| # taz.de -- Plastikkatzen in Schaufenstern: Winke, winke von der Katzenmafia | |
| > In vielen asiatischen Geschäften sieht man kleine Kätzchen winken – und | |
| > nicht nur dort. Doch was bedeuten die Plastiktiger? | |
| Bild: Sehen komisch aus und sollen Glück bringen, zumindest in Japan: Plastikk… | |
| Was haben Katzen mit der Mafia zu tun? In Berlin hält sich das hartnäckige | |
| Gerücht, dass die winkenden Plastikkatzen ein Erkennungszeichen der Mafia | |
| seien. Welcher – das weiß keiner so genau. Trotzdem hört man regelmäßig, | |
| dass ein Ladenbesitzer, der sich eine Winkekatze ins Schaufenster stellt, | |
| Schutzgelder an die Mafia zahlt. Das ist natürlich Blödsinn – zeigt aber | |
| auch, dass kaum einer weiß, was es mit den Katzen wirklich auf sich hat. | |
| Tatsächlich haben die Plastikfiguren wenig mit Armut und Erpressung zu tun. | |
| Eher mit dem genauen Gegenteil: Sie sollen Glück und Wohlstand bringen. Ihr | |
| einladendes Winken soll Besucher anlocken, um dadurch dem Geschäft auf die | |
| Sprünge helfen. Das ergibt einen Sinn, denn Katzen gelten in Japan | |
| traditionell als Glücksbringer. Dieser Glaube geht auf diverse | |
| Überlieferungen zurück, nach denen Katzen ihren Besitzern das Leben | |
| gerettet haben sollen. | |
| Yuki Nishikawa, die in einem hippen Sushi-Laden in Berlin-Mitte arbeitet, | |
| kennt einige dieser Geschichten. Sie erzählt die beliebteste: Ein reisender | |
| japanischer Edelmann suchte während eines Unwetters unter einem Baum | |
| Schutz. Plötzlich sah er eine Katze, die ihm von einem nahe gelegenen | |
| Tempel aus zuzuwinken schien. Der Reisende folgte der Aufforderung und | |
| flüchtete sich in den Tempel. Zum Glück: Nur Sekunden später schlug ein | |
| Blitz in den Baum ein, der Mann wäre mit Sicherheit getötet worden. | |
| Ähnlich dramatisch endet auch ein anderer Mythos, der ebenfalls gern als | |
| Ursprung der Winkekatze angeführt wird. Er lässt sich auf dem Blog | |
| [1][winkekatze.info], der von Winkekatzen-Liebhaber Alex Dietrich betrieben | |
| wird, nachlesen. Die Anekdote handelt von der schönen Geisha Usugumo. Als | |
| diese eines Tages auf die Toilette gehen will, fängt ihre sonst sehr zahme | |
| Katze plötzlich an zu kratzen und an Usugumos Kimono zu zerren. | |
| Der Hausherr eilte der Geisha zu Hilfe und schlägt der Katze mit einem | |
| Schwert den Kopf ab. Noch im Flug beißt der abgetrennte Katzenkopf eine | |
| Schlange tot, die sich in der Toilette versteckt hat, und rettet der Geisha | |
| das Leben. Weil diese ihr totes Haustier bitterlich vermisst, schenkt einer | |
| ihrer Freier ihr schließlich ein hölzernes Abbild der Katze – vermutlich | |
| das allererste Exemplar der heutigen Winkekatze, die auf Japanisch übrigens | |
| „Maneki-Neko“ (zu Deutsch „Komm-her-Katze“) heißt. | |
| ## Katzen im Solarbetrieb | |
| „Vermutlich konnten die Katzen damals noch nicht winken, sondern waren | |
| einfach starr“, sagt Dietrich auf die Frage, wie das Winken ursprünglich | |
| funktionierte. Es sei aber auch denkbar, dass es einen einfachen | |
| Gelenkmechanismus gab, dank dem die Katze durch leichtes Antippen zum | |
| Winken gebracht werden konnte. Heute sind die Katzen nicht mehr aus Holz, | |
| sondern meist aus Plastik und werden durch Batterien betrieben. Für | |
| Umweltbewusste gibt es auch Katzen mit Solarpanelantrieb. | |
| Wichtiger als die Nachhaltigkeit ist für viele überzeugte Maneki-Neko-Fans | |
| aber die Frage, mit welchem Arm die Katze winkt. „In 99,8 Prozent der Fälle | |
| ist das der linke Arm“, sagt Dietrich. Denn das Winken mit der linken Pfote | |
| soll den Besucher heranlocken. Wenn die Katze rechts winkt, soll das Geld | |
| und Wohlstand bringen. Ganz selten findet man auch Katzenfiguren, die mit | |
| beiden Armen winken. Diese sollen dann sowohl Heim als auch Geschäft | |
| schützen – eine Geste, die im zurückhaltenden Japan allerdings als | |
| übertrieben gilt. Vermutlich wäre das im nicht ganz so zurückhaltenden | |
| Deutschland nicht anders: Zwei hoch erhobene Pfoten dürften die meisten | |
