# taz.de -- Beklauter „Welt“-Reporter in Manaus: Stinkender Höllenritt | |
> Weil ihm sein Handy auf dem Weg zum Stadion geklaut wurde, verdammt ein | |
> Springer-Reporter eine ganze Stadt. Dabei entlarvt er sich selbst. | |
Bild: Erschreckend: Brasilianer in Manaus. | |
Lutz Wöckener hatte sich gut vorbereitet auf seine Reise nach Manaus, dem | |
entlegensten Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft. Der | |
Welt-Reporter tauschte sich mit anderen Ausländern aus, ließ seinen Ehering | |
vorsorglich zuhause und versteckte den Großteil seines Geldes im Schuh – | |
und alles nur, um seine Abenteuerreise in eine der zwanzig gefährlichsten | |
Städte weltweit unbeschadet zu überstehen. Doch alles nutzte nichts: Eine | |
Busfahrt in diesem Höllenloch reichte aus, dann war Wöckener um ein paar | |
Reais und ein iPhone ärmer. | |
Den ganzen Vorgang hat der Springer-Haudrauf nun [1][in einer Art | |
Kriegsreportage festgehalten]. Alle Welt soll wissen, wie es dem | |
furchtlosen Journalisten in den Untiefen einer unterentwickelten | |
Zivilisation ergangen ist. Wöckener beschreibt also, wie er sich in einen | |
Linienbus traute, der „schier unglaublich“ voll war. Eine verständliche | |
Diagnose, denn ein überfüllter Nahverkehr ist vor Fußballspielen im gut | |
situierten Deutschland, zumal in Berlin, nun wahrlich eine Seltenheit. | |
Weil die sonderlichen Brasilianer auf ihrem Weg zum Stadion dann auch noch | |
zu singen begannen, machte Wöckener ein Video – bedeutende journalistische | |
Arbeit also. Als er sein Handy wieder wegstecken wollte, griff eine Hand | |
danach, eine präsentierte Pistole tat ihr Übriges: Das Arbeitsgerät war er | |
los, dazu ein bisschen Kleingeld aus seiner Tasche. Als hätten diese | |
Ureinwohner noch nie etwas von Pressefreiheit gehört. | |
Jetzt schäumt der Bestohlene vor Wut und lässt seinem verletzten Stolz | |
freien Lauf: „Manaus, ich mag dich nicht. Du bist schäbig, weltfremd und | |
faul. Ich begegnete dir mit Respekt und gab dir die Chance, mir deine | |
schlechte Seite zu verheimlichen. Manaus, ich werde noch ein paar Tage | |
bleiben, aber ich werde nicht wiederkommen und werde allen erzählen, wie du | |
bist.“ | |
## Besondere Ausprägung von Narzissmus | |
Ganz im Gegensatz zu seiner Intention, verrät das rührselig-aggressive | |
Stück aber vor allem mehr über seinen Autor als über die Stadt Manaus. Wer | |
sein persönliches Schicksal derart ausschlachtet, scheint unter einer ganz | |
besonderen Ausprägung des Narzissmus zu leiden. Und wer eine ganze Stadt | |
mit ihren zwei Millionen Einwohner für einen – zugegebenermaßen | |
unerfreulichen Vorfall – derart verdammt, sollte von Anstand besser | |
schweigen. | |
Könnte es sein, dass Wöckener ganz und gar unzufrieden damit ist, seinen | |
Dienst nicht im noblen Ipanema verrichten zu dürfen, in einer | |
Fünf-Sterne-Luxussuite und einem Chauffeur für den Transfer ins Maracanã? | |
Hätte er lieber dort gearbeitet, wo von der rauen Wirklichkeit Brasiliens | |
nichts zu spüren ist? | |
Vielleicht wären ihm dann seine unterschwellig rassistischen Klischees vom | |
faulen, kriminellen Brasilianer nicht ganz so leicht in den Kopf gestiegen. | |
So treibt er die Vorurteile aber auf die Spitze und arbeitet sich noch an | |
seinen schwitzenden und stinkenden Mitfahrern ab. Ganz so, als würde er | |
selbst in der schwülen Hitze nur nach Kölnisch Wasser riechen. Was hier | |
stinkt ist nicht Manaus. | |
15 Jun 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.welt.de/sport/article129051862/Wie-der-Welt-Reporter-in-Manaus-a… | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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