# taz.de -- Präsidentin instrumentalisiert Nationalelf: Sieg für Chile und f�… | |
> Die sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet reklamiert das gute | |
> Auftreten der „La Roja“ in Brasilien für sich – mit großem Erfolg. | |
Bild: Skandalspiel im Maracanã 1989: Chiles Keeper Rojas wurde nicht von einem… | |
BUENOS AIRES taz | Den Auftakt machten die 33 Bergleute von San José: Mit | |
der Videobotschaft, dass für einen Chilenen da draußen in der Welt nichts | |
unmöglich ist und dass er den Tod nicht fürchten muss, schickten sie ihre | |
National-mannschaft nach Brasilien. Eigentlich ist die sensationelle | |
Rettung der 33 Bergleute im Jahr 2010 untrennbar mit der Präsidentschaft | |
des konservativen Multimillionärs Sebastián Piñera verbunden. Und wohl auch | |
nur deshalb wird Piñera der Welt und vielen Chilenen in Erinnerung bleiben. | |
Die PR-Abteilung von Chiles gegenwärtiger Präsidentin Michelle Bachelet hat | |
den Ball jedoch sofort aufgenommen und begriffen, dass jeder Sieg ein Sieg | |
für Chile und einer für Bachelet sein muss: Das 3:1 gegen Australien | |
widmete die Präsidentin den Opfern der Erdbeben am Ende ihrer ersten | |
Amtszeit und der Brände in und um die Hafenstadt Valparaiso zu Beginn ihrer | |
zweiten Amtszeit. Das 2:0 gegen Spanien nannte sie gar die 57. Maßnahme | |
ihrer ersten 100 Tage, für die sie beim Amtsantritt am 11. März lediglich | |
56 Maßnahmen angekündigt hatte. | |
Jetzt fehlt nicht mehr viel, bis sie verkündet, dass sie den Grundstein für | |
den Erfolg der chilenischen Nationalmannschaft bereits in ihrer ersten | |
Amtszeit 2006 bis 2010 legte, dass die Zeit unter ihrem Nachfolger | |
Sebastián Piñera (2010–2014) nur eine kurze und glücklose Unterbrechung war | |
und dass Chile der Welt endlich gezeigt hat, dass man oben ganz | |
selbstverständlich dazugehört. | |
Zumindest mit der Grundsteinlegung hätte Bachelet nicht unrecht. Vor ihr | |
konnte sich kein Präsident mit Erfolgen der chilenischen | |
Fußballnationalmannschaft schmücken. Auch die Fans pilgerten eher wegen der | |
prominenteren Gastmannschaften zu den Länderspielen als wegen der eigenen | |
undisziplinierten Kicker. Den beschämenden Höhepunkt markierte das Jahr | |
1989. Im WM-Qualifikationsspiel gegen Brasilien im Maracanã-Stadion brach | |
Chiles Torhüter Roberto Rojas in der 67. Minute von einem Feuerwerkskörper | |
getroffen zusammen. Blutüberströmt wälzte er sich am Boden, das Spiel wurde | |
abgebrochen. | |
## Rasierklinge im Handschuh | |
Fernsehbilder bewiesen jedoch, dass der Feuerwerkskörper Rojas gar nicht | |
getroffen hatte. Schließlich stellte sich heraus, dass er sich die | |
Verletzung mit einer in seinem Handschuh eingeschmuggelten Rasierklinge | |
selbst beigebracht hatte. Brasilien wurde nachträglich zum Sieger erklärt, | |
Chile verpasste die WM-Quali für Italien und wurde von der 94er WM in den | |
USA ausgeschlossen. Im heutigen Jubel auf Chiles Straßen liegt auch die | |
Erlösung von der Schuld. | |
Fühlt sich Bachelet als Mutter des Erfolges, so ist der Vater nicht | |
anwesend: Marcelo Bielsa. Der Argentinier, der das Team von 2007 bis 2010 | |
trainierte, scheidet Chiles Profifußball in ein Vorher und ein Nachher. | |
2007 trainierte La Roja erstmals unter modernsten Bedingungen für die | |
Qualifikationsspiele für die WM 2010 auf renoviertem Gelände – und kam nach | |
12 Jahren ohne Qualifikation bis ins Achtelfinale. | |
Den Weg dahin hatte der damalige Verbandspräsident Harold Mayne-Nicholls | |
geebnet. Mayne-Nicholls hatte Bachelet nach ihrem Amtsantritt 2006 im | |
Präsidentenpalast aufgesucht und sie von der Bewerbung um die Austragung | |
der U20-Frauen-WM 2008 überzeugt. Bachelet versprach Unterstützung und | |
Investitionen in neue Stadien und Trainingsanlagen. | |
Chile erhielt den Zuschlag, und Bachelet ließ vier Fußballstadien umbauen. | |
Zudem wurde das Nationalstadion in der Hauptstadt Santiago modernisiert | |
sowie Stadien in elf weiteren Städten verbessert. In ihre Amtszeit fällt | |
auch die erfolgreiche Bewerbung um die Südamerikameisterschaft 2015, die | |
sie wohl als wieder amtierende Präsidentin eröffnen wird. | |
## Der alte Schlendrian | |
Bachelet traf Bielsa erstmals im Oktober 2009, nachdem sich Chile bereits | |
für die WM in Südafrika qualifiziert hatte. Die Beziehung zwischen den | |
beiden entwickelte sich derart, dass Bachelet gut ein Jahr später mitteilen | |
musste, sie hätte „schon so etwas wie Lust gehabt“ und das Gerede störe s… | |
persönlich nicht, denn sie sei Single, für den verheirateten Bielsa müsse | |
es dagegen schwieriger sein. | |
Der Rest ist schnell erzählt: Harold Mayne-Nicholls wurde unter dem rechten | |
Präsidenten Piñera abgelöst. Bielsa kündigte deshalb seinen Vertrag. Unter | |
dem Nachfolgetrainer Claudio Borghi riss der alte Schlendrian wieder ein. | |
Ende 2012 zog der Verband die Reißleine. Mit dem Argentinier Jorge Sampaoli | |
verpflichtete der Verband einen 150-prozentigen Bielsa-Jünger. Bachelet ist | |
wieder Präsidentin. Fehlt nur noch der Pokal. | |
23 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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