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# taz.de -- SPDler zum Hasskriminalitäts-Gesetz: „Es geht nicht um Gesinnung…
> Bei rassistischer Gewalt zeigt die Justiz Schwächen, sagt Burkhard
> Lischka. Die Gesetzesreform von Justizminister Maas befürwortet er.
Bild: Jurist in seinem Metier: Burkhard Lischka.
taz: Herr Lischka, die Große Koalition plant härtere Strafen für
rassistische Gewalttäter. Bekommen wir nun ein Gesinnungsstrafrecht, wie
die Bundesrechtsanwaltskammer befürchtet?
Burkhard Lischka: Natürlich nicht. Es geht hier um rassistische Beweggründe
für eine konkrete Tat, nicht um die rassistische Gesinnung an sich. Wenn
ein Rechtsradikaler einen Flüchtling verprügelt, muss sein rassistisches
Motiv bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Bei einem Autodiebstahl
ist es in der Regel egal, ob der Täter ein Rassist ist.
Warum ist rassistische Gewalt denn schlimmer als sinnlose Gewalt?
Gewalt ist immer schlimm. Aber bei rassistischen Gewalttaten wird das Opfer
nicht als Individuum angegriffen, sondern als austauschbarer Vertreter
einer Gruppe, die der Täter hasst und abwertet. Die Folgen spürt deshalb
nicht nur das unmittelbare Opfer. Auch alle anderen Mitglieder dieser
Gruppe, zum Beispiel Menschen mit dunkler Hautfarbe, werden verunsichert,
weil es auch sie hätte treffen können.
Sind Strafverschärfungen für Rassisten neu oder wird hier nur das
bestehende Strafrecht deutlicher beschrieben, wie Bundesjustizminister
Heiko Maas meint?
Eigentlich sieht das Strafrecht heute schon vor, dass die Ziele und
Beweggründe einer Tat bei der Strafhöhe berücksichtigt werden. Aber das
funktioniert bei rassistischer Gewalt bisher nicht richtig. Deshalb
schreiben wir es jetzt ausdrücklich ins Gesetz.
Sie glauben also, dass es künftig tatsächlich höhere Strafen für
rassistische Gewalttäter gibt als heute?
Ja, aber höhere Strafen sind sekundär. Viel wichtiger ist, dass überhaupt
genau hingeschaut wird und solche Hintergründe einer Tat ermittelt werden.
Zu häufig heißt es bisher, wenn ein stadtbekannter Nazi einen Flüchtling
niederschlägt: „Das war eine Schlägerei zwischen jungen Erwachsenen unter
Alkoholeinfluss“. Derartige Erfahrungen verschlimmern ja die eigentliche
Wirkung der Tat.
Sie sind mit der deutschen Justiz also unzufrieden?
Die Defizite kann keiner leugnen. Immer wieder berichten Beratungsstellen,
dass Opfer rassistischer Gewalt sich alleingelassen fühlen. Dass sich die
Polizei für den rassistischen Hintergrund einer Tat nicht interessiert oder
ihn sogar bewusst ausblendet. Dass Staatsanwaltschaften die Ermittlungen
wegen Geringfügigkeit einstellen. Und wenn es doch zu einer
Gerichtsverhandlung kommt, dass der Rassismus dann dort und im Urteil keine
Rolle spielt.
Müssen Täter mit rassistischen Ansichten künftig beweisen, dass ihre
Gesinnung mit einer Tat nichts zu tun hatte?
Nein, es findet keine Umkehr der Beweislast statt. Die Unschuldsvermutung
gilt auch für Rassisten. Aber ich will, dass die Tathintergründe überhaupt
ermittelt werden – mit welchem Ergebnis auch immer.
Warum soll eine Regelung der Strafzumessung dazu führen, dass künftig
besser ermittelt wird?
Wenn die Polizei weiß, dass die Hintergründe der Tat am Ende für das
Strafgericht wichtig sind, wird sie gleich gründlicher ermitteln und
entsprechende Beweise sichern. Aber das kann nur ein Baustein einer
umfassenden Strategie sein. Die Polizei muss auch besser aus- und
fortgebildet werden. Die Ermittlungen sollten von
Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften geleitet werden.
Wir sprachen jetzt immer von rassistischer Gewalt. Die geplante Reform hat
aber auch noch andere Opfergruppen im Blick …
Der Oberbegriff ist die Menschenverachtung. Das kann Rassismus sein, aber
auch Hass auf Homosexuelle, Obdachlose, Behinderte oder Punks.
Was ist, wenn jemand Rechtsradikale verprügelt, weil er Nazis hasst?
Mir ist nicht bekannt, dass die Antifa gezielt Nazis verprügelt. Jedenfalls
zielt das Gesetz nicht auf solche Fälle der Gegenwehr.
Sie engagieren sich schon seit Jahren für ein derartiges Gesetz. Jetzt
steht das Projekt im Koalitionsvertrag und der Justizminister legt einen
Gesetzentwurf vor. Brachte das Erschrecken über den NSU-Terror die Wende?
Es hat sicher vielen die Augen geöffnet, wie hier jahrelang im Umfeld der
Opfer ermittelt wurde statt in der rechten Szene.
Früher gab es aus einzelnen Bundesländern noch härtere Forderungen. Für
Gewalttaten aus rassistischem Hass sollte die Mindeststrafe ein Jahr
betragen – ohne Bewährung. War das politisch nicht durchsetzbar oder gar
nicht wirklich erwünscht?
Ich halte wenig davon, Menschen möglichst lange ins Gefängnis zu stecken.
Meist verstärkt dies nur die schädlichen Neigungen. Statt einseitig auf
abschreckende Strafen zu setzen, müssen wir an der Resozialisierung der
Täter arbeiten. Das nützt allen.
22 Apr 2014
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Heiko Maas
SPD
Schwerpunkt Rassismus
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beim Strafmaß spielen sollen. Rassismus wiegt schwerer als pure Rauflust.
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