| # taz.de -- Australiens Flüchtlingspolitik: Kurzbefragung per Video | |
| > Die Regierung in Canberra räumt ein, tamilische Boatpeople auf offener | |
| > See an Sicherheitskräfte aus Sri Lanka übergeben zu haben. | |
| Bild: Zurückgeschickte Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Sri Lanka. | |
| CANBERRA taz | Von „Geisterschiffen“ sprechen Australiens Medien: Denn eine | |
| Woche lang wusste in der australischen Öffentlichkeit niemand, wo im | |
| Indischen Ozean sich zwei Flüchtlingsschiffe mit Kurs auf down under | |
| befinden. Gab es sie überhaupt? Australiens Regierung blockierte jegliche | |
| Information mit dem Hinweis, Geschehnisse auf dem Wasser seien „geheim“. | |
| Doch am Montag bestätigte Immigrationsminister Scott Morrison: 41 Personen, | |
| darunter vier Tamilen, seien nach einer „eingehenden Prüfung ihres | |
| Anspruchs auf Asyl“ in der Nähe der Kokosinsel an Sri Lankas Marine | |
| übergeben worden. Humanitäre Organisationen und Juristen vergleichen dies | |
| mit einer Abschiebung von „Juden nach Nazi-Deutschland“. Denn trotz des | |
| Endes des Bürgerkriegs in Sri Lanka sind Tamilen weiter Übergriffen des | |
| Militärs ausgesetzt. | |
| Morrison erklärte, der Asylanspruch der Flüchtlinge sei vor ihrer | |
| Abschiebung auf hoher See per Videokonferenz geprüft worden. Australien | |
| folge damit der UNO-Flüchtlingskonvention. Die Juraprofessorin Mary Crock | |
| widerspricht. Laut der Expertin für Immigrationsrecht habe die Regierung | |
| sogar zugegeben, einen Mann deportiert zu haben, dem in Sri Lanka | |
| erwiesenermaßen Verfolgung drohe. Er habe sich aber zur Umkehr entschieden, | |
| als ihm gesagt wurde, er werde in einem australischen Lager in Naru oder | |
| Papua-Neuguinea interniert. „So stoppt man diese Boote“, erklärte Morrison. | |
| ## Verzweifelte Anrufe der Bootsinsassen bei Journalisten | |
| Journalisten hatten vor mehr als einer Woche Anrufe verzweifelter Insassen | |
| der Boote erhalten. Sie hatten Angst zu kentern. Australiens Marine schien | |
| deren Boote schnell lokalisiert zu haben, doch die Regierung hielt alle | |
| Infos zurück. Am Dienstag bestätigte Canberra, weitere 153 mutmaßliche | |
| Asylsuchende befänden sich auf einem Schiff der Küstenwache. In Melbourne | |
| setzten derweil Flüchtlingsorganisationen bei Gericht durch, dass die | |
| Regierung künftig Flüchtlingen 72 Stunden vor deren Abschiebung informiere | |
| muss. | |
| 53 australische Juristen und Akademiker hatten die Videobefragung | |
| verurteilt. Laut Mary Crock habe die Telekonferenz – so weit bekannt – nur | |
| aus vier Fragen bestanden. Drei dienten der Bestätigung der Identität des | |
| Antragstellers, die vierte fragt, warum der Asylsuchende nicht zurückgehen | |
| wolle. Laut den Juristen hat jeder Mensch nicht nur das Recht, in einem | |
| Drittland um Asyl zu ersuchen, sondern auch auf Anhörung. Vor allem dürfe | |
| eine Regierung nicht dorthin abschieben, wo Misshandlung und Verfolgung | |
| drohten. Die Rechtslage sei diesbezüglich eindeutig, so die Experten. | |
| ## Wie viele Flüchtlinge ertrunken sind, wird nicht bekannt gegeben | |
| Die konservative Regierung von Premierminister Tony Abbott dürfte sich | |
| durch solche Proteste nicht von ihrer harten Politik abhalten lassen. Sie | |
| hatte im letzten Wahlkampf versprochen, keine Bootsflüchtlinge mehr ins | |
| Land zu lassen, und war dafür gewählt worden. | |
| Das Gros der Asylsuchenden stammt aus Iran, Irak, Afghanistan und Sri | |
| Lanka. Sie versuchen, auf kaum seetüchtigen Booten meist über Indonesien | |
| nach Australien zu gelangen. Seit Monaten ist dies nicht mehr gelungen. | |
| Flüchtlinge wurden von Australiens Marine nach Indonesien zurückgetrieben. | |
| Wie viele dabei in kaum seetüchtigen Schiffen untergingen, ist wegen | |
| Canberras Geheimpolitik nicht bekannt. | |
| Nach wie vor warten in von Australien auf isolierten Inseln verlegten | |
| Internierungslagern Tausende Flüchtlinge auf ihren Asylentscheid. Unter | |
| ihnen befinden sich rund eintausend Kinder. Laut einer Untersuchung leiden | |
| viele der Internierten unter Depressionen und psychischen Krankheiten. | |
| Unter Kindern seien Selbstverstümmelung und Selbstmordversuche weit | |
| verbreitet. Über 90 Prozent der Antragsteller werden schließlich als echte | |
| Flüchtlinge anerkannt. | |
| 8 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Urs Wälterlin | |
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