# taz.de -- Schwule Schützen: „Die Reaktion war sehr positiv“ | |
> Als sein Freund vor zwei Jahren Schützenkönig wurde, war Guido Leffrang | |
> der Königsbegleiter. Nun überlegt er, selber Schützenkönig zu werden. | |
Bild: Mai 2012: Guido Leffrang (links) tanzt mit seinem Lebensgefährten Roger … | |
HAMBURG taz | Als Jugendlicher bin ich natürlich zu den Schützenfesten | |
gegangen. Mitglied in einem Schützenverein war ich aber nie. Ich war nicht | |
so ein Vereinstyp. Verändert hat sich das, als ich ins Wendland nach Clenze | |
mit seinen 1.500 Einwohnern gezogen bin. Hier wird man ganz anders | |
aufgenommen. Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich Mitglied im | |
Schützenverein werden will und ich dachte, ich schau mir das mal an. | |
Meine Vorstellung, dass dort nur exzessiv gefeiert wird, hat sich als | |
völlig falsch herausgestellt. Das mag so gewesen sein, ist aber heute gar | |
nicht mehr möglich, weil die Leute alle arbeiten müssen. Es geht viel | |
gesitteter zu. 2005 bin in die Schützengilde in Clenze eingetreten. | |
Mein Freund Roger Habermann ist seit über 30 Jahren im Schützenverein | |
Sallahn. Er ist in dem 200-Einwohner-Ort aufgewachsen. Immer wieder wurde | |
er gefragt: Willst du nicht Schützenkönig werden? Wollte er nie. Als wir | |
schon eine Weile ein Paar waren, sagten seine Eltern, die sind dieses Jahr | |
beide 86 geworden, ach, wollt ihr beide nicht Schützenkönig werden? Sein | |
Vater ist schon ewig im Verein, war selbst Schützenkönig und er hat gesagt, | |
so Sohnemann, jetzt seid ihr dran. Die zwei haben sich überhaupt keine | |
Gedanken über die Reaktionen gemacht. | |
Wir haben uns schon gefragt, ob wir das machen können und wollen. Beim | |
Wollen waren wir uns schnell einig, so großartig sind die Verpflichtungen | |
ja nicht mehr. Früher musste man sich Schützenkönig vor allem leisten | |
können, musste ein Jahr die Schützen einladen. Da kamen schnell mal | |
vierstellige Beträge zusammen. In unseren beiden Vereinen mit ihren jeweils | |
etwa 110 Mitgliedern hat man gesagt, wenn wir weiter Schützenkönige haben | |
wollen, können wir denen diese finanziellen Belastungen nicht mehr | |
aufdrücken. Wenn der König mal eine Runde ausgeben will, ist das gut, den | |
Rest übernimmt der Verein oder die anderen geben einen Obolus dazu. | |
Als wir uns 2012 dafür entschieden haben, dass Roger König wird, sind wir | |
zum 1. Vorsitzenden gegangen. Er sagte sofort okay. Die einzige Sorge war, | |
wie die umliegenden Vereine wohl reagieren werden. Um das zu klären, wurde | |
auch der 1. Kreisvorsitzende darüber informiert, dass wir als Königspaar | |
auftreten werden. Auch hier war die Reaktion sehr positiv und die Rückfrage | |
war: Wo liegt das Problem? | |
Bevor Roger und ich vor acht Jahren ein Paar wurden, wussten nur Freunde | |
und Familie, dass wir schwul sind. In unseren Schützenverein haben sie es | |
vermutet, aber es spricht einen keiner direkt drauf an. Als wir | |
zusammenkamen, sind wir sehr bald gemeinsam losgegangen und dann war klar, | |
dass wir zusammengehören. Mittlerweile ist Roger in meinen und ich bin in | |
seinen Verein eingetreten und seit einigen Jahren sind wir beide jeweils 2. | |
Vorsitzender. Wir wurden erst in den Vorstand gewählt, als alle schon | |
wussten, dass wir zusammengehören. Das hat also in unseren Vereinen | |
