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# taz.de -- Lob für Bundestrainer Löw: Der Mann, der den Jungen vertraute
> Nur durch günstige Umstände konnte Löw Cheftrainer werden. Seine
> Verjüngungskur der Nationalelf wurde mit dem WM-Titel belohnt.
Bild: Joachim Löw (M.) grinst bei der Siegerehrung bis über beide Ohren
BERLIN taz | Warum nicht in Erinnerungen schwelgen – Podolski und
Schweinsteiger war es auch eine selige Übung. Beide feierten am 6. Juni
2004 in einem EM-Vorbereitungsspiel gegen Ungarn ihre Premiere. Das Spiel
ging 2:0 aus. Für Ungarn! All das erscheint an diesem Sonntagabend ewig
entfernt. Doch man muss zurückschauen, um zu verstehen, weshalb
Sonntagabend etwas Unwahrscheinliches gelang: der Sieg bei einer WM.
Damals, vor zehn Jahren, hieß der Bundestrainer Rudi Völler. Unter seiner
Leitung ging die DFB-Elf sang- und klanglos bei der EM in Portugal unter.
Tiefpunkt: ein 0:0 gegen Lettland. Das Vorrundenaus in Portugal war
verdient. Nach diesem Turnier war der DFB zum Umdenken gezwungen, wollte
dieser Verband mehr sein als reicher als andere Fußballverbände.
Aber hatte man nicht schon vier Jahre zuvor, ebenfalls nach einem
EM-Desaster, Konsequenzen gezogen? Und zwar radikal. Langfristige
Förderungskonzepte waren das Ergebnis. „Da wurde gesagt, wir müssen mehr in
die Ausbildung investieren, wir müssen technisch bessere Spieler haben. Nur
mit deutschen Tugenden hätte man keine Fortschritte gemacht“, sagt Joachim
Löw nun nach dem WM-Sieg.
Die Antwort des DFB vor zehn Jahren sollte dennoch eine gestrige sein. Nach
dem EM-Sieg Griechenlands liebäugelte man mit Otto Rehhagel – mit einem
Taktiker, keinem Strategen. Nach längerer Suche fiel die Wahl auf Jürgen
Klinsmann. Mit ihm fand man schließlich den passenden Gestalter für die
Verjüngungskur.
In der Retrospektive erscheint „Klinsi“ oft als der Esoterikheini, der beim
FCB Buddha-Statuen aufstellen ließ. Seine Rolle bei der Nationalelf würde –
vor allem durch Sönke Wortmanns „Sommermärchen“ – zu sehr auf die des
Motivators beschränkt, beschwerte sich Klinsmann gegenüber dem Fachblatt
11Freunde. In der Tat: Sein Verdienst war es, die neue Generation von
Fußballern mit offenen Armen zu empfangen.
## Frings raus, Müller rein
Nach 2006 radikalisierte Löw das Konzept des neuen deutschen Fußballs gar.
Bemühte sich Klinsmann 2006 noch, eine Mischung aus alten Recken wie Jens
Lehmann und Bernd Schneider und Nachwuchsleuten wie Bastian Schweinsteiger
und Lukas Podolski zu finden, ließ Löw für die WM 2010 gestandene Spieler
wie Torsten Frings zu Hause und setzte auf unerfahrene Spieler wie Thomas
Müller. Letzterer dankte es ihm und wurde Torschützenkönig des Turniers.
Mit dem DFB lag Löw vor dem Turnier in Südafrika im Clinch. Eine
Entscheidung über seine Vertragsverlängerung wurde bis nach der WM vertagt.
Ob der Verband weiterhin mit ihm planen würde, schien fraglich. Es waren
nicht die einzigen kritischen Stimmen, mit denen der Badener zu kämpfen
hatte.
Seine Trainerlebenslauf las sich bis 2006 dürftig. Pokalsieger mit dem VfB
Stuttgart – und Anstellung in Österreich und der Schweiz: Konnte so einer
Bundestrainer werden? Immer wieder wurden zudem Töne laut, im
Nationalmannschaftskader gebe es keine Typen. Wobei nie ganz klar war, wer
mit diesen „Typen“ gemeint war.
Der Strom an frischen Nachwuchskräften riss unterdessen nicht ab. Durch sie
ist der deutsche Fußball flexibel wie nie geworden. Der beste Spieler der
letzten Bundesligasaison, Marco Reus, verletzt sich kurz vor der WM. Kein
Problem, denn es gibt ja noch Mario Götze und André Schürrle.
Wenige Minuten vor dem WM-Finale wird klar, dass Sami Khedira, eine
wichtige Stütze im deutschen Mittelfeld, nicht spielen kann: Als wäre es
das Selbstverständlichste auf der Welt, bringt Löw statt des Madrilenen den
jungen Gladbacher Christoph Kramer, der noch nie ein
A-Nationalmannschaftsspiel von Beginn an bestritten hat. In einem WM-Finale
## Mitreißender Sport
Das Turnier zeigt zudem eine weitere Errungenschaft der Klinsmann-Löw-Ära:
Das deutsche Spiel war sehenswert. Kein ruppiger und knotiger Kick in
Schwarz-Rot-Gold mehr. Über weite Strecken bot DFB-Elf ihren Zuschauern
mitreißenden Sport.
Gelegentlich griff die Nationalelf zwar auch im Finale zu alten Mitteln:
hohe Flanken in den Strafraum flanken und darauf hoffen, dass Miro Klose im
richtigen Moment seinen Kopf hinhält. Doch zwingendere Gelegenheiten boten
sich durch schön herausgespielte Aktionen. Siehe das 1:0.
Jahrelang hatte die Nationalmannschaft auf „La Roja“ und der FC Bayern auf
den FC Barcelona geschielt. Nun schaut die Welt auf Deutschland: Sie
spielen nicht spanisch schön, sondern deutsch. Und obendrein: dramatisch
schön. Kein Wunder, dass in sehr vielen Ländern, deren Nationalmannschaften
im Laufe des Turniers auf der Strecke blieben, über das
Nachhaltigkeitskonzept des DFB debattiert wird.
Tendenz: nachmachen, um den Anschluss wiederzugewinnen. So wie der
Zufallsbundestrainer Jürgen Klinsmann, Joachim Löw und Hansi Flick viele
Nächte darüber sannen, wie man den deutschen Fußball wieder weltmarktfähig
machen könne.
## Löw spricht von „Demut“
Nach dem 7:1-Sieg gegen Brasilien im Halbfinale sprach Joachim Löw von
„Demut“. Diese leisen Töne sind auch nach dem Titelgewinn angemessen.
Großsprechertum – liegt diesem Mann nicht. Vermutlich weiß er: Es sind
nicht große Männer, die Geschichte schreiben, sondern allenfalls denkende
Teams.
Die Investitionen in den Nachwuchs, die der DFB nach der vergeigten EM 2000
tätigte, trugen am Sonntagabend multikulturelle Früchte. Nicht „wir“ sind
Weltmeister, sondern die vielen Götzes, Özils, Müllers, Khediras und
Boatengs. Und Joachim Löw, der ihnen Vertrauen schenkte.
14 Jul 2014
## AUTOREN
Marco Wedig
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Fußball
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Joachim Löw
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