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# taz.de -- Maßnahmen gegen Obdachlose: Ignoranz ist überall
> In London will man mit Metallspitzen im Boden Obdachlose abwimmeln. So
> groß die Empörung im Internet ist, so heuchlerisch ist sie.
Bild: Da sieht man gerne mal weg
In London wurde die Nische neben einem Hauseingang mit dicken Metallspitzen
versehen. Das sollte Obdachlose davon abhalten, Schutz zu suchen. Ein
junger Mann entdeckte sie auf dem Weg zur Arbeit und teilte ein Foto
[1][via Twitter]. Das Internet empört sich seit Tagen über diese
Unmenschlichkeit.
Aus allen Ecken der Welt tauchen nun Fotos auf. Hier [2][gestachelte
Hydranten und Blumentöpfe] in New York, da [3][spitze Steine unter Brücken
in Kapstadt]. Aktivisten überschütten die Spitzen [4][mit Beton], es werden
[5][„Anti-Spikes-Anzüge“] erfunden und eine [6][Petition] gegen die
Metallspitzen gibt es auch schon. Aber bringt das denn irgendwas? Die
„Anti-Homeless-Spikes“ sind keine Neuheit und schon gar nicht ist die
Einstellung neu, dass Obdachlose vertrieben werden sollen, weil sie das
Auge beleidigen.
Die Aufregung um die inhumane Vorgehensweise ist verständlich, aber man
sollte sich wohl auch fragen, ob man nicht mitverantwortlich ist für diese
Entwicklung.
Wie würde man denn selbst reagieren, wenn ein Obdachloser in der Nische vor
der eigenen Tür leben würde? Man könnte ihm natürlich jeden Morgen ein
Brötchen mitbringen, mal ne Decke oder ein paar Euro schenken und einfach
akzeptieren, dass dieser Mensch keinen anderen Ort hat als diese Ecke an
der Haustür. Das ist aber nicht die Realität. Die meisten würden die Nase
rümpfen, sich bei der Hausverwaltung beschweren oder gleich die Polizei
rufen – denn sie würden das als Bedrohung wahrnehmen. Es wäre eine
Abwertung der Immobilie und somit eine Abwertung des eigenen Status.
Es wäre naiv anzunehmen, dass nur reiche oder konservative Menschen so
denken. Ignoranz ist eine Eigenschaft, die sich durch alle Wählergruppen
und Altersschichten zieht. Armut ist das Problem der anderen. Sie wird nur
zeitweise wahrgenommen, wenn man aus Mitleid ein paar Euro spendet, um das
eigene Gewissen zu beruhigen. Oder eben, wenn man sich aus dem sicheren
Wohnzimmer digital über Metallspitzen am Londoner Boden aufregt. Aber dann
ist auch Schluss, näher soll sie einem nicht kommen, die Armut. Könnte ja
ansteckend sein.
Anders kann man sich nicht erklären, dass in den Großstädten Europas so
viel Geld in Anti-Obdachlosen-Maßnahmen investiert wird. Wenn alle der
Meinung wären, dass ein Obdachloser das gleiche Recht darauf hat auf einer
Parkbank ein Nickerchen zu machen wie jeder Bürohengst in seiner
Mittagspause auch, könnte man sich das Geld getrost sparen. Aber die
sichtbare Armut widert die Menschen an, sie erinnert sie an ihre
Verlustängste und an Vergänglichkeit.
Deswegen wird auch in Deutschland Geld in Maßnahmen statt in Hilfe
investiert. Es werden [7][Zäune unter Brücken errichtet] und Bänke mit
Kanten, Lehnen und Rundungen versehen. Es wird das Ordnungsamt gerufen,
wenn ein Obdachloser sein Geschäft in einem Park verrichtet. Bahnhöfe
werden mit klassischer Musik in Endlosschleife beschallt und Einfahrten
nachts mit Wasser besprenkelt. Weil man eben auch hier [8][von etwa 24.000
Menschen] verlangt, dass sie das Unmögliche tun und sich in Luft auflösen.
15 Jun 2014
## LINKS
[1] http://twitter.com/ethicalpioneer/status/474981723022049280/photo/1
[2] http://twitter.com/RaniaKhalek/statuses/476111625058267137
[3] http://twitter.com/caillemillner/status/476067828945010689
[4] http://www.vice.com/en_uk/read/activists-vandalised-the-anti-homeless-spike…
[5] http://www.insecurespaces.net/archisuits.html#
[6] http://www.change.org/en-GB/petitions/mayoroflondon-residential-property-pa…
[7] /!78667/
[8] http://www.bagw.de/de/themen/zahl_der_wohnungslosen/
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
Schwerpunkt Armut
Ausgrenzung
London
Obdachlosigkeit
London
Cuvrybrache
Görlitzer Park
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