| # taz.de -- Kommentar Öffentlicher Dienst: In Ordnung, aber nicht gerecht | |
| > Sehr viele Räder standen still – und so hat Verdi einen anständigen | |
| > Tarifabschluss erreicht. Eine Gruppe droht aber immer noch abgehängt zu | |
| > werden. | |
| Bild: Okayer Abschluss: Verdi-Chef Bsirske zeigt die Höhe an. | |
| Es war ein heftiger, aber kurzer Tarifkonflikt. Gerademal drei | |
| Verhandlungsrunden bedurfte es, um im öffentlichen Dienst zu einer Einigung | |
| zu kommen, mit der beide Seiten leben können. | |
| Als "gutes und faires Ergebnis" bezeichnete Bundesinnenminister Thomas de | |
| Maizière zu Recht den gefundenen Kompromiss. Dass der Bund und die Kommunen | |
| bereit waren, ihn so schnell einzugehen, dürfte nicht zuletzt dem | |
| Muskelspiel von Verdi geschuldet sein. | |
| Mit ihren Warnstreiks in der vergangenen Woche hat die Gewerkschaft der | |
| Arbeitgeberseite, aber auch sich selbst eindrucksvoll demonstriert, dass | |
| sie im öffentlichen Dienst noch kampffähig ist. Sehr viele Räder standen | |
| still, weil es der starke Arm von Verdi so wollte. | |
| Das Resultat dieser Machtdemonstration ist ein Tarifergebnis, das "in der | |
| Spitzengruppe der diesjährigen Abschlüsse" liegt, wie Verdi-Chef Frank | |
| Bisirske zufrieden resümiert. | |
| ## Mindestbetrag entscheidend | |
| Tatsächlich ist der Tarifabschluss erfreulich, weil er ein Schritt in die | |
| richtige Richtung bedeutet. Die Gewerkschaft hat dazugelernt: Im Gegensatz | |
| zur Tarifrunde von vor zwei Jahren hat Verdi diesmal auf einer sozialen | |
| Komponente bestanden. | |
| Wer die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit zu seinen Zielen erklärt, der | |
| sollte auch seine eigene Tarifpolitik danach ausrichten. Das heißt, dass es | |
| gerade darum gehen muss, die ökonomische Situation derjenigen zu | |
| verbessern, die es am nötigsten haben. | |
| Deswegen ist der jetzt mit den Arbeitgebern vereinbarte Mindestbetrag von | |
| 90 Euro so wichtig. Er beschert den unteren und mittleren Entgeltgruppen | |
| eine überdurchschnittliche Reallohnsteigerung, die sie verdient haben. Ohne | |
| ihn würde die unterste Einkommensgruppe gerademal einen Zuwachs von knapp | |
| über 46 Euro verzeichnen können. | |
| Dass sich das Gehalt von Menschen, die bislang weniger als 1.600 Euro | |
| brutto in der Lohntüte haben, jetzt nicht nur um die generell vereinbarten | |
| 3 Prozent, sondern um etwa 5,8 Prozent in diesem Jahr erhöht, ist mehr als | |
| angemessen. | |
| ## Topverdiener profitieren | |
| Trotz des Mindestbetrags bleibt jedoch auch dieser Abschluss ungerecht, | |
| weil jene am meisten davon profitieren, die ohnehin schon mehr haben. Denn | |
| die Prozentlogik wurde zwar abgemildert, aber nicht aufgehoben. | |
| Das bedeutet: Topverdiener im öffentlichen Dienst bekommen nun in diesem | |
| Jahr nicht 90 sondern bis zu 195 Euro pro Monat mehr. Bei ihnen ist | |
| übrigens auch die Differenz zur ursprünglichen gewerkschaftlichen Forderung | |
| weitaus geringer. Ihre monatliche Gehaltssteigerung bleibt nur um etwa 35 | |
| Euro dahinter, bei den Niedriglöhnern jedoch um rund 57 Euro. | |
| Die Konsequenz, die die Gewerkschaften ziehen sollten: Wer nicht will, dass | |
| sich der Abstand beim Lohnniveau weiter vergrößert, sollte endlich Abschied | |
| nehmen vom Streit um Prozente und stattdessen um feste Summen kämpfen. Das | |
| wäre gerechter. | |
| 3 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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