# taz.de -- Fußball als Belastungstest für die Ehe: Don’t cry for me Aleman… | |
> WM-Duelle bringen auch jenseits des Platzes Spannungen mit sich. Am | |
> schlimmsten ist es in Partnerschaften. Szenen einer | |
> deutsch-argentinischen Ehe. | |
Bild: Maxi Rodriguez (r.) und Lukas Podolski im WM-Viertelfinale 2010. | |
2005, wir waren gerade einige Monate zusammen, machten wir unsere erste | |
kleine gemeinsame Reise. Ein Kurztrip nach Tandil, einem Ort in der Provinz | |
Buenos Aires, bei dem sich die Ebene der Pampa erstmals in eine hügelige | |
Landschaft verwandelt. Anstatt eines romantischen Abendessens mit | |
Kerzenlicht nach der Ankunft, saß er plötzlich vorm Fernseher und schaute | |
sich doch tatsächlich ein Fußballspiel zwischen Milan und Schalke 04 an. | |
Der Vorgang war umso überraschender, da bei ihm zu Hause gar kein Fernseher | |
stand. Der sei schließlich nicht notwendig, so sein Argument. Ansatzlos und | |
unvorbereitet traf mich diese Tatsache. In diesem Moment begriff ich, dass | |
ich mich auf einen Fußballverrückten eingelassen hatte. Dann kam die WM | |
2006. Damals wohnten wir schon zusammen. Und wenige Tage vor dem ersten | |
Anpfiff rannten wir los, schließlich musste er doch „die Spiele aus meiner | |
Heimat sehen“. | |
Damals trafen wir das erste Mal aufeinander, nach dem Finale von 1990. Was | |
tun? Wo und mit wem schauen wir uns das Spiel an? Mit deutschen Freunden, | |
mit argentinischen Freunden? Wir entschieden uns für Zweisamkeit zu Hause | |
und den neuen Fernseher. | |
Auch nach der Verlängerung stand es unentschieden, damals begann ich Klose | |
zu hassen, denn der hatte uns ins Elfmeterschießen gezwungen … Wir | |
versuchten nicht bei jedem Elfer zu jubeln, und schon gar nicht bei denen, | |
die Lehmann gehalten hat, aus Rücksicht auf die Gefühle des anderen … Am | |
Ende stand er auf, ging ins Nebenzimmer, machte das Fenster auf … Es war | |
ein langgezogener Schrei, der einzige in unserem Stadtviertel. | |
## Eine Enttäuschung | |
Monate später arbeitete ich vorübergehend in Berlin. Noch immer standen | |
Reste der WM herum, und ich stellte fest, dass mein Freund nicht der | |
einzige fußballverrückte Deutsche war. Die waren so verrückt, dass sie | |
diesen Film machten. „Deutschland. Ein Sommermärchen“ … Ich dachte es sei | |
ein Film wie „Héroes“, der Film über die WM von 1986. Aber was für eine | |
Enttäuschung, es ging nur um die deutsche Mannschaft und die Deutschen. | |
Während der WM 2010 in Südafrika machten wir Familienurlaub in Deutschland, | |
inzwischen verheiratet und mit unserem kleinen Sohn. Dort haben wir die WM | |
gesehen, besser gesagt, meinen Teil der WM. Unser Rückflug nach Buenos | |
Aires war am Abend des 3. Juli, und ausgerechnet an diesem Tag trafen | |
Argentinien und Deutschland aufeinander. Sich zu Hause einzubunkern, ging | |
nicht – und nur mit Deutschen schauen, nee. | |
Schließlich entdeckten wir ein Refugium für mich, das Restaurant Buenos | |
Aires in Frankfurt … Nach der beeindruckenden Niederlage musste ich durch | |
die Straßen von Frankfurt laufen, mit meinen schlafenden Sohn auf dem Arm, | |
einem hochzufriedenen Ehemann an der Seite und diesen Locos por Alemania. | |
Einen Tag später landeten wir nur wenige Stunden vor der argentinischen | |
Mannschaft in Buenos Aires. | |
## Alle Italiener waren plötzlich Deutsche | |
Und jetzt heißt es wieder Argentina – Alemania! Diesmal wird es wirklich | |
hart. Diesmal ist es das Endspiel. Wie 1990. Und es wird wieder so sein wie | |
damals. Noch heute habe ich die Wut von Maradona und den anderen vor Augen, | |
als uns damals die Italiener schon während der Nationalhymne ausgepfiffen | |
hatten. Alle Italiener waren plötzlich Deutsche, weil wir das Halbfinale | |
gegen sie gewonnen hatten und sie jetzt nicht auf dem Platz standen. Daran | |
werde ich am Sonntag wieder denken müssen, wenn sich alle Brasilianer in | |
Deutsche verwandeln, obwohl doch die Deutschen sie aus ihrer WM geschossen | |
haben. | |
Und dann sagt ausgerechnet auch noch dieser Robben, dass Argentinien keine | |
Chance hätte. Und diese zwei Deutschen, die gleich nach dem 7:1-Spiel zu | |
mir meinten, „na, kommst du am Sonntag auch Deutschland – Holland schauen? | |
Was, Argentinien? Nein, man muss doch realistisch sein!“ Ich werde am | |
Sonntag das Spiel dort sehen, wo ich auch die Finals von 1986 und 1990 | |
gesehen habe, und darauf hoffen, dass der Traum von Messi sich in | |
Wirklichkeit verwandelt, denn so ist Fußball, immer gibt es Überraschungen. | |
Tja, und mein Mann? Ich habe noch keine Ahnung, wo der schauen wird … | |
Autorisierte Übersetzung: Jürgen Vogt | |
13 Jul 2014 | |
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