Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Eskalation in Nahost: „Hamas bleibt Hausherr in Gaza“
> Der Politologe Yagil Levy über die Weigerung der Hamas, Spielregeln zu
> akzeptieren und warum Militärschläge im Gazastreifen nicht viel verändern
> werden.
Bild: „Unter der palästinensischen Bevölkerung wächst die Not und die Frus…
taz: Israel ist mit mehr als 100 Raketen beschossen worden. Welchen Zweck
verfolgt die Hamas im Gazastreifen mit den neuen Angriffen?
Yagil Levy: Die Hamas ist zur Zeit sehr geschwächt. Grund dafür ist die
politische Isolation und die Blockade von beiden Seiten, Israel und
Ägypten. Seit sechs Monaten können die Gehälter für die 40.000 Mitarbeiter
der Hamas-Verwaltung nicht mehr gezahlt werden. Unter der palästinensischen
Bevölkerung dort wachsen Not und Frustration. Die neue Gewalt könnte ein
Versuch sein, den Status quo aufzubrechen.
Israels Regierungschef Netanjahu hat die Luftwaffe anfänglich auf den
Beschuss von Waffenlagern und –produktionsstätten beschränkt, jetzt setzt
er die Kampfflieger auch gegen Privathäuser von Hamasfunktionären an.
Reagiert er damit auf den Druck des Außenministers Avigdor Lieberman?
Das glaube ich nicht. Allerdings ist Netanjahu eher unfreiwillig in den
aktuellen Schlagabtausch hineingezogen worden. Der Regierung muss klar
sein, dass sie mit neuen Militärschlägen im Gazastreifen letztendlich nicht
viel verändern wird. Die Hamas ist Hausherr und wird es auch bleiben.
Gleichzeitig konnte Netanjahu die massiven Raketenangriffe der Islamisten
nicht unbeantwortet lassen. Die Hamas weigerte sich, die Spielregeln von
„Ruhe für Ruhe“ zu akzeptieren.
Rechnen Sie mit einer Ausweitung der Offensive und einer Invasion von
Bodentruppen?
Israel wird alles daran setzen, eine Bodenoffensive zu verhindern. Im
Moment droht die Armee, indem sie die Truppen im Grenzgebiet zusammenzieht.
Dabei geht es aber eher um das Signal: Wir könnten, wenn wir wollten. Wenn
der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen andauert und vielleicht noch
massiver wird, dann bleibt Israel kaum eine Alternative, und die Truppen
werden reingehen. Erfahrungsgemäß wird es dann zu internationaler Empörung
kommen, und auch innerhalb Israels ist man äußerst empfindlich, wenn es
Tote unter den eigenen Soldaten gibt. Für Netanjahu ist es eine
„lose-lose“-Situation. Er kann eigentlich nicht gewinnen.
Wie würde, Ihrer Erfahrung nach, das Ende einer solchen Offensive aussehen?
Jede kriegerische Auseinandersetzung setzt, um beendet zu werden, eine Form
von beiderseitigem Übereinkommen voraus. Wir haben das Anfang 2009 erlebt,
als im Rahmen der Operation „Gegossenes Blei“ israelische Bodentruppen drei
Wochen lang im Gazastreifen kämpften. Auch Israel wird dann Zugeständnisse
machen müssen, um der Hamas die Zustimmung zu einem Waffenstillstand zu
ermöglichen. In der Vergangenheit ging es um erleichterte
Einfuhrbestimmungen und eine Lockerung der Seeblockade, was für die Fischer
in Gaza wichtig ist, damit sie mit ihren Booten weiter rausfahren können.
Könnte die gemäßigtere Fatah nicht die Führung im Gazastreifen übernehmen?
Ganz sicher nicht. Die Fatah ist im Sommer 2007 brutal aus dem Gazastreifen
vertrieben worden und hat es bis heute nicht geschafft, neue
Machtstrukturen aufzubauen. Die Hamas ist vorläufig die einzige politische
Bewegung, die den Gazastreifen verwalten kann, wobei die noch radikalere
Opposition stärker wird. Die Hamas verliert ja gerade an politischer Macht,
weil sie die noch radikaleren Extremisten bislang an Angriffen gegen Israel
hinderte. Für uns ist ganz wichtig, dass die Hamas eine starke Macht
bleibt. Der Aufbau eines Hamas-Staates in Gaza ist für Israel von
fundamentalem Interesse.