niemanden gestört. Durch die Aussage, dass ich einen Freund habe, verändere | |
ich mich ja nicht. Nur meine Eltern waren etwas irritiert, dass ich so | |
aktiv in der Schützengilde mitwirke: Hier wolltest du nie in den | |
Schützenverein und jetzt das! | |
In unseren Vereinen sind 60 Prozent Männer und 40 Prozent Frauen. Es ist | |
oft so, dass die Frauen nur die Arbeiten, die an Schützenfesten anfällt, | |
erledigen dürfen – servieren oder die Küche machen. Bei uns sind die Frauen | |
volle Mitglieder. Nur Schützenköniginnen können sie noch nicht werden. Im | |
Umkreis gibt es schon viele Vereine, in denen auch die Frauen | |
Schützenkönigin werden können. Bei uns gibt es noch viele Anwärter auf den | |
Königsthron und unsere Frauen haben gesagt, sie wollen beim Königsschießen | |
gar nicht mitmachen. Das wird sicherlich in ein paar Jahren anders werden. | |
Es war ein Sonntag, als mein Freund zum König ausgerufen wurde, und es | |
blieb nur die Frage, wie ich eingeführt werde. Er war zwar nicht der erste | |
schwule Schützenkönig, aber wir waren die ersten, die so offen als Paar | |
aufgetreten sind. Und mich als „Königin“ auszurufen ist schon ein wenig | |
komisch, auch wenn die Bild-Zeitung das damals so betitelt hat. Sie haben | |
mich dann als „Königsbegleiter“ ausgerufen und das war gut. | |
Als Königspaar darf man die Ehrentänze eröffnen, auch bei den befreundeten | |
Vereinen. Ich habe gesagt, wenn die was gegen uns haben, werden sie diesen | |
Programmpunkt einfach ausfallen lassen. Aber das ist nirgendwo passiert. | |
Das hat mich schon gewundert. Und wir haben natürlich schon geschaut, wie | |
die einzelnen Mitglieder reagieren. Ich dachte, dass die älteren Mitglieder | |
ein Problem damit haben könnten. Viele sind schon 70 und älter. Aber so war | |
es nicht. Es hatten eher die Leute im mittleren Alter ein Problemchen | |
damit. Die Alten haben sich gefreut, dass Roger nach über 30 Jahren im | |
Verein endlich König wird. | |
Wir durften auch in Hannover auf dem Schützenfest mitlaufen. Dort gibt es | |
ein schwules Festzelt und viele kamen auf uns zu, die von uns gelesen | |
hatten und sich wunderten, dass es keine Probleme gab. In anderen Vereinen | |
dürfen schwule Königspaare nicht mitlaufen oder nur einzeln auftreten. | |
Hätte man das von uns verlangt, kann ich mit Sicherheit sagen, dass wir | |
nicht den Thron angestrebt hätten. | |
Wir hatten ein gutes Königsjahr. Auch wenn es manchmal ein bisschen | |
hektisch war, wenn sich gleich zwei Fernsehsender an einem Tag angemeldet | |
haben. Mit so einer großen Resonanz hatten wir nicht gerechnet, denn ein | |
schwules Königspaar sollte eigentlich kein Thema sein. Es haben dann aber | |
wirklich alle berichtet – sogar der Spiegel. | |
Wir haben großes Glück. Es gibt ja auch heute noch viele Regionen, in denen | |
gesagt wird, sowas möchten wir nicht. Aber hier ist auch das Wendland. | |
Durch die ganze Castor-Geschichte ist das Zusammengehörigkeitsgefühl ein | |
ganz anderes und es sind sehr viele Auswärtige hergezogen. Das darf man | |
nicht vergessen. Die Leute können hier offenbar mit uns leben. Ich will nun | |
auch Schützenkönig werden – aber erst in ein paar Jahren. | |
19 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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