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# taz.de -- Kommentar Referendum auf der Krim: Putins kleiner Feldzug
> Der russische Präsident annektiert fremde Länder, um seine eigene Macht
> zu festigen. Er weiß, wie er in der Bevölkerung punkten kann.
Bild: In der Bucht von Sewastopol ist die russische Flagge schon gehisst
Der Sieg war vorprogrammiert. Wer hätte an der Entscheidung der Halbinsel,
sich Russland anzuschließen, noch zweifeln wollen? Wäre kein Triumph zu
erwarten gewesen, hätte Präsident Wladimir Putin seine Truppen wohl gar
nicht erst geschickt.
Der Kremlchef spürt, was ihm Punkte bringt und wie er die Landsleute bei
Laune hält. Auf der Krim gilt der russische Herrscher als Befreier. Und
auch im russischen Mutterland wird er gefeiert: als verwegener Recke und
Heerführer, der sich holt, was er sein eigen dünkt – egal ob er damit
Rechte verletzt oder den Nachbarn prellt und entrechtet. Noch immer gilt in
Russland das Recht des Stärkeren. Wladimir Putin ist dessen archaischer
Exekutor, der sich auf den Mob und die ehemalige Unterwelt als Hilfstruppen
stützt.
Das Volk nimmt Putin dennoch zum Vorbild. Verachtung des Rechts lebt der
Kremlchef vor. Die Behinderung der russischen Zivilgesellschaft gebar schon
früh den Typ des russischen Untertans, der Staat und Bürokratie mit
höchstem Misstrauen begegnet und es nie zum Bürger brachte. Vielmehr
empfindet er gegenüber den Machthabern nur Ohnmacht und Machtlosigkeit bis
auf den heutigen Tag. Auch das spürt Putin, der von ganz unten kam und der
ahnt, was ihm droht, wenn er das Volk nicht unterhält.
Die Geografie, die Weite des Landes, der riesige Raum sind das einzige,
womit der Mensch sich identifiziert, worauf er stolz ist und worüber er
seine Ohnmacht vorübergehend vergessen kann. Das geographische Faktum ist
zwar das Wesenselement der politischen Größe Russland, meinte der Publizist
Pjotr Tschaadajew schon vor 200 Jahren, aber auch die wahre Ursache seiner
geistigen Ohnmacht.
Putin wusste: Ein kleiner Feldzug und Landgewinn lassen die
Zustimmungsquote wieder in die Höhe schnellen. Der Mechanismus funktioniert
wie auf Knopfdruck. Putin ist wieder oben auf. Denn die Ohnmacht der
entrechteten Menschen wird durch die Konstruktion des Imperiums aufgehoben,
das das Volk zu einem Kollektivkörper macht, in dem der Einzelne aufgeht.
Daher ist in Russland die Großmachtideologie jederzeit abruf- und
einsetzbar. In der Begeisterung haben die Russen die Sprache verloren, die
sie auf der Krim eigentlich verteidigen wollten. Wie hypnotisiert sagen sie
alle das Gleiche. Auf das Gleiche wird auch Wladimir Putin verfallen, wenn
die Zuneigung des Volkes wieder schwindet. Schließlich annektiert er fremde
Länder, um selbst den Kreml nicht verlassen zu müssen.
16 Mar 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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