| # taz.de -- Internetzensur in Bundeseinrichtungen: Absofuckinglutely pornofrei | |
| > Das Video „Fuck the EU“ kennt fast jeder – doch auf den Rechnern von | |
| > Staatsbediensteten ist es gesperrt. Die Linksfraktion will Aufklärung. | |
| Bild: Solch unanständige Wörter haben in Bundeseinrichtungen nichts verloren | |
| BERLIN taz | Deutschland ist ein anständiges Land. Das gilt auch für die | |
| Bediensteten des Staates. Und deswegen sei das Video, in dem die | |
| US-amerikanische Diplomatin Victoria Nuland ihr unanständiges „Fuck the EU“ | |
| vorbringt, auf deren Rechnern nicht aufrufbar gewesen. Das [1][behauptet | |
| Spiegel Online]. Eine Filtersoftware habe den Clip wegen des Wortes „Fuck“ | |
| als pornografisch eingestuft, heißt es. | |
| Der Vorfall war Anlass für die Bundestagsfraktion der Linken, sich Anfang | |
| März mit [2][einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung zu wenden]. | |
| Anhand von 24 Fragen forderte sie diese auf, Hintergründe, Umfang und | |
| Umsetzung der Filter darzulegen. Zwei Wochen hat die Bundesregierung | |
| normalerweise Zeit, um auf eine solche kleine Anfrage zu antworten. Unter | |
| bestimmten Umständen kann sie eine Fristverlängerung von zwei Wochen | |
| beantragen. | |
| Das hat die Bundesregierung in diesem Fall getan. Der Grund sei, dass die | |
| Anfrage alle Ressorts beträfe und deswegen eine umfangreiche Recherche | |
| notwendig sei, erklärt Tobias Schulze taz.de. Er ist wissenschaftlicher | |
| Mitarbeiter im Büro der Linken-Abgeordneten Petra Sitte, die die Anfrage | |
| mit eingereicht hat. | |
| „Wenn ein Beamter an seinem Rechner im Auswärtigen Amt ein Video nicht | |
| aufrufen kann, dann hat dieser Mensch ein Problem bei der Ausübung seines | |
| Berufes“, erklärt Schulze die Kernaussage der Anfrage. Die Linksfraktion | |
| halte Filter und Sperren für nicht sinnvoll. „Entweder gibt es Inhalte, die | |
| man nicht ansehen darf, weil sie illegal sind. Dann muss man sie löschen. | |
| Oder es gibt legale Inhalte. Dann gibt es keinen Grund, diese zu sperren.“ | |
| ## Mehrere Bedeutungsebenen | |
| Dass die Präzision solcher Filter ohnehin fraglich sei, stellt die | |
| Einleitung der Kleinen Anfrage mit einem unterhaltsamen Ausflug in den | |
| Bereich der Linguistik dar. Dort heißt es, das englische Wort „Fuck“ | |
| zeichne sich durch eine „außerordentliche Flexibilität“ aus, könne „so… | |
| als Verb, Substantiv, Adverb oder Interjektion verwendet werden“. | |
| Nur in einigen Anwendungsfällen habe das Wort tatsächlich etwas mit | |
| „sexueller Betätigung“ zu tun. Im weiteren nennt der Text einige Beispiele, | |
| in denen das Wort „Fuck“ in den ganz alltäglichen Sprachgebrauch | |
| übergegangen ist. So zum Beispiel zum Ausdruck von Gleichgültigkeit – „I | |
| don't give a fuck“ – oder, um Aussagen zu verstärken: „absofuckinglutely… | |
| Die Linksfraktion will wissen, ob solche Fälle von der verwendeten | |
| Filtersoftware auch als pornografisch eingestuft werden. Das würde | |
| bedeuten, dass viele unbedenkliche Inhalte ebenfalls gesperrt würden. | |
| Weiter fragt die Linksfraktion, wie es sich mit Worten verhalte, in denen | |
| einzelne Zeichenfolgen als anstößig eingestuft werden könnten. So zum | |
| Beispiel „Nachttischlampe“ oder „Staatsexamen“. | |
| ## Filter werden oft an Schulen verwendet | |
| Doch nicht nur zur inhaltlichen Funktionsweise der Filter soll die | |
| Bundesregierung sich erklären. Gefragt wird nach den technischen Details, | |
| den Verantwortlichen, der Finanzierung oder der Art der Software. Solche | |
| Filtersysteme werden oftmals genutzt, um die Internetaktivitäten an Schulen | |
| zu kontrollieren und zu verhindern, dass Schüler auf pornografische, | |
| gewaltverherrlichende oder in anderer Weise jugendgefährdende Seiten | |
