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# taz.de -- Rainer Brüderles Buchvorstellung: „Getroffener Hund bellt“
> Bei der Vorstellung seines Interviewbuches versucht FDP-Mann Rainer
> Brüderle, sein lädiertes Image zu flicken. Das gelingt ihm nur bedingt.
Bild: Selbst die Linkspartei muss der Pfälzer APO helfen: Brüderle und Gysi a…
BERLIN taz | Gute Miene macht Gregor Gysi an diesem Nachmittag. Der
Linke-Fraktionschef ist ins Haus der Bundespressekonferenz geeilt, um
seinen einstigen Amtskollegen Rainer Brüderle zu unterstützen. Brüderle war
bis zum Ausscheiden seiner FDP selbst Fraktionschef, außerdem
Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf. Das verbindet. Nun hat Brüderle
sich von dem Journalisten Hugo Müller-Vogg interviewen lassen, das
150-Seiten-Büchlein trägt den stolzen Titel „Jetzt rede ich“.
Erst einmal redet Gregor Gysi. „Er ist ein bisschen wütend, das ist nicht
schlecht“, sagt er über Brüderle. Aber sonst fällt ihm nicht viel ein,
warum man das Buch lesen sollte. Brüderle hätte wohl besser daran getan,
meint Gysi, über mehr als den Zeitraum zwischen Spitzenkandidatur und
Bundestagswahl zu schreiben. Aber nun ja, genau in diese Zeit fällt die
größte Negativprominenz des FDP-Politikers.
Der stern hatte im Januar 2013 ein Porträt von Rainer Brüderle
veröffentlicht. Er war gerade von seiner Partei zum Spitzenkandidat zur
Bundestagswahl gekürt worden. Dass der 67-Jährige das Ruder herumreißen
sollte, war erstaunlich. Sein Schlagwort-Vokabular („Deutschland geht es
gut!“) mied jede inhaltliche Auseinandersetzung mit der politischen
Konkurrenz. In dem Porträt „Der Herrenwitz“ schilderte die Journalistin
Laura Himmelreich an mehreren Beispielen die sexistische Wortwahl des
FDP-Politikers. Die so genannte Dirndl-Affäre führte zu einer breiten
Debatte über Sexismus und Übergriffigkeit gegenüber Frauen.
Dass er meint, nun endlich mal auspacken zu müssen, muss man ihm nachsehen.
Die ganze Zeit nach der Veröffentlichung des stern-Porträts schwieg er
eisern zu den Vorkommnissen. Das war sicher schlau – im Moment öffentlicher
Empörung hält man tatsächlich besser den Mund. Jedes Wort der Verteidigung
wäre gegen ihn ausgelegt worden.
Jetzt ist die Zeit wieder reif für ein wenig Aufmerksamkeit. Immerhin sind
die Bundestagswahl und der Gang in die Außerparlamentarischen Opposition
der FDP mehr als sechs Monate her. Eine Zeitspanne, die jemandem wie
Brüderle – mittlerweile nur noch Ehrenvorsitzender seines Landesverbandes
Rheinland-Pfalz – wie eine Ewigkeit erscheinen muss.
## FDP ist sauer
Doch gerade der Zeitpunkt der Buchveröffentlichung ist es, der Brüderles
FDP sauer macht. In wenigen Wochen ist Europawahl. Der Wahlkampf ist eine
der nur noch ganz seltenen Gelegenheiten für die Liberalen, ihre Inhalte
und Köpfe zu kommunizieren. Im Gerangel mit der Alternative für Deutschland
um die paar Prozente für Brüssel sähe man lieber Spitzenkandidat Alexander
Graf Lambsdorff in den Schlagzeilen statt eines stark Dialekt sprechenden
Ex-Spitzenliberalen, der ja auch nichts anderes sagt, als dass der Abend
mit der stern-Reporterin ganz harmlos gewesen sei.
Brüderle hat sich eingeschossen auf die Redaktion der Illustrierten. Dass
sie in ihrer aktuellen Ausgabe über seine Buchveröffentlichung berichtet,
versteht er als „gute Werbung“, für die er sich bedankt. Für den stern
gelte in diesem Fall: „Getroffener Hund bellt.“
Liest man das Kapitel, in dem Brüderle – mit Hilfe passender Fragen des
Interviewers – seine Sicht der Dinge darlegt, fragt man sich schon, welcher
Hund hier getroffen ist und bellt. Laura Himmelreich, gibt Brüderle zu
Protokoll, habe eine halbprivate Situation professionell ausgenutzt. „Ich
bin unfair behandelt worden“, antwortet er auf die Frage, ob er sich als
Opfer fühlt.
Gregor Gysi ist da übrigens längst weg. Er muss mit seiner Fraktion über
die Vernichtung syrischer Chemiewaffen abstimmen. Rainer Brüderle hat
ausreichend Zeit.
9 Apr 2014
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
FDP
Buch
Gregor Gysi
Rainer Brüderle
Buchvorstellung
FDP
Sexismus
Luft und Liebe
#Aufschrei
Europawahl 2014
FDP
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