Wie steht es mit den Palästinensergebieten? Kann es im Westbank ruhig sein,
wenn sich Gaza im Krieg befindet, und umgekehrt?
Nein. Hier ist eine Trennung nicht möglich. Die israelische Regierung
sollte sich nicht die Illusion machen, sie könne die Hamas im
Westjordanland zerschlagen, und die Hamas im Gazastreifen schaut dabei
ruhig zu. Hier besteht ein klarer Zusammenhang, und die Hamas wird, sobald
es zu Waffenstillstandsverhandlungen kommt, die Entlassung der Hamas-Leute
fordern, die während der Suche nach den drei entführten und ermordeten
Teenagern verhaftet wurden.
Gibt es überhaut noch einen Weg zur Wiederaufnahme der
Friedensverhandlungen?
Dazu wären klare Angebote nötig. Israel müsste den Siedlungsbau einfrieren
und Gefangene aus den Gefängnissen entlassen. Außerdem müsste es Garantien
dafür geben, dass die Kernpunkte des Konflikts behandelt werden. Dazu
gehört der endgültige Grenzverlauf, der Status von Jerusalem und die
Zukunft der Flüchtlinge.
9 Jul 2014
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
Hamas
Israel
Gaza
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Gaza
Israel
Salafisten
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Israel
Israel
Israel
Militär
Israel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Konflikt um Gaza: Böses, böses Israel
Wenn drei Jugendliche ermordet werden und aus Gaza Raketen abgeschossen
werden, dann hat Israel einen Krieg angefangen. Geht's noch?
Konflikt um Gaza: Libanon feuert Rakete auf Israel
Israel bereitet sich weiter auf eine Bodenoffensive vor und verlegt
Reservisten an die palästinensische Grenze. Eine weitere Front scheint sich
im Libanon aufzutun.
Kommentar Angriffe auf Gaza: Es wird eng für Netanjahu
Viele wollen, dass Ministerpräsident Netanjahu zurückschlägt. Doch schwächt
Israel die Hamas zu sehr, droht Gaza zum neuen Somalia zu werden.
Konflikt im Nahen Osten: Militanter als die Hamas
Im Gazastreifen sind einige Islamistengruppen aktiv, die Hamas ist davon
die moderateste. Sollte sie wegfallen, könnten radikalere Gruppen die Lücke
füllen.
Eskalation im Nahost-Konflikt: Keine Entspannung in Sicht
Die Gefechte im Gazastreifen halten an. Die Vereinten Nationen haben ein
Dringlichkeitstreffen anberaumt. Israel zieht derweil Reservisten für eine
Bodenoffensive ein.
Eskalation im Nahost-Konflikt: Unter Dauerbeschuss
„Wer sagt, dass er keine Angst hat, der lügt“: Die Raketen aus Gaza
terrorisieren die Israelis. Sie versuchen, ihr normales Leben fortzusetzen.
Kommentar Israel und Gaza: Die Hamas als kleineres Übel
Zwingt Israel die Hamas in die Knie, werden noch radikalere Islamisten in
die Bresche springen. Bislang verhält sich Netanjahu vernünftig.
Eskalation im Nahost-Konflikt: Raketen gegen Bomben
Die Hamas hat ihre Raketenangriffe auf israelische Städte ausgeweitet.
Unterdessen bombardierte Israel mehr als 270 Ziele im Gazastreifen. Die
Opferzahl steigt.
Angriffe auf Gazastreifen: Netanjahu mobilisiert Reservisten
Trotz der gegenseitigen Angriffe hat weder die Regierung noch die Hamas ein
Interesse an einem neuen Krieg im Gazastreifen.
Reaktion auf Hamas-Raketen: Israel startet neue Militäroffensive
Die israelische Armee hat rund 50 Ziele im von der Hamas kontrollierten
Gazastreifen angegriffen. Das Militär reagiert so auf den Raketenbeschuss
aus dem Gebiet.
Krise in Israel: Hamas kündigt Rache an
Im Streit um Israels Angriffe auf Gaza beendet Außenminister Lieberman das
Bündnis mit Netanjahu. Drei Männer gestehen unterdessen Mord.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.