| # taz.de -- Elbphilharmonie-Debakel: Bald im Kino: „Die unendliche Geschichte… | |
| > Die Debatte des Ausschussberichts in Hamburgs Bürgerschaft bietet | |
| > exquisiten Stoff für einen Film. Die taz.nord legt ein Drehbuch mit den | |
| > wichtigsten Charakteren vor. | |
| Bild: So schön, so viel Murks und so teuer: Die Entstehungsgeschichte der Elbp… | |
| HAMBURG taz | Hamburgs Elbphilharmonie ist seit Jahren eines der | |
| umstrittensten Großprojekte Deutschlands - schon deshalb, weil sich die | |
| Kosten in sieben Jahren Bauzeit mittlerweile verzehnfacht haben. Parallel | |
| dazu hat sich der Eröffnungstermin um sieben Jahre verzögert: 2017 soll es | |
| nun soweit sein. | |
| Kostenexplosion und Verzögerung der Bauzeit liegen vor allem an der (hier | |
| und da mangelhaften) Kompetenz der Beteiligten. Diesen Schluss legt auch | |
| der Abschlussbericht des zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschusses | |
| Elbphilharmonie nahe, der am Mittwoch in Hamburgs Bürgerschaft verhandelt | |
| wird. Das Elbphilharmonie-Desaster bietet also zweifellos genug Stoff für | |
| einen Kinofilm - Arbeitstitel: „Die unendliche Geschichte“. Die taz.nord | |
| bereitet das Drehbuch schon mal vor und präsentiert hier die wichtigsten zu | |
| besetzenden Charaktere. | |
| ## Bürgermeister 1 – Der Eitle | |
| Zu besetzen ist die Rolle des Ole von Beust mit einem jovialen Herrn | |
| mittleren Alters, der sich das Ewig-Jungenhafte bewahrt hat. Mit der | |
| Unbedarftheit eben dieser Jugend schiebt er unerschrocken Großprojekte an. | |
| Rechnen muss er dafür nicht können - das machen andere. Auch den | |
| ingenieurtechnischen und baujuristischen Schnickschnack delegiert er | |
| lieber. Denn für solche Kärrnerarbeit feiert er zu gern. Die ihm eigene | |
| Frische zeigt sich auch darin, dass er Parlamente als Ballast empfindet. Er | |
| nimmt die Dinge lieber selbst in die Hand - jedenfalls vorübergehend. Voll | |
| kindlichen Vertrauens legt er große Aufgaben wie die Projektsteuerung in | |
| die Hände von Menschen, die er schon lange kennt. Denn tief drinnen ist er | |
| ein emotionaler Schwärmer, der vom ehrfürchtigen Raunen der gesamten | |
| zivilisierten Welt träumt, wenn er sehr bald die Elbphilharmonie eröffnen | |
| kann. Wacht er aus dieser Schwärmerei wieder auf, verlässt er tief | |
| enttäuscht das Rathaus und fährt nach Sylt. | |
| ## Bürgermeister 2 – Der Umfaller | |
| Wünschenswert für die Rolle des Olaf Scholz, dem Nachfolger von | |
| Bürgermeister 1, ist ein freundlicher Herr, der im Wahlkampf markig | |
| Besserung, Wendung, Härte gegenüber unbotmäßigen Bauunternehmen wie | |
| Hochtief verspricht. „Keinen Cent mehr“ will er zahlen und überhaupt die | |
| taktischen Spielchen beenden. Er wünscht sich wirklich, dieses eine Mal | |
| konsequent zu sein, und lässt die ihm unterstellten Behörden in diesem | |
| Glauben. Kommt es aber hart auf hart, scheut er wie ein Reh vor der | |
| Verantwortung. So will er die Elbphilharmonie zum Beispiel doch nicht ohne | |
| Baukonzern im Rücken weiterbauen und zahlt flugs 200 Millionen drauf. Sein | |
| Motto lautet trotzdem unverdrossen: Wer Führung bestellt, soll sie | |
| bekommen. | |
| ## Architekten – Die Elitären | |
| Optimal für die Besetzung von Herzog & de Meuron sind zwei | |
| Weltklasse-Architekten: edles Büro, erlesene Klamotten, Schweizer Tonfall, | |
| ein Olympia-Stadion in Peking gebaut, Hamburg ist da fast Provinz. Aber sie | |
| brauchen diese Provinz, um ihren ersten „Parasitenbau“, der sich auf ein | |
| bestehendes Gebäude klammert, umzusetzen und promoten es entsprechend. | |
| Detaillierte Pläne versprechen sie in wenigen Monaten aufs Papier zu werfen | |
