# taz.de -- Bergarbeiterstreik in Südafrika: Hunger, Angst und Empörung | |
> Ein Deal zur Beendigung des Bergarbeiterstreiks im Platingürtel um | |
> Marikana ist geplatzt. Das nützt vor allem der neuen linken Opposition. | |
Bild: Ein neuer Tag des Hungerns bricht an: Sonnenaufgang über Südafrikas Pla… | |
JOHANNESBURG taz | Die Hoffnungen auf ein Ende des fünfmonatigen Streiks | |
der Bergleute in den Platinminen von Marikana in Südafrika sind erneut | |
gesunken. Noch Anfang der Woche war die Stimmung in Südafrika nach | |
scheinbar erfolgreichen Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und den drei | |
größten Platinkonzernen in der Region nordwestlich von Johannesburg positiv | |
gewesen. Am Mittwochabend aber erklärten die Firmen, die Gewerkschaft AMCU | |
(Vereinigung der Berg- und Bauarbeiter) habe wieder neue Forderungen auf | |
den Tisch gebracht, die angeblich nicht finanzierbar seien. Damit ist der | |
Deal, der vergangene Woche angeblich unterschriftsreif auf dem Tisch lag, | |
geplatzt. | |
Das bedeutet eine Verschlimmerung der sozialen Lage in den bereits | |
verarmten Gemeinden im Platingürtel, in dem etwa 70.000 Kumpels seit Januar | |
dieses Jahres streiken. Sie verlangen etwa 150 Prozent mehr Lohn, weil ihre | |
Arbeit in den reichen Bergwerken des Landes seit Jahrzehnten schlecht | |
bezahlt ist. Ihre Forderung von 12.500 Rand (860 Euro) pro Monat fanden die | |
Firmenbosse jedoch „unrealistisch“, und sie lehnten Zuschläge von mehr als | |
10 Prozent ab. | |
Das letzte Angebot der Firmen belief sich dann doch auf etwa 20 Prozent | |
Erhöhung oder 1.000 Rand mehr. Die radikale Gewerkschaft AMCU hatte dem „im | |
Prinzip“ zugestimmt, doch jetzt seien zusätzliche „Rückkehrbonusse“ in … | |
von 3.000 Rand pro Streikendem und geforderte Moratorien bei | |
Stellenstreichungen dazugekommen, sagen die Firmen. „Wir wissen nicht, ob | |
die Bergwerke in den nächsten Jahren profitabel sind“, sagte | |
Implats-Sprecher Johan Theron. „Wie können wir da zustimmen, nicht | |
umzustrukturieren?“ | |
Die drei Platinförderer haben angeblich seit Streikbeginn zwei Milliarden | |
US-Dollar verloren, und Arbeitnehmer hätten zehn Milliarden an Verdienst | |
verloren, heißt es. Insgesamt hat der fünfmonatige Streik der | |
südafrikanischen Wirtschaft schwer zugesetzt. Die Produktion in der | |
gesamten Bergbauindustrie ist in den ersten drei Monaten dieses Jahres um | |
25 Prozent gesunken – das schlechteste Ergebnis seit fast 50 Jahren. | |
Südafrika ist das weltweit größte Platinförderland, und etwa 80 Prozent der | |
Reserven der Welt befinden sich in Südafrika. | |
„Die Bosse essen, und wir hungern“, sagen Menschen in der armen Siedlung | |
Wonderkop nahe Marikana. In den notdürftig eingerichteten Wellblechhütten | |
am Lonmin-Werk herrscht düstere Stimmung, viele Kumpels sind in ihre Heimat | |
ins Ostkap zurückgekehrt. Sie können die Schulgebühren für ihre Kinder | |
nicht mehr bezahlen und sich kaum ernähren. Kleine Geschäfte in den | |
Bergbausiedlungen mussten schließen, denn ihre Kunden blieben aus und | |
Mieten blieben unbezahlt – viele zugezogene arme Arbeiter mieten in | |
Hinterhöfen eine Bleibe. Die südafrikanische Hilfsorganisation Gift of the | |
Givers ist nicht nur in afrikanischen Konfliktregionen aktiv, sondern hat | |
Ärzte in den Platingürtel geschickt und Essenspakete ausgeteilt. | |
## Vorwurf des Ausverkaufs | |
In der Region herrscht nicht nur Hunger, sondern auch Angst. Die Kumpels | |
sprechen oft nur in Andeutungen, und hinter vorgehaltener Hand behaupten | |
einige, dass AMCU sie einschüchtere. Denn angeblich wollen viele zurück zur | |
Arbeit, bleiben aber auf Druck der Gewerkschaft daheim. Als die Firmen ihre | |
Arbeiter per SMS zurückholen wollten, ging AMCU auf die Barrikaden. | |
Die relativ junge Gewerkschaft hatte im August 2012 die Unzufriedenheit der | |
Bergleute genutzt, sich gegen die der Regierung nahestehende etablierte | |
Bergarbeitergewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) als neue | |
Hauptvertreterin der Arbeitnehmer bei den Platinförderunternehmen | |
durchzusetzen. Damals waren 34 streikende Bergleute von der Polizei in | |
Wonderkop erschossen worden. | |
Seit die den Streikenden nahestehende neue linke Oppositionspartei EFF | |
(Economic Freedom Fighters) bei den Wahlen im Mai ins Parlament einzog, | |
wird der Streik auch mit neuer Kraft im Parlament ausgetragen. Diese Woche | |
kritisierte EFF-Parteiführer Julius Malema in seiner ersten Parlamentsrede | |
lautstark Präsident Jacob Zuma. | |
„Es fehlt Ihnen an Mut, und Sie haben die Revolution ausverkauft“, rief | |
Malema, der im roten Hemd der EFF ans Rednerpult trat, an Zuma gerichtet. | |
„Sie haben nicht, was nötig ist, um einen Kampf zur ökonomischen | |
Emanzipation der schwarzen Mehrheit, insbesondere der Afrikaner, zu führen. | |
Sie haben große Angst vor weißen Menschen.“ EFF, ein Geldgeber der AMCU, | |
erhielt in Marikana und dem umliegenden Bergbaugebiet bei den Wahlen | |
teilweise über 50 Prozent. | |
19 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
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