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# taz.de -- Kommentar „Wort zum Sonntag“: Ein trostloses Ding
> Das jüngste „Wort zum Sonntag“ in der ARD und der Spott über Predigerin
> Verena Maria Kitz: gemein und hässlich. Ein Lob zum Montag!
Bild: Amen: In der Halbzeit des WM-Spiels England-Italien strahlte die ARD das …
Ich musste in der ARD-Mediathek nachhören, was sie sagte, die Theologin
Verena Maria Kitz bei ihrem „[1][Wort zum Sonntag]“ in der Halbzeitpause in
der Nacht zum Sonntag. Ich sah sie nur, schaltete den Ton ab – und dachte:
Was für eine aufgekratzte junge Frau im roten Blusenlook, mit absolut
gefühlsneutral gekämmtem Haar, mit predikantinnenhaft einladenden,
armrudernden Gesten.
Aber ich holte Wein aus dem Kühlschrank und wollte lieber telefonieren.
Doch tonlos nahm sie sehr ein. Ihr Job war schließlich in dieser Nacht der
schwerste aller denkbaren. Wie hätte sie uns einnehmen können, wenn man
doch nur auf FußballFußballFußball geeicht ist?
Musste sie nicht scheitern mit ihrem Anliegen, die Dinge der Armut in
Brasilien nicht zu vergessen, ja, einen „Seitenwechsel“ zu imaginieren –
und die „Ungerechtigkeit spüren“ zu lassen: Dass man in einer sicheren,
guten, materiell alles in allem in trockenen Tüchern befindlichen Welt
lebt?
Sie machte es okay, muss ich sagen. Und sie muss gewusst haben, dass man
sie bespötteln wird. Dass man über sie lästert, weil sie so
kindergartenpusselig ein „Huch“ ausbrachte, als sie ihren Schrecken
beschrieb, dass Mannschaften nach der Halbzeit die Richtung ihres Tordrangs
wechseln. Ja, das ist nicht nur naiv gewesen, vielleicht war es sogar
absichtslos dumm und bescheuert.
## Kirchensonntagsfröhlichenthemmt
Ebenso ließe sich viel monieren, dass diese Frau wie eine
kirchensonntagsfröhlich-enthemmte, also verklemmte Frau (es hätte auch ein
Mann sein können, fürwahr) sich benahm. Wie sie die Augen aufriss bei
Worten wie „Ungerechtigkeit“ und „spürte“ – das war fast so alarmiert
posierend wie Petra Gerster bei einer ihrer Moderation von „Heute“ im ZDF.
Es war, so gesehen, ohnehin ein trostloses, weil falsches Ding, dieses
„Wort zum Sonntag“ in den Fluss des Fußballerischen zu verlegen. Glaubt in
den Amtskirchen wirklich irgendeiner, diese Sendung böte irgendjemand
Inspiration, ein Innehalten im Gerede und Getue des Tages? Nie schien das
„Prinzip Hoffnung“ dringlicher in Erinnerung zu rufen als in diesen
Minuten: Möge doch einer ihre Botschaft hören wollen.
In Wahrheit, und zwar in der tiefsten Bedeutung des Jesus von Nazareth, den
sie leider erst im dritten Drittel ihrer knapp vierminütigen Ansprache
erwähnte, war ihre Predigt, wie fast alle mit amtskirchlichem
Herkunftsstempel, verfehlt, weil sie gefühlsarm wirkte. Nicht, dass Frau
Verena Maria Kitz keine Empfindungen hätte, aber sie verströmte so dieses
typisch protestantisch Durchgefühlte: eine Sentimentalisten des kritischen
Weltempfindens, nicht eine, die wirklich zürnt und hadert.
Ihre Rhetorik in Gänze lebte – wie die so gut wie aller „Wort zum
Sonntag“-KollegInnen – von der inneren Fadheit, die im
gastronomisch-kulinarischen Bereich aufkommt, macht man sich über einen
Teller Hafenflocken her, zubereitet ohne Zucker oder Salz, auf jeden Fall
gewürzlos.
## Kastriertes Evangelentum
Auf ihre „Seitenwechsel“-Predigt hin betrachtet, heißt das: Dieses
Evangelentum, und sei Jesus von Nazareth noch so sehr angeführt, ist ein
kastriertes. Allein schon, dass sie so animationsselig sprach, ohne
wirklich zum Zuhören zu verführen, sprach gegen sie. Warum keine echten
Drohungen? Mahnungen, dass sonst Heimsuchungen, Pest und Schwefel drohten,
mache man sich ihre Gedanken nicht zu eigen?
Hat man als – so im expliziten Sinne gottlos, wie man eben in einer
säkularen Welt eben sein darf – BürgerIn nicht das Recht, mit biblischem
Fundament bedroht zu werden? Etwa: Liebe Zuhörer, Fußball mag toll sein.
Aber wenn Sie weiter so dumpf vor sich hin genießen, was sie glauben zu
genießen, kommen Heuschreckenplagen über sie, Verderbnis und Fäulnis? Ihr
Charakter ist der von Zeloten und Zöllnern – denn ihr Tun, besinnungslos
fußballorientiert, ist auch nicht besser als das jener Gefängniswärter in
den Katakomben von Rom, die die Gutwilligen den Löwen zum Fraße vorwarfen?
Nein, so sprechen sie nicht. Und solange sie das nicht tun, solange sie uns
mit Mildheit und Güte in Ödnis stürzen, werden wir für sie – allenfalls �…
Mitleid aufbringen: Auf dass sie Fußball endlich verstehe und nicht
erschrickt, wenn nach der Halbzeit ein „Seitenwechsel“ nichts bedeutet, als
dass man auf das andere Tor sich zu bewegen sucht. Diese Predigt war – man
seufzt im Sinne aller Heiligen der Bibel – trostarm, vor allem
erbarmungslos nichtig.
15 Jun 2014
## LINKS
[1] http://www.ardmediathek.de/tv/Das-Wort-zum-Sonntag/Verena-Maria-Kitz-sprich…
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
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