| - um dann festzustellen, dass sie Statik und Brandschutz nicht genügend | |
| beachtet haben. Rechnen können sie zwar, mögen es aber nicht, zumal für die | |
| Elbphilharmonie keine Preisobergrenze festgelegt ist. So veredeln sie dann, | |
| was das Zeug hält: Ein Deckenreflektor muss her, mundgeblasene | |
| Fensterscheiben, eine individuell modellierte Gipshaut, die Rolltreppe | |
| lieber ästhetisch gebogen als gerade. Ob der Bau pünktlich fertig wird, ist | |
| nebensächlich. Hauptsache, das Haus mehrt ihren Ruf. | |
| ## Hochtief-Chef – Der Profit-Orientierte | |
| Für die Rolle des Herbert Mahlstedt eignet sich ein verbindlicher, aber | |
| schwer durchschaubarer Akteur, der als selbstbewusster Chef eines mächtigen | |
| Baukonzerns auftritt. Er ist wendig und erkennt bei den | |
| Vertragsverhandlungen schnell, dass die provisorischen Baupläne viel | |
| Spielraum für Nachforderungen lassen. Den nutzt er weidlich und schreckt | |
| auch vor einem anderthalbjährigen Baustopp nicht zurück, wenn die Stadt mal | |
| nicht spurt. Auf diese Art scheffelt er von Bürgermeister 2 nochmal besagte | |
| 200 Millionen Euro. Weiß er doch, dass die Stadt das Konzerthaus um jeden | |
| Preis schnell fertigstellen will. Er profitiert vom konfliktträchtigen | |
| Vertragsdreieck aus Stadt, Architekten und Baukonzern, weil sich aus den | |
| zwangsläufigen Verzögerungen weiteres Kapital schlagen lässt. Der Weiterbau | |
| der Elbphilharmonie klappt erst unter seinem Nachfolger Marcelino Fernández | |
| Verdes, der unter dem Druck der Übernahme Hochtiefs durch den spanischen | |
| Konzern ACS handelt und sich ums Image sorgt. | |
| ## Realisierungsgesellschafts-Chef – Der Haudegen | |
| Die Rolle des Hartmut Wegener ist mit einem bärbeißigen älteren Mann (Marke | |
| „Seebär“) zu besetzen, der sich als Haudegen des Projekts versteht. Als | |
| solcher hat er schon bei der Erweiterung des Hamburger Airbus-Geländes die | |
| örtliche Bauernschaft gegen sich aufgebracht, sodass ihm die Verhandlungen | |
| schließlich entzogen wurden. Ungebrochen selbstbewusst setzt er, der auch | |
| den verfrühten Vertragsabschluss verantwortet, diesen Konfrontationskurs | |
| beim Elbphilharmonie-Projekt fort. Ahnung von baulichen Großprojekten | |
| braucht er nicht so sehr, denn Bürgermeister 1 vertraut ihm voll und ganz. | |
| Informiert er Bürgermeister, Senat und Bürgerschaft überhaupt, schönt er | |
| gern die Zahlen. Agieren andere ähnlich intransparent, wartet er mit dem | |
| Mantra vom „ehrbaren Kaufmann“ auf. Vorausschauendes Planen und | |
| Selbstzweifel bleiben ihm auch fremd, nachdem er sich sämtliche | |
| Hochtief-Manager zu Feinden gemacht hat. Er weicht erst, als ihn | |
| Bürgermeister 1 wegen „Verkantungen“ aus dem Amt entfernt. | |
| ## Intendant – Der Spaßvogel | |
| Die Rolle des Christoph Lieben-Seutter sollte ein munter-distanzierter | |
| Konzertmanager-Typ übernehmen. Er sitzt seit sieben Jahren in Hamburg, ist | |
| ein König ohne Palast. Vor lauter Langeweile hat er angefangen, | |
| „Elbphilharmonie“-Konzerte zu organisieren, um Abonnenten für später zu | |
| ködern. Er ist ein österreichisch-süffisanter Ironiker. Wer seine Späße | |
| nicht versteht, wird ihn undiplomatisch nennen. Für das Baugeschehen der | |
| Elbphilharmonie trägt er - so hat er es sich ausbedungen - explizit keine | |
| Verantwortung. Teure Sonderwünsche haben er und die Kulturbehörde | |
| allerdings schon: Einen dritten Saal möchte er, mehr Raum fürs Ticketing, | |
| eine ordentliche Szenografie. Die Skandaldebatte beobachtet er mit | |
| zunehmend munterer Distanz. | |
| 5 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
| ## TAGS | |
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