# taz.de -- Krise in Israel: Hamas kündigt Rache an | |
> Im Streit um Israels Angriffe auf Gaza beendet Außenminister Lieberman | |
> das Bündnis mit Netanjahu. Drei Männer gestehen unterdessen Mord. | |
Bild: Israels Grenzschutzpolizei nach Protesten in der Stadt Ar'Ara. | |
JERUSALEM taz | Die jüngste Gewalteskalation nach dem Mord an drei | |
israelischen und einem palästinensischen Teenager schärft die ideologischen | |
Konturen der Koalitionsparteien in Jerusalem. Der rechtskonservative | |
Außenminister Avigdor Lieberman brach aus Unmut über die | |
"Unentschlossenheit" von Regierungschef Benjamin Netanjahu bei Maßnahmen | |
gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen am Montag das Bündnis | |
seiner Partei Israel Beteinu mit dem Likud. Die beiden Fraktionen gehen | |
fortan wieder eigene Wege. | |
In der vorangegangenen Nacht waren neun Palästinenser bei Luftangriffen im | |
Gazastreifen ums Lebens gekommen; sieben von ihnen gehörten der Hamas an. | |
Für den Tod der Männer, die offenbar bei dem Zusammensturz eines | |
Schmugglertunnels starben, werde "Israel den Preis zahlen", wie die | |
Islamisten ankündigten. Auch am Montag dauerte der Raketenbeschuss auf | |
israelische Ortschaften rund um den Gazastreifen an. | |
An der Regierungskoalition ändert der Bruch des Listenbündnisses vorerst | |
nichts, auch bleibt Lieberman weiter Außenminister. Das Bündnis zwischen | |
Netanjahu und Lieberman galt von vornherein wahltaktischen Zielen. Nur | |
gemeinsam konnten sie sicher als stärkste Fraktion aus den Wahlen Anfang | |
2013 hervorgehen. Heute hat der Likud allein 20 Mandate, dicht gefolgt mit | |
19 der Zukunftspartei, während Israel Beteinu nur noch auf 11 kommt. | |
Lieberman betonte, dass ihm nichts ferner liege, als die | |
Regierungskoalition aufzulösen. Trotzdem attackierte er den Regierungschef | |
dafür, nicht konsequenter gegen die Hamas im Gazastreifen vorzugehen. | |
Die Entführung der drei israelischen Jungen Mitte Juni, der Fund ihrer | |
Leichen und der jüdische Vergeltungsakt an einem palästinensischen Jungen, | |
dem die neue Gewaltwelle folgte, wirft einen dunklen Schatten auf die | |
Koalition der sehr unterschiedlicher Parteien. Seit einer Woche debattieren | |
die Minister über Reaktionen. Netanjahu strebt eine Konsensentscheidung an, | |
die derzeit illusorisch erscheint. | |
## Festgenommene gestehen Mord an Palästinenser | |
Keine Woche dauerte es, bis die Spur der Polizei zum Ergebnis führte. Drei | |
der festgenommenen Männer gestanden den schrecklichen Mord an dem | |
16-jährigen Mohammed Abu Chedair. Netanjahu setzte jüdischen und arabischen | |
Terror auf eine Stufe und rief bei den Eltern des toten Palästinensers an, | |
um der Familie zu versichern, dass die Täter ihrer gerechten Strafe | |
zugeführt werden. | |
Wenn es ihm wirklich ernst damit sei, so forderte Hussein Abu Chedair, der | |
Vater Mohammeds, später in einem Telefonat mit Israels Justizministerin | |
Zipi Livni, dann müsse Netanjahu die Zerstörung der Häuser der Mörder | |
veranlassen. Vergangene Woche hatte die Armee das Haus der Familie eines | |
palästinensischen Terroristen in Hebron dem Erdboden gleichgemacht. Die | |
Nachricht von der Verhaftung der Täter nahm die Familie mit wenig | |
Genugtuung auf. "Meinen Sohn bringt es nicht zurück", meinte Hussein Abu | |
Chedair. "Mein Sohn ist verbrannt." | |
Konsequenterweise reagieren gerade die, die nach dem Mord an den drei | |
jungen Israelis zu härtesten Maßnahmen aufriefen, nun am deutlichsten auf | |
den Mord an dem palästinensischen Jungen. Der nationalreligiöse | |
Wirtschaftsminister Naftali Bennett nannte den Gewaltakt "unjüdisch". Er | |
selbst werde sich dafür starkmachen, dass die Täter niemals begnadigt | |
werden. | |
Die Regierung setzt derzeit offenbar alles daran, die aufgebrachten Wogen | |
zu glätten. Netanjahus Zögern vor einer erneuten massiven Militäroperation | |
im Gazastreifen ist auf die Sorge vor einer weiteren Eskalation | |
zurückzuführen. "Worauf warten wir noch?", fragte Lieberman am Montag | |
erbost. Hunderte Raketen stünden im Gazastreifen bereit. Es sei | |
unerträglich, "dass eine handvoll Terroristen jeden Moment 1,5 Millionen | |
Israelis in die Bunker zwingen kann". Der streitbare Außenminister will die | |
Neubesetzung des palästinensischen Küstenstreifens. Mit dieser Haltung | |
sitzt er in der Regierung jedoch auf einem einsamen Posten. | |
7 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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