# taz.de -- Website „If we were Syrian“: Ein Rollentausch, der Angst macht | |
> Dortmund gibt es nicht mehr: Die Website „If we were Syrian“ zeigt mit | |
> drastischen Mitteln, wie die G7-Staaten aussähen, wenn sie Syrien wären. | |
Bild: Drastik pur: Ifweweresyrian.org | |
BERLIN taz | Die Einwohner in Leverkusen lebten alle nicht mehr. Berlin, | |
München und Frankfurt wären verlassene Städte, Würzburg und Dortmund | |
ebenso. Die Leute dort wären aus ihren Häusern geflohen, hätten Zuflucht | |
gesucht auf dem Land oder im benachbarten Ausland. Außerdem wäre jedes Kind | |
unter sieben Jahren gezwungen, sein Zuhause zu verlassen. Jedes einzelne. | |
So sähe die Bundesrepublik aus – wenn Deutschland Syrien wäre. | |
Schätzungen zufolge hat der Bürgerkrieg in Syrien bereits 160.000 | |
Todesopfer gefordert, über neun Millionen Menschen wurden vertrieben und | |
leben auf der Flucht im In- oder Ausland. Die Internetseite „[1][If we were | |
Syrian]“ rechnet diese Zahlen nun in lebensweltliche Einheiten um, damit | |
sie zumindest ansatzweise greifbar werden. Initiiert wurde die Seite von | |
Shannon Gormley und Drew Gough, zwei kanadischen Journalisten, die seit | |
mehreren Jahren über die Syrienkrise berichten. | |
Für jeden der G7-Staaten veranschaulicht auf der Homepage ein Schaubild, | |
was es für das jeweilige Land bedeutete, wenn es Syrien wäre. In | |
Großbritannien etwa entsprechen 160.000 Tote einer Stadt wie Reading samt | |
Umland. In Frankreich sind es Cannes und Avignon zusammen. Und wären in den | |
USA über neun Millionen Menschen vertrieben worden: Ganz New York City wäre | |
eine Geisterstadt, dazu noch Buffalo, Albany und sechs weitere Städte. | |
Shannon Gormley und Drew Gough wollen mit „If we were Syrian“ nicht nur das | |
Ausmaß der humanitären Katastrophe in Syrien verdeutlichen. Das belegen | |
allein schon die nackten Zahlen. Vielmehr wollen sie diese abstrakten | |
Ziffern konkret machen, ihnen ein Gesicht geben. Zu wissen, dass in Syrien | |
bereits über 10.000 Minderjährige ums Leben gekommen sind, ist eine Sache. | |
Vorgerechnet zu bekommen, dass das 185 Schulbusse voller Kinder sind, eine | |
ganz andere. Man könnte auch sagen: Gormley und Gough legen den Besuchern | |
ihrer Seite den Brügerkrieg vor die Haustür. | |
„Wenn wir uns die Krise in unserem eigenen Land vorstellen könnten, würden | |
wir den Menschen in Syrien möglicherweise mit mehr Entschlossenheit | |
helfen“, schreiben sie auf der Seite. Die G7-Staaten haben sie dabei | |
bewusst für ihr Projekt gewählt: „Sie (die G7, Anm.) können und sollten der | |
syrischen Bevölkerung mehr finanzielle Mittel und Unterstützung bei der | |
Umsiedlung zukommen lassen.“ | |
In Zusammenhang mit der Syrienkrise ist „If we were Syrian“ bei weitem | |
nicht die erste Protestaktion, die im Internet und über soziale Medien | |
versucht, Druck auf die Politik auszuüben. Vor wenigen Wochen erst hat das | |
[2][Zentrum für Politische Schönheit] um den Berliner Aktionskünstler | |
Phillip Ruch eine Aktion mit der gleichen Intention gestartet. Auf einer | |
fingierten Webseite wurde ein historisches Hilfsprogramm angekündigt, in | |
dessen Rahmen 55.000 syrische Kinder in Deutschland aufgenommen werden | |
sollten. | |
Die Aktion war ein Fake, zog jedoch ein breites Medienecho nach sich und | |
gipfelte darin, dass die Aktionsgruppe zu einem Gespräch ins | |
Bundeskanzleramt eingeladen wurde. Dass Online-Proteste ein wirksames | |
Mittel der Agitation sind, steht längst außer Frage. Es wäre „If we were | |
Syrian“ zu wünschen, dass die Seite ähnlich viel Beachtung findet. | |
3 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://ifweweresyrian.org/ | |
[2] http://www.politicalbeauty.de | |
## AUTOREN | |
Josef Wirnshofer | |
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