| zugreifen. Ihr Filter sperre „entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte“, wirbt | |
| etwa der [3][Schulfilter-Hersteller Time for Kids]. | |
| Die Linksfraktion fragt deswegen, ob auch das Modul der Bundesprüfstelle | |
| für jugendgefährdende Medien zur Anwendung komme. „Jugendschutz ist ja | |
| eines der Argumente, um überhaupt Filter auf Rechnern zu installieren“, | |
| sagt Schulze. Zwar gebe es in Bundesbehörden öffentlich zugängliche | |
| Rechner, auf die auch Minderjährige Zugriff haben könnten. Sie hätten die | |
| Frage aber gestellt, um zu erfahren, ob solche Maßstäbe auf Geräten | |
| Anwendung fänden, „an denen eigentlich Erwachsene sitzen.“ Dass diese | |
| Schutz vor „entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten“ brauchen, ist eher | |
| unwahrscheinlich. | |
| So kurzweilig sich die Kleine Anfrage der Linksfraktion auch liest: Es geht | |
| um mehr als nur die Möglichkeit von Bundesbediensteten, sich Victoria | |
| Nulands abfällige Bemerkungen über die EU anzuhören. Vielmehr geht es | |
| darum, ob deutsche Behörden Internetinhalte zensieren. Damit eng verbunden | |
| sind die Fragen, wer dafür zuständig ist, ob die Betroffenen sich der | |
| Beschneidung bewusst sind und vor allem, wie weit diese geht. | |
| So hat genannte Schulsoftware bis vor kurzem den Zugriff auf die | |
| [4][Internetseite der Linken in Sachsen geblockt], da die automatische | |
| Kategorisierung deren Inhalt als „Politisch Extrem/Hass/Diskriminierung“ | |
| einordnete, wie die Partei auf ihrer Website erklärt. Eine politische | |
| Zensur, egal, ob gesteuert oder unbeabsichtigt, ist also keineswegs | |
| undenkbar. | |
| ## Gefahr des „Overblocking“ | |
| Bedenklich findet auch Constanze Kurz vom [5][Chaos Computer Club] das | |
| Filtern von Inhalten auf staatlichen Rechnern. „Natürlich gibt es da auch | |
| Leute, die zu Themen wie Sexarbeit, Menschenhandel, Jugendschutz oder | |
| Gesundheit arbeiten. Die sind in ihrer Arbeitsfähigkeit ganz klar | |
| behindert“, sagt sie taz.de. Das größte Problem sei jedoch das | |
| „Overblocking“, also das Blockieren von Inhalten, die eigentlich | |
| unbedenklich sind. Kurz zufolge träfe dies normalerweise auf über die | |
| Hälfte der gesperrten Inhalte zu. | |
| Welche Software im aktuellen Fall zum Einsatz kam, kann sie nicht sagen. | |
| „Aber das könnte man, wenn man sich an einen der Rechner setzt, in einer | |
| Stunde rausfinden. Dass die Bundesregierung dafür so lange braucht, ist | |
| echt peinlich.“ Kurz findet die Sperre aber auch auf anderer Ebene | |
| bedenklich. „Das sagt schon einiges aus darüber, wie die | |
| Bundestagsverwaltung ihre Parlamentarier und Mitarbeiter sieht. Offenbar | |
| müssen die erzogen werden.“ | |
| Es handle sich immerhin um erwachsene Menschen. Eine solche Filtersoftware | |
| auf ihren Rechnern zu installieren, sei eigentlich eine Frechheit. Zumal | |
| dadurch tatsächlich arbeitsrelevante Inhalte blockiert werden könnten. „Man | |
| muss ja nicht gleich annehmen, dass da jemand in seiner Pause Youporn | |
| guckt. | |
| Liebe Staatsbeamte, leider enthält dieser Text die Worte „Fuck“, „Sex“, | |
| „Porn“ und „Staatsexamen“. Es tut uns leid, dass Sie ihn deswegen auf i… | |
| Dienstrechnern nicht aufrufen können. Absofuckinglutely. | |
| 27 Mar 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/pornozensur-fuer-bundesbedienstet… | |
| [2] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/007/1800747.pdf | |
| [3] http://www.time-for-kids.de/ | |
| [4] http://www.dielinke-sachsen.de/politik/detail/article/filtersoftware-an-sch… | |
| [5] http://www.ccc.de/de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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