| Betrachter eher an eine attackierende Raubkatze in freier Wildbahn erinnern | |
| als an eine zivilisierte Einladung zum Eintreten. | |
| Damit ist es mit den Verständigungsschwierigkeiten allerdings noch nicht | |
| getan, die kulturellen Unterschiede reichen weiter: Die Katze winkt | |
| „asiatisch“ – und damit genau andersherum als der gemeine Europäer. Wer | |
| einmal genau hinsieht, wird merken, dass die Katzen stets mit der | |
| Handfläche nach vorne – also zum Betrachter – winken. In Asien winkt man so | |
| jemanden herbei, in Europa hingegen winkt man so, wenn man jemanden | |
| verabschieden will. Auch Handzeichen sind eben nicht universell. Schon gar | |
| nicht, wenn sie von Tieren ausgeführt werden. | |
| Ebenso wenig naturgetreu ist auch das Aussehen der Katze. Bei der Fellfarbe | |
| kommen Variationen vor, die auch in Japan als ungewöhnlich gelten dürften, | |
| so zum Beispiel die goldenen Katzen. Im Vordergrund steht auch hier die | |
| symbolische Bedeutung: Gold steht für Wohlstand, schwarz soll Gesundheit | |
| bewirken, weiß bedeutet Reinheit. Silber ist ungewöhnlicher und soll die | |
| spezifischen Wünsche des Besitzers erfüllen. In seltenen Fällen gibt es | |
| auch rote und grüne Katzen, die respektiv für Liebe und Gesundheit stehen. | |
| ## Der Kitschvorwurf | |
| Meist trägt die Katze außerdem ein buntes Halsband. Darauf steht in | |
| japanischen oder chinesischen Schriftzeichen, welchen Wunsch die Katze | |
| ihrem Besitzer erfüllen soll. In der nicht winkenden Hand hält sie außerdem | |
| oft einen Goldtaler, den „Koban.“ Auch dieser steht sinnbildlich für den | |
| hoffentlich von der Katze zu erwirtschaftenden Reichtum. Doch wenn die | |
| Katze Wohlstand anziehen soll – in der Anschaffung kostet sie fast nichts. | |
| Auf Amazon kann man die billigsten Exemplare schon für 4 Euro erstehen. Im | |
| Gegensatz zu den ursprünglichen Modellen, die meist aus Keramik oder | |
| Porzellan gefertigt waren, stammen die Katzen heute meistens aus | |
| chinesischer Billigproduktion, weswegen ihnen hierzulande der Ruf anhaftet, | |
| Plastikkitsch zu sein. | |
| Aber: Auch Ramsch kann durchaus interessant sein. Das lernt man bei Mario | |
| Behringer, der in einem kleinen Geschäft in Berlin-Kreuzberg eine | |
| ungewöhnliche Kollektion von Glückskatzen verkauft. Behringer, der sich | |
| eigentlich auf den Verkauf mexikanischer Folklore rund um den | |
| traditionellen „Tag der Toten“ spezialisiert hat, verkauft Winkekatzen, | |
| denen er traditionelle mexikanische Wrestlingmasken übergezogen hat. Das | |
| Ergebnis nennt sich „lucha cat“ und wirkt wie eine gruselige Persiflage auf | |
| die Ninja-Turtles. Die Miniaturmasken, die die Katzen tragen, lässt | |
| Behringer eigens in Mexiko anfertigen, weswegen er die Katzen gern als | |
| „Rache der Mexikaner an der chinesischen Billigproduktion“ bezeichnet. | |
| ## Warnung vor Unglück | |
| Doch nicht alle Kunden wissen diese kapitalismuskritische Geste ausreichend | |
| zu würdigen. Einmal sei eine ältere Dame voller Freude in den Laden | |
| gekommen in der Hoffnung, hier ein paar niedliche Porzellanfiguren | |
| vorzufinden. „Als sie die Masken sah, ist sie fast in Ohnmacht gefallen“, | |
| sagt Behringer. Entrüstet prophezeite ihm die Dame, die maskierten Katzen | |
| würden ihm Unglück bringen. Zum Glück haben sich die Verwünschungen bisher | |
| nicht bewahrheitet, die „lucha cat“ verkauft sich ziemlich gut. | |
| Möglicherweise haben die maskierten Kampfkatzen aber einen anderen | |
| Nachteil: Sie könnten alte Vorurteile wieder aufflammen lassen. Denn wer im | |
| Vorbeigehen die Armee finster dreinblickender Winkekatzen erblickt, die | |
| einem aus Behringers Schaufenster entgegenwinkt, der glaubt sofort, dass | |
| diese Katzen in kriminelle Machenschaften verwickelt sein könnten. | |
| Vielleicht gibt es sie also doch, die Berliner Katzenmafia. | |
| 5 Jul 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://winkekatze.info | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Ley | |
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