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# taz.de -- Landesparteitag in Berlin: SPD hat keine andere Wahl
> Der Parteitag am Samstag hat gezeigt, dass sich nichts geändert hat in
> der Berliner SPD: Es gibt drei Männer in drei Ämtern. Wem die Zukunft
> gehört, bleibt unklar.
Bild: Jan Stöß, alter und neuer Landeschef der SPD, am Samstag.
Jan Stöß hatte es nicht leicht an diesem Samstag. Der Landesvorsitzende der
SPD war der zweite wichtige Redner im Neuköllner Hotelbunker Estrel: Die
Parteitagsregie hatte ihm wegen des laufenden Europawahlkampfs Felipe
Gonzáles vor die Nase gesetzt, den ehemaligen spanischen
Ministerpräsidenten und Weggefährten Willy Brandts (Letzterer war, wie am
Samstag gern betont wurde, einst Chef des Kreisverbands Wilmersdorf).
Gonzáles redete, wie alte Männer dieser Generation halt reden: mit Pathos,
Leidenschaft, von Visionen von einem solidarischen Europa, dem so wichtigen
Kampf gegen den Neokonservatismus und die Macht der Finanzmärkte, den
überzeugte Sozialdemokraten eben führen sollten. Man merkte: Gonzáles kommt
aus einem Land mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent. Für
ihn muss die soziale Lage vor den Türen des Tagungshotels fast paradiesisch
anmuten.
Kurz danach trat Jan Stöß ans Pult. Motto seiner Rede: „Wenn wir uns selbst
nicht manchmal loben, machen es die anderen auch nicht.“
Der 40-Jährige sprach nicht schlecht, nur sagte er nicht viel, sondern
lobpreiste vor allem alle, die irgendwas für die Berliner SPD tun: den
Regierenden Bürgermeister, die sozialdemokratische Senatorenriege, die
Mitglieder in den Bezirksparlamenten, die Parlamentarier im
Abgeordnetenhaus, sogar ein „Lieber Raed“ in Richtung von Fraktionschef
Raed Saleh kam ihm über die Lippen. Stöß ignorierte in seiner Rede, wie
schlecht die Partei und ihre Repräsentanten in der öffentlichen Wahrnehmung
dastehen: Umfragen der letzten Tage zufolge liegt die SPD bis zu 7
Prozentpunkte hinter dem Koalitionspartner CDU, und selbst unter
SPD-Anhängern wünscht sich nur jeder Dritte Klaus Wowereit als Regierenden
Bürgermeister über 2016 hinaus.
Stöß würde wiedergewählt werden an diesem Samstag, daran bestand schon vor
seiner Rede kein Zweifel. Es gab keinen Gegenkandidaten. Der erwähnte
Fraktionschef hatte seine Kandidatur für das Parteiamt, über die im April
zwei Wochen lang diskutiert worden war, längst abgeblasen. Die Frage
lautete also nur noch: Wie viel Prozent würde Stöß kriegen?
Die 68,7 Prozent Zustimmung, mit denen er nach Hause ging, sind kein
schlechtes Ergebnis angesichts des Zustands der Partei. Und man kann Stöß
auch glauben, dass er, wie er im Nachhinein sagte, sogar mit noch ein paar
Prozentpunkten weniger wohl hätte leben können. Allerdings hatte
Fraktionschef Saleh – ausgerechnet – die Messlatte zuvor deutlich höher
gelegt: „In so einer Situation antwortet die Partei immer mit
Geschlossenheit“, hatte Saleh am Freitag im taz-Interview gesagt. „Deshalb
wird Jan Stöß deutlich über 80 Prozent bekommen.“ Eine komplette
Fehleinschätzung? Ein vergiftetes Lob?
Jedenfalls war die Stimmung nach der Verkündung des Ergebnisses gedrückt,
der Applaus verhalten.
Es war anschließend – ausgerechnet – Klaus Wowereit zu verdanken, dass der
Parteitag nicht kippte. Der Regierende Bürgermeister brachte selbst den
Antrag ein, der im Sinne des rot-schwarzen Senats eine Bebauung mit
Wohnungen an den Rändern des Tempelhofer Feldes fordert. Kommenden Sonntag
ist die Abstimmung, selten war im Vorfeld eines Volksentscheids so unklar,
wie das Ergebnis aussehen könnte. Und obwohl alle Argumente des Senats für
eine Bebauung schon lange bekannt waren, erntete der 60-Jährige für seinen
vergleichsweise kurzen Auftritt „Bravo“-Rufe und am Ende Standing Ovations
des ganzen Saals.
So gern es zahlreiche SPD-Mitglieder hätten, wenn der Regierende
Bürgermeister endlich anzeigen würde, wann er denn an einen Abschied aus
dem Roten Rathaus denkt: In solchen Augenblicken hat die Berliner SPD
keinen anderen, keinen besseren, um sich selbst zu bestätigen: Wir sind
noch eine politische Größe in dieser Stadt – allen Umfragen, allen
BER-Pannen, allen fragwürdigen Auftritten Wowereits zum Trotz.
Fraktionschef Saleh verfolgte den Parteitag vom Rand des Podiums: Er war
von sich aus gesehen ganz links außen platziert, mit dem Regierenden
Bürgermeister als einer Art Puffer zwischen ihm und Stöß. Saleh ergriff
nicht das Wort – was nicht ungewöhnlich ist für den Fraktionsvorsitzenden
auf einem Parteitag. Aber er schoss immerhin ein paar Selfies mit seinem
Handy: darauf Saleh gemeinsam mit Klaus Wowereit.
## Meinung + Diskussion SEITE 8
18 May 2014
## AUTOREN
Bert Schulz
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SPD
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