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# taz.de -- Umstrittene Abschiebungspläne: „Es wurde mit Lüge und Tricks ge…
> Der Anwalt einer tschetschenischen Familie wirft der Hamburger
> Ausländerbehörde vor, mit falschen Angaben die „Rückführung“ der Fami…
> erreichen zu wollen. Die angeblich „untergetauchte Familie“ wohnt in
> einer städtischen Unterkunft.
Bild: Sollen mit allen Mitteln nach Polen gebracht werden: Sajfula mit seinen E…
HAMBURG taz | Der Hamburger Ausländerbehörde wird vorgeworfen, Unwahrheiten
zu erfinden, um eine tschetschenische Flüchtlingsfamilie nach Polen
abschieben zu können, obwohl diese inzwischen ein Bleiberecht in Hamburg
habe.
Die Vorwürfe erhebt der Anwalt der Familie, Klaus Piening. Demnach täusche
die Hamburger Behörde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf),
das seinerseits die falschen Angaben an die polnischen Behörden
weitergeleitet habe.
Der 30-Jährige Tschetschene Eskirkhan A.* und seine 26-Jährige Frau Zalina
S.* aus Grozny mussten mit ihren beiden Kindern die Heimat verlassen, weil
sie dort um ihr Leben hätten fürchten müssen, berichten sie der taz. Sie
waren zunächst im EU-Land Polen gelandet.
Am 14. Mai 2013 stellten sie auch in Hamburg einen Asylantrag. Die Familie
wurde in Hamburg geduldet, wohl auch, weil Zalina S. Mitte August ein
weiteres Kind erwartete und somit ein Abschiebehindernis vorlag.
Seit September lebt die Familie A. in einer Unterkunft des stadteigenen
Unternehmens Fördern & Wohnen, dessen Aufgabe es ist, Menschen in Notlagen
unterzubringen.
Die Unterkunft befindet sich in Hamburg-Harburg, wo seither der
siebenjährige Sajfula in der Stadtteilschule Maretstraße die Klasse G5
besucht. „Er lernt schnell und gut Deutsch“, sagt Klassenlehrerin Hanna
Rohmeyer. Die Eltern seien bereit, sich zu integrieren.
Nach dem Dublin-II-Abkommen war für das Asylverfahren der Familie zunächst
Polen zuständig, da Polen die erste Station der Familie in der EU war. Die
Zuständigkeit wechselt allerdings, wenn ein Flüchtling über sechs Monate an
einem anderen Ort in der EU lebt. Im Fall der Familie A. bahnte sich an,
dass die Zuständigkeit auf die Hamburger Ausländerbehörde übergehen würde.
Deshalb kam es am 1. Oktober nach Angaben der Familie in der
Ausländerbehörde zu einem Streit mit der Zentralleiterin Rückführung. Die
Sachbearbeiterin habe sich geärgert, dass die Familie für den inzwischen
geborene Sohn Islam keine Geburtsurkunde vorlegen konnte. Sie habe die
Familie ohne Duldung und Anschlusstermin weggeschickt.
Mitte Oktober meldete dann die Ausländerbehörde dem Bamf, dem die
Federführung für eine „Rückführung“ nach Polen obliegt, die Familie A. …
seit dem 2. Oktober „illegal“. Den entsprechenden schriftlichen Vorgang
konnte die taz einsehen.
Die Information der Ausländerbehörde konnte und sollte wohl auch
missverstanden werden. Denn obwohl die Familie jederzeit in der Harburger
Unterkunft anzutreffen war, interpretierte das Bamf diese Nachricht so,
dass die Familie untergetaucht und flüchtig sei. Das kann wiederum dazu
führen, dass die Sechs-Monats-Frist zur „Rückführung“ unter den EU-Länd…
auf 18 Monate verlängert werden kann.
## Untergetaucht und flüchtig
Das Bamf informierte daraufhin das polnische „Refugee and Asylum Procedures
Department“ darüber, dass die Familie „untergetaucht“ sei und deshalb ei…
18-Monats-Frist zur „Überstellung“ nach Polen in Kraft trete.
Die Hamburger Ausländerbehörde gibt indes an, die Information der
Abwesenheit telefonisch von der Unterkunft bekommen zu haben. Doch wer
dieses Telefonat und mit wem geführt hat, kann Behördensprecher Norbert
Smekal nicht sagen: „Darüber gibt es keine Unterlagen.“
Indes kann der Anwalt der Familie, Klaus Piening, ein Schreiben vorlegen,
in dem die Unterkunftsleitung bestätigt, dass die Familie A. den gesamten
Zeitraum in der Einrichtung gewohnt habe und der Ausländerbehörde eine
derartige Falschinformation nicht gegeben worden sei.
Auch die Klassenlehrerin Rohmeyer bestätigt, dass Sajfula durchgängig am
Unterricht teilgenommen habe. „Außerdem ist die Familie in dem Zeitraum
mehrfach in der Ausländerbehörde vorstellig geworden. Es ist dort nie
nachgefragt worden“, sagt Anwalt Piening
## Ohne Pass keine Urkunde
Der Versuch einer Abschiebung scheiterte später auch, weil sich Polen
weigerte, die Familie aufzunehmen, da es für den in Hamburg geborenen Islam
keine Geburtsurkunde gibt. Diese konnte die Familie deswegen nicht
beantragen, weil das zuständige Standesamt dafür ihre Pässe braucht –
welche wiederum die polnischen Behörden unter Verschluss halten.
Bislang hat die Ausländerbehörde ihre Falschdarstellung nicht korrigiert.
„Ist das die neue Methode der Hamburger Ausländerbehörde, das
Dublin-II-Abkommen auszuhebeln?“, fragt Anwalt Piening sarkastisch. „Es
wurde mit Lüge und Tricks gearbeitet“, empört sich der Jurist.
Das Lehrerkollegium der Schule Maretstraße hat mittlerweile eine Petition
an die Hamburgische Bürgerschaft eingereicht, die Familie nach geltenden
Recht zu behandeln und die Missverständnisse auszuräumen.
Auch Anwalt Piening hat eine Petition eingereicht, die Ausländerbehörde zu
veranlassen, die „falsche Behauptung“ gegenüber dem Bamf zu widerrufen und
die Abschiebungsmaßnahmen gegen die Familie A. nach Polen einzustellen.
* Namen sind der Redaktion bekannt
11 May 2014
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Abschiebung
Ausländerbehörde
Rückführung
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