| # taz.de -- Gesunkene "Roland": Der vermeidbare Untergang | |
| > Die Hansekogge hätte gerettet werden können. Doch dafür wurde die | |
| > Feuerwehr zu spät hinzugezogen – das gemeinsame Einsatzboot liegt bei der | |
| > Polizei. | |
| Bild: Vom Wahrzeichen zum Holzhaufen: die Kogge nach ihrer Tauchfahrt. | |
| Hilflos liegt die havarierte Hansekogge am Hohentorshafen – an Land, | |
| wohlgemerkt. Ob sie je wieder lossegelt, ist mehr als ungewiss. Zu groß ist | |
| der finanzielle Schaden, den ihr Untergang im Januar verursachte. Es ist | |
| ein Untergang, der möglicherweise vermeidbar war. Das wird deutlich, wenn | |
| man die Ereignisse der Nacht des 28. Januar minutiös rekonstruiert. | |
| „Ort: Bremen-Innenstadt, Weserufer Höhe Schlachte. Zeit: 28. 01. 14, 03.00 | |
| Uhr“. Mit diesen Koordinaten beginnt die Pressemitteilung der Polizei, in | |
| der sie das Sinken des hanseatischen Wahrzeichens vermeldete. Im | |
| Einsatzprotokoll geht es sogar um Sekunden: „Um 02:59:29 Uhr“ habe ein | |
| Zeuge der Polizei gemeldet, dass die Kogge Schlagseite habe. Eine | |
| Streifenwagenbesatzung habe daraufhin „unverzüglich“ Unterstützung durch | |
| die Wasserschutzpolizei und die Feuerwehr angefordert. Aber: „Da sich auf | |
| dem Deck bereits Wasser befand“, habe das Sinken trotz des Einsatzes der um | |
| 03:24 eingetroffenen „Bremen 1“, des gemeinsamen Einsatzbootes von Polizei | |
| und Feuerwehr, nicht mehr verhindert werden können. Was in der | |
| Pressemitteilung über den Polizeieinsatz 7637 nicht steht: Auf diesem | |
| „gemeinsamen Einsatzboot“ befanden sich ausschließlich Polizisten – für… | |
| das Bedienen von Lenzpumpen nicht zum Kerngeschäft gehört. | |
| Dabei ist die erst vor einem Jahr in Dienst gestellte „Bremen 1“ mit | |
| beeindruckenden technischen Kapazitäten ausgestattet. Eine | |
| Nijhus-Kreiselpumpe zieht 14.000 Liter pro Minute, weitere 1.000 Liter | |
| schafft eine kleinere Elektropumpe. Aus Sicht der Polizei scheiterte das | |
| Lenzen aber keineswegs am Finden von Einschaltknöpfen, sondern am Faktor | |
| Zeit. Um 3.03 Uhr wurde die Wasserschutzpolizei laut Einsatzprotokoll | |
| informiert, 21 Minuten brauchte die „Bremen 1“ vom Europahafen an die vier | |
| Kilometer entfernte Schlachte. Ist das eine angemessene Frist? „Das war | |
| sogar sehr schnell und zügig“, heißt es hierzu aus dem Präsidium. Die | |
| diensthabende Besatzung in diesem Fall sei schon am Liegeplatz gewesen. | |
| Wenn sie sich erst von ihrem Inspektionsgebäude in der | |
| Daniel-von-Büren-Straße auf den Weg machen müsse, oder sich gar mit der | |
| „Lesmona“, einem der anderen Polizeiboote, beispielsweise in Bremen-Nord | |
| befinde, könne ein Eintreffen der „Bremen 1“ am Einsatzort um ein | |
| Vielfaches länger dauern. | |
| Die „Bremen 1“ ist Deutschlands erstes Kombi-Boot, es wird von Polizei und | |
| Feuerwehr gemeinsam genutzt. Bei der feierlichen Indienstnahme des 4,5 | |
| Millionen Euro teuren Fahrzeugs erkannte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) | |
| in dieser Doppelnutzung nicht nur Sparpotenzial – sondern sogar einen | |
| „Modellcharakter für künftige Ersatzbeschaffungen in den Häfen Europas“. | |
| Am mittelalterlichen Hafen Bremens, der Schlachte, beförderte dieses Modell | |
| mitsamt seiner Kompetenz-Überschneidungen allerdings den Untergang der | |
| Hansekogge. Denn als die Feuerwehr, die laut eigenen Angaben erst „um 03:44 | |
| Uhr durch die Wasserschutzpolizei“ informiert wurde, zur Stelle war, konnte | |
| auch sie nichts mehr ausrichten – auch nicht mit den beiden Bordkränen, die | |
| immerhin jeweils 1,2 Tonnen halten. „Als wir eintrafen“, gab | |
| Feuerwehr-Einsatzleiter Michael Siemers im Januar zu Protokoll, „war das | |
| Schiff schon gesunken“. | |
| Warum wurde die Feuerwehr nicht früher einbezogen? Das Polizeipräsidium | |
| verweist auf einen Einsatzbericht, demzufolge die Feuerwehr nicht erst eine | |
| Dreiviertelstunde nach der Erstmeldung, sondern „schon“ 25 Minuten nach | |
| dieser informiert worden sei. Hier steht Einsatzprotokoll gegen | |
| Einsatzprotokoll. Allerdings sind auch 25 Minuten bei Sinkvorgängen nicht | |
| unerheblich. | |
| Tatsache ist, dass die „Bremen 1“ bei der Polizei im Europahafen liegt. Der | |
| Feuerwehr sitzt am Hohentorshafen am anderen Weserufer. Sie hat kein | |
| eigenes Boot dieser Größenordnung mehr, da die „Bremen 1“ als Ersatz für | |
| das ausgemusterte Feuerlöschboot „FLB 1 Bremen“ angeschafft wurde – mit | |
| klarer erster Zuordnung zur Polizei. „Das Boot steht im Alltag der | |
| Wasserschutzpolizei für ihre Aufgaben zur Verfügung“, heißt es | |
| unmissverständlich aus dem Innenressort – zu denen keine Pumpeinsätze | |
| gehören. Im Bedarfsfall, so das Einsatzkonzept, werden die Fachleute der | |
| Feuerwehr mit an Bord des Bootes genommen, das symbolträchtig sowohl in | |
| Blau als auch Rot lackiert ist. Was in der Nacht vom 28. Januar jedoch | |
| nicht geschah. | |
| „Bei erster Betrachtung“ gebe die Feuerwehr mit dieser Rollenverteilung | |
| „ein Stück Selbstständigkeit auf“, gab Oberkommissar Ingo Biniok bei der | |
| feierlichen Schiffstaufe durch seine Kollegin von der Wasserschutzpolizei | |
| zu. Aber „rein faktisch“ könnten „alle polizeilichen und | |
| feuerwehrtechnischen Einsatzszenarien mit der ,Bremen 1‘ deutlich | |
| schneller, effektiver und sicherer durchgeführt werden als bisher“. | |
| 28 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Henning Bleyl | |
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