# taz.de -- Afghanistans Stichwahl: Angst vor den Wahlverlierern | |
> Bei der 2. Runde der afghanischen Präsidentschaftswahl sind die Taliban | |
> kaum Thema. Es wächst die Sorge, dass es nach der Wahl zum Streit kommt. | |
Bild: Der Sieger der ersten Runde, Abdullah Abdullah, bei einer Wahlkundgebung … | |
KABUL taz | Der Gouverneur der ostafghanischen Provinz Ghazni, Musa Khan | |
Akbarzada, erzählt eine gute Nachricht: Das illegal besetzte und bebaute | |
Land, das dem Staat gehört, sei befreit worden. Die mafiösen Strukturen | |
seien zerstört, die Täter verhaftet. | |
Das sind Nachrichten, die Afghanen dieser Tage interessieren – kurz vor der | |
Stichwahl zwischen den Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah und | |
Ashraf Ghani Ahmadzai an diesem Samstag. | |
Denn jeder weiß: Die Regierung des bisherigen Präsidenten Hamid Karsai ist | |
bald Geschichte. Afghanistan bereitet sich auf die erste demokratische | |
Machtübergabe seiner Geschichte vor. | |
Dabei zerfallen alte Machtstrukturen. Viele, die mehr als zehn Jahre | |
dazugehörten, positionieren sich nun neu. Auch Kriminelle versuchen, ihre | |
noch bestehenden Verbindungen in die Regierung ein letztes Mal zu nutzen. | |
Mit Tricks bringen Sie staatliche Grundstücke unter ihrer Kontrolle und | |
verkaufen sie. | |
## Viele Versprechen von Ashraf Ghani Ahmadzai | |
Deshalb verspricht Ashraf Ghani Ahmadzai bei einer Wahlveranstaltung im | |
französischen Kulturzentrum in der Hauptstadt Kabul, den „Landklau“ zu | |
beenden. Bei ihm würden die Karrieristen leer ausgehen. | |
Hunderte junge Zuschauer, hauptsächlich Männer, jubeln bei jedem seiner | |
Sätze. Sie sind sicher: Der frühere Weltbankmitarbeiter hat ein gutes | |
Wirtschaftsprogramm. Er verspricht innerhalb fünf Jahren die Landwirtschaft | |
zu sanieren, Eisenbahnlinien zu bauen, Bürokratie zu beseitigen, Steuern zu | |
senken, die Teppichindustrie zu retten und „Trockenhäfen“ für afghanische | |
Exportprodukte zu installieren. | |
Er verschweigt, wie er das alles in einem Land machen will, das fast keine | |
Infrastruktur hat, in dem kaum jemand Steuern zahlt und es keine | |
Exportprodukte gibt. Das muss er auch gar nicht erklären, denn seine | |
Anhänger glauben es ihm auch so. | |
## Körpersprache der Hilflosigkeit | |
Mit seinem schwarzen Anzug, der knallroten Krawatte und weißen Socken ist | |
Ashraf Ghani kein charismatischer Politiker. Auch seine Körpersprache | |
drückt eher Hilflosigkeit aus. | |
Doch seine zumeist jungen Wähler gehen fest von einem Wahlsieg aus, obwohl | |
Ashraf Ghani Ahmadzai nach der ersten Runde weit hinter dem führenden | |
Kandidaten Abdullah Abdullah zurückliegt. | |
Selbst Homayoun Shah Assefi, ein Wahlhelfer des Gegenkandidaten Abdullah | |
Abdullah, gibt sich ratlos. „Abdullah kennt sich in der Innen- und | |
Außenpolitik bestens aus, aber Ashraf Ghani und sein Team sind einfach | |
besser in Wirtschaftsfragen“, sagt er. | |
## Mit Wahlbeobachtern gegen Wahlfälschungen | |
Das glaubt auch Aziz Amid Ahmadzai. Der junge Beamte vom | |
Landwirtschaftsministerium gehört zu Aschraf-Ghanis-Wahlteam. „Wir werden | |
gewinnen“, sagt er mit einem breiten Lächeln, „ weil wir mit 55 Tausend | |
Beobachtern in ganz Afghanistan Wahlfälschungen verhindern werden.“ | |
Für ihn steht fest: Abdullah kann nur durch Betrug gewinnen. Wenn Abdullah | |
dennoch siegt? „Dann verlasse ich das Land, denn Abdullah kann keinen | |
Frieden bringen.“ | |
Abdullah gilt als Vertreter der Tadschiken und ehemaligen Mudschahidin, die | |
in den 1980er Jahren gegen die sowjetischen Truppen kämpften. Außer dem | |
Versprechen, er würde die Korruption besiegen, hat er kein Programm. | |
## Siegessichere Unterstützer | |
Doch Abdullah hat eine ruhige Art und klingt überzeugender als sein Gegner, | |
wenn er von „islamischen Werten der afghanischen Gesellschaft“ spricht. | |
Auch seine Unterstützer sind ganz siegessicher. Denn Abdullah habe | |
ethnische Barrieren überwunden. Viele Paschtunen in Kandahar wie im | |
östlichen Nangarhar unterstützten ihn, so wie Teile der Turkmenen und | |
Usbeken. | |
Die Taliban, die weiterhin die Wahlen stören wollen, spielen im Wahlkampf | |
kaum eine Rolle. Nicht einmal ihre Drohungen, den zweiten Wahlgang in einem | |
Blutbad enden zu lassen, beeindruckt die Menschen. Nach dem weitgehend | |
friedlichen und erfolgreichen ersten Wahlgang im April wirken die Wähler | |
entspannt. | |
Das bestätigt auch Fahim Naimi, der Sprecher der FEFA, einer unabhängigen | |
afghanischen Wahlbeobachterorganisation. Laut Naimi fürchten die Wähler die | |
Taliban nicht mehr. | |
## Keine Bereitschaft zur eigenen Niederlage | |
„Es gibt aber eine neue Gefahr“ sagt er, „die Anhänger beider Kandidaten | |
scheinen nicht bereit zu sein, die Ergergebnisse zu akzeptieren, sollte ihr | |
Kandidat verlieren.“ | |
Zahra, eine Mitarbeiterin des afghanischen Außenministeriums, drückt es mit | |
folgenden Worte aus: „Vor dem Wahltag habe ich keine Angst. doch sobald die | |
Ergebnisse bekannt werden, werden beide Parteien aufeinander schießen!“ | |
12 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Cem Sey | |
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