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# taz.de -- Wirtschaft: Arbeit ist ungesund
> Mehr Werkverträge und hohe psychische Belastung bei guter
> Wirtschaftsprognose – die Arbeitnehmerkammer stellt ihre
> Betriebsrätebefragung vor.
Bild: Die psychische Belastung am Arbeitsplatz nimmt zu.
BREMEN taz | Im Rewe-Markt im Bremer Steintor sieht man sie regelmäßig:
Mitarbeiter in T-Shirts ohne Rewe-Emblem, die die Regale mit Waren
auffüllen. Die Supermarkt-Kette ist eines der Unternehmen, die Arbeit per
Werkvertrag an Fremdfirmen ausgliedert, die geringere Löhne zahlt. Ein
Effekt, der laut Arbeitnehmerkammer in Bremen zunimmt. Am Freitag stellte
sie ihre aktuelle Betriebsrätebefragung vor. Dem Trend folgend, schätzen
auch die Arbeitnehmer-VertreterInnen die wirtschaftliche Lage als gut ein
und erwarten eine positive Entwicklung in den nächsten Jahren. Von dem
Wachstum kommt bei den ArbeitnehmerInnen kaum etwas an: Bei Arbeitsplätzen
erwarten die Betriebsräte keinen Zuwachs, Leiharbeit und Werkverträge haben
zugenommen.
Aus 173 Unternehmen wurden die Betriebsräte befragt, insgesamt vertreten
sie rund 79.000 Bremer Beschäftigte. Mehr als die Hälfte der Betriebe
beschäftigt Leiharbeiter, mit gestiegener Einsatzdauer: In über einem
Viertel der Betriebe seien die Leiharbeiter länger als ein Jahr beschäftigt
– ein Zuwachs zur letzten Befragung, bei der dies nur vier Prozent für
ihren Betrieb nannten. In über der Hälfte der Unternehmen ersetzen oder
ergänzen die Leiharbeiter dabei laut der Studie die Stammbelegschaft. Und:
Ein Drittel der Befragten gab an, dass in ihrem Unternehmen Werkverträge
eingesetzt würden – ausgelagert seien dabei nicht mehr nur der
Kantinen-Betrieb oder die Raumpflege, sondern auch Teile der
Kernproduktion, bei Mercedes oder sogar bei Pflegebetrieben, wie Ingo
Schierenbeck erklärte, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer. Am
Industriestandort Bremen ist der Anteil von Leiharbeit traditionell sehr
hoch, etwa in der Offshore-Industrie. Dass nun Werkverträge zunähmen, läge
an den „veränderten Rahmenbedingungen“, die Leiharbeit unattraktiver
machten, so Schierenbeck.
Die allgemeine Verdichtung der Arbeit macht sich auch in den Aussagen der
Betriebsräte zur Gesundheit bemerkbar, die bei der Befragung in diesem Jahr
besonders im Blick war: Dreiviertel aller befragten Betriebsräte sprechen
von einer starken bis sehr starken psychischen Belastung. Über 80 Prozent
erwarten, dass diese noch zunimmt.
Dies sei „alarmierend“, sagte Elke Heyduck, Geschäftsführerin der
Arbeitnehmerkammer. Unter den ersten fünf Belastungen am Arbeitsplatz
nannten die Betriebsräte „Zeitdruck“, „zu hohes Arbeitsvolumen“,
„schlechtes Führungsverhalten“ oder „hohen Verantwortungsdruck“. Zu ho…
psychische Belastungen könnten schwere Auswirkungen haben, so Heyduck. Sie
verwies auf Zahlen von 2012, nach denen jede fünfte Erwerbsminderungsrente
auf psychische Erkrankungen zurückzuführen ist.
Auch die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Leiden ist in
den letzten Jahren rasant gestiegen und hat, laut einer Studie der DAK von
2013, in Bremen stärker zugenommen als im Bundesdurchschnitt. Gemessen an
den Tagen, die jemand wegen einer psychischen Erkrankung gefehlt hat, liegt
Bremen unter den Bundesländern auf dem vierten Platz.
Laut Arbeitnehmerkammer ergab die Betriebsrätebefragung auch, dass Bremer
Unternehmen in Sache Gesundheitsschutz nicht untätig seien, sie verlagerten
die Vorsorge jedoch auf die individuelle Ebene – in Form von
Vergünstigungen bei Fitness-Angeboten oder durch Betriebssport.
Gesundheitsvorsorge sei jedoch auch eine Frage von Arbeitsbedingungen. Viel
zu wenig werde dabei laut Studie die gesetzlich vorgeschriebene
Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz durchgeführt und dabei noch seltener
auf die psychische Belastung geachtet – obwohl auch diese seit 2011
vorgeschriebener Teil der Prüfung sei. Dies durchzusetzen sei auch Aufgabe
der Betriebsräte. Die Arbeitnehmerkammer appellierte an sie wie an die
Unternehmer und die Politik, sich diesem Thema verstärkt zu widmen.
Vonseiten der Handelskammer hieß es hierzu: Das Thema werde auch von dieser
ernst genommen. Die Kammer informiere über Gefährdungsbeurteilungen und
über Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz – auch vor dem Hintergrund
demografischer Veränderungen und eines Fachkräftemangels. Psychische
Probleme und Belastungen seien „ein vielschichtiges Problem, dass sich
nicht allein am Arbeitsplatz, sondern auch im privaten Umfeld abspiele“,
sagte Handelskammer-Referent Andreas Koehler. Er verwies auf eine
bundesweite Studie der Industrie- und Handelskammern, nach der die
Unternehmen aber in diesem Bereich „bemerkenswert aktiv“ seien: „Ein
Viertel der Unternehmen haben Angebote zu Stressbewältigung“, so Koehler.
6 Jun 2014
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Arbeitsbedingungen
Betriebsrat
Gesundheit
Werkverträge
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