| # taz.de -- Risikofaktor Cholesterin: Wenn Dr. Jekyll zu Mr. Hyde wird | |
| > Bei den Blutfetten wurde immer unterschieden zwischen dem schlechten LDL- | |
| > und dem guten HDL-Cholesterin. Doch auch das Gute ist nicht immer gut. | |
| Bild: Tierische Produkte wie Fleisch und Wurst treiben die Cholesterinwerte nac… | |
| MÜNCHEN taz | Fließt viel Cholesterin in den Adern, gilt dies als | |
| schlechtes Zeichen, als Risikofaktor für eine Arterienverkalkung und andere | |
| Herzkrankheiten. Vor allem das LDL-Cholesterin gilt als das „böse“, währe… | |
| die HDL-Fraktion als „gutes“ Cholesterin bezeichnet wird. Das geht auf | |
| Entdeckungen zurück, die bereits in den 1950er Jahren gemacht wurden. Da | |
| bemerkten US-Ärzte, dass ein hoher HDL-Spiegel von über 40 Milligramm pro | |
| Deziliter Blut mit weniger Herzkrankheiten assoziiert ist. | |
| 20 Jahre später wurde die Hypothese in der sogenannten Framingham-Studie | |
| untermauert. Dabei ist der Herzschutz dosisabhängig: Schon ein Plus von 1 | |
| mg/dl senkt das Risiko für Herzkrankheiten um 2 bis 3 Prozent. | |
| In den folgenden Jahrzehnten wurde daher nicht nur das low density | |
| cholesterol, LDL, eifrig mit Medikamenten gesenkt, man suchte auch nach | |
| Arzneien, die das high density cholesterol, HDL, erhöhen und dadurch einen | |
| weiteren Herzschutz bieten sollten. Doch die Rechnung ging nicht auf. | |
| Zwei große Pharmastudien zur HDL-Erhöhung wurden im Jahr 2012 abgebrochen. | |
| Zwar konnten die Arzneien die HDL-Werte im Blut um 30 Prozent anheben, ohne | |
| jedoch das Herzinfarktrisiko zu beeinflussen. | |
| Nun gehen Wissenschaftler ins Detail und besehen sich die Vorgänge in den | |
| Gefäßen genauer. Dabei zeigt sich, dass das HDL eben nicht immer gut ist, | |
| beziehungsweise dass das komplexe Molekül je nach Zusammensetzung vom guten | |
| Doktor Jekyll zum mysteriösen Mister Hyde mutieren kann. | |
| Seinen Status als „gutes“ Cholesterin erhielt das HDL auch durch seine | |
| Aufgaben im Körper. Cholesterin, das als Bausubstanz für Zellmembranen, | |
| Vitamin D, Gallensäuren und diverse Hormone gebraucht wird, wird | |
| vornehmlich in der Leber gebildet. Von dort gelangt das Cholesterin, | |
| gebunden an das Transportvehikel LDL, durch die Blutbahnen zu den | |
| Zielzellen. Überschüssiges kommt jedoch als HDL-Cholesterin wieder zurück, | |
| HDL gilt daher als „Aufräumer“. Zudem verbessert es die Zuckerverwertung in | |
| den Zellen, es wirkt Entzündungen entgegen und regt die Bildung von | |
| Stickstoffmonoxid in Gefäßzellen an, was die Blutbahnen flexibler macht. | |
| Wenn zu viel LDL in den Blutbahnen kursiert, das HDL also nicht mehr | |
| nachkommt mit dem Abtransport, lagert sich das LDL zusammen mit weißen | |
| Blutkörperchen und Kalzium an den Gefäßwänden ab, es kommt zu sogenannten | |
| Plaques, die aufreißen und das Gefäß verstopfen können. Die Bezeichnung als | |
| „schlechtes“ Cholesterin schien daher legitim. | |
| ## Schädlich sind die kleinen Partikel | |
| Doch sowohl das LDL als auch das HDL können sehr unterschiedliche Gestalt | |
| annehmen. Und dies lässt sich mit einem normalen Cholesterintest, der nur | |
| die Quantität des Blutfettes misst, nicht weiter klären. So ist seit | |
| einigen Jahren schon deutlich geworden, dass vor allem die kleinen, | |
| komprimierten LDL-Partikel besonders aggressiv sind und den Gefäßen | |
