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# taz.de -- Moataz Salhanis Hackentreffer: Das Traumtor aus dem Lager
> Ein Hackentreffer in der jordanischen Liga begeistert Fans in aller Welt.
> Das Tor ist nicht nur schön, es besitzt auch eine politische Dimension.
Bild: „Erst zu Hause sah ich, wie schön das Tor war“: Motaz Salhani
Moataz Salhani ist ein weltberühmter Fußballer. Aber nicht sein Name, nicht
sein Gesicht und auch nicht sein Verein Al-Wehdat SC sorgen für die
Prominenz, sondern nichts anderes als der hintere Teil seines Fußes. Aus
etwa 35 Metern Entfernung und aus vollem Lauf versenkte Salhani jüngst den
Ball mit der Hacke und volley im gegnerischen Tor.
Es sei keine Absicht gewesen, „ich wollte den Ball nur mitnehmen, um dann
zu schießen“, erzählte der 28-jährige Salhani später jordanischen
Journalisten. Was er da angestellt hat, wird ihm erst langsam klar. „Als
das Spiel vorbei war, sagten mir meine Kollegen, dass es ein schönes Tor
war. Erst zu Hause sah ich, wie schön es war.“
Nicht nur Salhani fand das, über zwei Millionen Klicks auf YouTube machen
das Tor weltberühmt. Doch erstaunlicherweise kaum den Schützen. „Manche
Fans forderten, dass Salhani in die Nationalmannschaft berufen wird“,
erzählt Ahmad Eid, Fan eines anderen jordanischen Clubs, Al Faisali, „doch
die wissen gar nicht, dass er Syrer ist.“
Vor ein paar Monaten kam Salhani für 25.000 Euro vom Ligakonkurrenten That
Ras zu Al-Wehdat. That Ras, kein Spitzenklub, aber 2013 immerhin
Pokalsieger, war seine erste Station in Jordanien, vorher kickte er in
Syrien bei Al-Wahda aus seiner Geburtsstadt Damaskus.
## Im Amman New Camp beheimatet
Salhanis sensationelles Hackentor vom 15. März war der goldene Treffer zum
1:0-Erfolg gegen Al-Ramtha. „Das Tor war nicht nur schön, sondern auch
wertvoll, weil wir es geschafft haben, mit Ramtha den besten Club in dieser
Saison zu schlagen“, sagt Zeyad Shilbaya, der Sportdirektor von Al-Wehdat.
Al-Wehdat SC ist der Club der palästinensischen Community in Jordanien. Er
ist im Amman New Camp beheimatet, arabisch Al-Wehdat genannt. 1955 wurde es
außerhalb von Amman gegründet, mittlerweile ist es Teil der jordanischen
Hauptstadt, weshalb auch der – von den Bewohnern oft gewählte – Begriff des
Flüchtlingslagers umstritten ist. 13 Schulen gibt es mittlerweile hier, und
schon im Jahr 1956 richtete die UNRWA, die United Nations Relief and Works
Agency, die das Lager aufgebaut hatte, auch Fußballplätze und Mannschaften
ein. Wenn Al-Wehdat spielt, geht es immer um die Konkurrenz von Westbank
und Eastbank, um das palästinensische und das alte Jordanien.
Im Jahr 1975 entschieden sich die Teams der Flüchtlingscamps, am
jordanischen Spielbetrieb teilzunehmen. „Die Situation wurde brenzlig, als
Al-Wehdat 1980 die Meisterschaft gewann, indem es Al-Ramtha schlug. Das
bedeutete einen Auftrieb für die palästinensischen Jordanier, besonders die
im Wehdat-Camp“, schreibt Joseph A. Massad, ein palästinensischer
Historiker, der an der New Yorker Columbia University lehrt. Als 2010
Al-Wehdat gegen Al-Faisaly durch einen Treffer kurz vor Schluss gewann,
warfen Faisaly-Fans Steine und fliehende Wehdat-Fans wurden von der Polizei
angegangen, 250 wurden zum Teil schwer verletzt.
## Königliche Familie geschmäht
Die gegnerischen Mannschaften – Al-Faisaly und Al-Ramtha – repräsentieren
beide das alte Jordanien. Joseph A. Massad meint, es sei „ein Akt der
nationalen Loyalität“, welchen Klub man unterstütze. Hier zeige sich, ob
man sich als Palästinenser oder Jordanier verstehe. Tatsächlich wird im
Fußballstadion die königliche Familie geschmäht und auch der Ruf „kuss ukht
al-hukume“ ist zu hören: Fick die Regierung! Der Fußball-Klub Al-Wehdat,
behauptet der italienische Soziologe Luigi Achilli, der anderthalb Jahre
lang Feldforschung im Lager Al-Wehdat betrieb, sei mittlerweile das „Symbol
des palästinensischen Nationalismus in Jordanien“, ein wichtigeres gebe es
nicht.
Das Hackentor von Moataz Salhani ist also nicht nur schön, sondern auch
politisch bedeutsam. Salhani selbst beklagt, dass die internationale
Aufmerksamkeit nicht dem arabischen Fußball gilt: „Es gibt wirklich gute
Spieler in der Region, aber niemand in den europäischen Medien weiß das.“
Ähnlich schimpft Mahmoud Khalilah, ein jordanischer Fußballfan: „Wenn ein
europäischer Spieler wie Ronaldo so ein Tor erzielt, würden die Medien noch
nach Jahren darüber reden.“
Was sein Tor für Moataz Salhani, den kaum bekannten Weltstar, bedeutet, ist
unklar. Er hat einen syrischen Pass und spielt Fußball in einem Land, in
dem mittlerweile 600.000 registrierte und noch viel mehr nicht gemeldete
syrische Flüchtlinge leben. Angesprochen auf die syrische Auswahl, sagt er:
„Ich wäre geehrt, wenn ich zur Nationalmannschaft eingeladen würde.“
23 Mar 2014
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Fußball
Schwerpunkt Syrien
Jordanien
Fifa
Fußball
Fortuna Düsseldorf
Fußball
Fußball
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