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# taz.de -- Verzicht auf Konsum in Berlin: Bei 50 Kleidungsstücken ist Schluss
> „Die lange Nacht zum Konsumverzicht“ im Museum der Dinge präsentierte
> Strategien zur Reduktion des eigenen Besitzes.
Bild: Müssen es wirklich gleich so viele Glotzen sein?
Samstagnachmittag, ein Besuch bei Ikea und im Einkaufswagen stapeln sich
Salatschleuder, Beistelltisch, Gläser und, na klar, Teelichter. Doch
braucht man das alles wirklich?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat das Museum der Dinge in
Kreuzberg am Samstag „Die lange Nacht zum Konsumverzicht“ veranstaltet.
Nach einer Führung durch die Sonderausstellung „Transformationen. Konzepte
der Umnutzung von Dingen“ gab es Vorträge von zwei Gästen, die sich
intensiv mit Konsumverzicht beschäftigen.
Moritz Grund las aus seinem Buch „Einhundert“. Darin dokumentiert er den
Versuch, seinen Besitz radikal zu reduzieren. Das vage Ziel war, zurück zu
den rund einhundert Gegenständen zu gelangen, die er besaß, als er 2003
nach Berlin gezogen ist. Sieben Jahre lang hat er die Dinge in seinem
Besitz gezählt und das, was er nicht mehr brauchte, verschenkt oder
verkauft. Irgendwann musste er dann aber aufgeben.
„Das wird zu einer Sucht“, erzählte Grund. Mit der Geburt seines Sohns
hätte sich das eh erledigt, denn auf dem Wickeltisch stapelten sich bereits
„sicherlich mehr als einhundert Dinge“.
Grund ist Produktdesigner. Ziel seiner Arbeit ist es, Dinge zu gestalten,
die keine Gebrauchsanleitung benötigen, die einfach sind und genau die
Leistung erbringen, die man von ihnen verlangt, und dabei am besten noch
die Hälfte des Anspruchs wegzulassen.
Während seines Experiments hat er sich immer wieder gefragt, wie viel Zeit,
Geld und Platz ihn sein Besitz kostet und welche Beziehung er zu ihm hat.
Auf manches wie Werkzeug kann er nicht verzichten. Wenn aber eine Hose seit
Wochen den Schrank nicht verlassen hat, ist es Zeit, Abschied zu nehmen.
Abschied von Kleidungsstücken, zumindest kurzzeitig, nimmt auch Lenka
Petzold. Am Samstag berichtete sie im Museum der Dinge von der
„Klamottenkur“. Seit 2012 schränkt Petzold ihre Garderobe in der Fastenzeit
vor Ostern auf 50 Teile zusammen.
Die 50 ist hier ein Richtwert, den Petzold gemeinsam mit ihren Kolleginnen
der Aktionsgruppe „Modeprotest“ ausgewählt hat. Wie dieser interpretiert
wird, ob Socken zum Beispiel als ein oder zwei Kleidungsstück(e) zählen,
ist dabei egal. Über das Internet hat sich die Idee schnell verbreitet,
viele machen mit.
Zu Beginn des Vortrags bat Petzold die BesucherInnen, mal zu schätzen, wie
viele Kleidungsstücke sie besitzen, wie viele sie gerade tragen und auf wie
viele Teile sie verzichten könnten. Viele waren überrascht, wie viel da
zusammenkommt, wenn man mal kurz überschlägt.
Petzold las aus Berichten von TeilnehmerInnen. Sie schrieben, es sei eine
Erleichterung gewesen und sie hätten ihre Lieblingsteile besser schätzen
gelernt. Auch beim späteren Einkauf wurden sie treffsicherer.
Sowohl bei Petzold als auch bei Grunds Ansatz handelt es sich um Lösungen
von Problemen von wohlhabenden Menschen, vielleicht sogar von Problemen,
die eigentlich keine echten sind. Aber gerade dann schadet es nicht,
innezuhalten, sich zu fragen, auf wessen Kosten man gerade das dritte weiße
T-Shirt für 5 Euro kauft.
Petzold schlug vor, das gesparte Geld in faire Kleidung zu investieren,
secondhand zu kaufen und mehr zu tauschen. Moritz Grund hatte noch einen
Tipp: Keller und Kisten abschaffen. Denn wo es an Platz fehlt, kann man
auch keinen unnötigen Kram horten. JULIA BRUMMERT
18 May 2014
## AUTOREN
Julia Brummert
## TAGS
Reportage
Berlin
Konsumverhalten
Nachtleben
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