| zusetzen. Auch bei dem HDL scheinen es die kleinen, dicht gepackten | |
| Fraktionen zu sein, die ihre Funktion nicht mehr so gut erfüllen können. | |
| Dabei ist die Größe und Dichte abhängig davon, wie viele Proteine und Fette | |
| das Molekül geladen hat. | |
| Das Apolipoprotein A-1 (ApoA1) ist dabei ein wichtiger Baustein von HDL, | |
| unabdingbar für seine Funktion. Offensichtlich kann der Helfer jedoch auch | |
| zum Verhängnis werden. So hat Stanley Hazen von der Cleveland Clinic | |
| kürzlich herausgefunden, dass bei bereits bestehender Atherosklerose ein | |
| gehöriger Teil an oxidiertem ApoA1 in den Zellwänden hängt und diese starr | |
| macht. Obendrein facht das derart veränderte HDL Entzündungen an, anstatt | |
| diese einzudämmen. Wie das HDL angreifbar gegen Sauerstoff wird, hat Ulf | |
| Landmesser, Kardiologe am Universitätsspital Zürich, herausgefunden. So ist | |
| bei Herzkranken die Aktivität des Enzyms Paraoxonase-1 vermindert. Das | |
| fungiert jedoch als Beschützer des HDL-Cholesterins, es bewahrt vor | |
| Oxidation. | |
| Auch die Luric-Studie der Universität Mannheim mit mehr als 3.000 Probanden | |
| hat im Oktober gezeigt: Bei Gesunden mit hohem HDL ist die Sterberate um 63 | |
| Prozent niedriger als bei niedrigem HDL-Cholesterin. Bei Koronarkranken | |
| waren die Sterberaten bei hohem Cholesterin nur noch um 19 Prozent | |
| niedriger im Vergleich zu niedrigen HDL-Werten. | |
| ## Kein Gesundheitsnutzen | |
| „Sind die Gefäße erst einmal in Mitleidenschaft gezogen, so kann ein hohes | |
| HDL offenbar nichts mehr ausrichten“, sagt Studienautor Winfried März. Bei | |
| Diabetikern sind die HDL-Moleküle offenbar ebenso lädiert. Möglicherweise | |
| wäre eine medikamentöse Anhebung solcher beschädigter HDL-Partikel dann | |
| sogar kontraproduktiv. | |
| Eine HDL-Erhöhung durch Arzneien steht darum momentan nicht mehr im Visier | |
| der Herzmediziner. Denn auch Gen-Studien stellten das HDL als | |
| Herzschutzfaktor in Frage. Bei der sogenannten Mendelschen Randomisierung | |
| geht man von folgender Annahme aus: Wenn HDL ein ursächlicher Faktor ist, | |
| dann sollten auch Genvarianten, die das HDL regulieren, häufiger bei | |
| Herzgesunden zu finden sein. Bei einer Überprüfung von Daten aus 20 Studien | |
| und mehr als 116.000 Beteiligten im Jahr 2012 konnte die Annahme jedoch | |
| nicht belegt werden. | |
| Derzeit basteln die Wissenschaftler an Tests, mit denen sich die | |
| Funktionsfähigkeit des HDL-Cholesterins überprüfen lässt, um das Risiko für | |
| Herzkrankheiten besser bestimmen und gezielter therapieren zu können. | |
| Diverse Marker haben die Forscher schon im Visier. „In der Arztpraxis gibt | |
| es jedoch solche Tests noch nicht“, sagt Ulrich Laufs von der | |
| Universitätsklinik Homburg. | |
| Als Goldstandard gelten nach wie vor Statine, die das LDL senken, wenn | |
| mehrere Risikofaktoren oder bereits eine Herzkrankheit vorliegen. Zudem | |
| sind die Empfehlungen der Fachgesellschaften zur Prävention von | |
| Herzkrankheiten unverändert, auch wenn diese den HDL-Wert im Blut anheben, | |
| so wie etwa eine moderate Menge Alkohol oder Sport. „Die positiven Effekte | |
| von Training sind vielfältig. Inwieweit HDL für die positiven Effekte von | |
| Training verantwortlich ist, ist aber unbekannt“, meint Laufs. | |
| 27 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Kathrin Burger | |
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