitet hat. Polizisten
hatten ohne Plastikschutz für ihre Schuhe das Haus betreten, der
Chefermittler legte wegen Verstrickungen seinen Job nieder. Doch die
Staatsanwaltschaft tritt sehr siegessicher auf. Wird sie Pistorius des
Mordes überführen können?
Und während sich die Medien für den Showdown präparieren,
TV-Übertragungswagen um die begehrten Plätze vor Gericht kämpfen, hat sich
auch Pistorius auf den Gerichtsfall vorbereitet: Noch im vergangenen Jahr
hatte er den früheren Chefredakteur des britischen Boulevardblatts The Sun,
Stuart Higgins, angeheuert. Der ist bekannt für seine Talente im
Krisenmanagement und hat bereits einige Stars der Sportwelt vertreten. Doch
die Paparazzi werden Jagd auf Oscar machen, um ein Foto von seinem Gesicht
im Polizeiwagen zu ergattern.
## Realität wiederholt
Für die Mutter von Reeva Steenkamp wird dieser Prozess eine Wiederholung
der brutalen Realität. June Steenkamp hofft auf Schließung eines düsteren
Kapitels, glaubt aber nicht so recht daran: „Ich werde dort sein, für uns
und für Reeva. Aber das wird mein Baby nicht wiederbringen“, sagt sie. „Es
wird nie einfacher, eigentlich nur schwieriger.“
Am Valentinstag vor zwei Wochen saß die Familie zusammen, um Reevas Tod zu
gedenken. Luftballons in ihren Lieblingsfarben Rot und Weiß sollten
aufsteigen. Auf Anzeigenseiten in der Cape Times zollten Familienmitglieder
ihrem „Engel im Himmel“ Tribut.
Für Oscar Pistorius, dessen gefeierte Karriere als „Blade Runner“ seit der
Todesnacht Geschichte ist, beginnt unterdessen am Montag ein neuer Alptraum
vor Gericht.
3 Mar 2014
## LINKS
[1] http://twitter.com/OscarHardTruth
[2] http://oscarpistorius.com/
## AUTOREN
Martina Schwikowski
## TAGS
Tod
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Schwerpunkt Paralympics 2024
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